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PKK gibt bewaffneten Kampf auf – Hoffnung auf Ende des Konflikts

Die PKK kündigt offiziell das Ende ihres bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat an. Die Zukunft der Kurden in der Türkei bleibt jedoch ungewiss.

Historische Erklärung: Die PKK hat ihre Auflösung verkündet.
Foto: Bilal Seckin/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

Die als Terrororganisation eingestufte verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK gibt offiziell ihren bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat auf. Die Ankündigung lässt Hoffnung auf ein Ende des blutigen Konflikts aufkommen. Es bleibt jedoch unklar, ob alle Kämpfer dem Aufruf folgen werden und welche Auswirkungen die neue Entwicklung auf die Zukunft der Kurden in der Türkei haben wird. Hier sind einige Fragen und Antworten zu diesem Thema.

Wer ist die PKK und wofür steht sie?

Die PKK steht für Arbeiterpartei Kurdistans (kurdisch: Partiya Karkerên Kurdistanê). Sie ist eine militante Gruppierung, die gegen den türkischen Staat kämpft. Abdullah Öcalan gründete die PKK im Jahr 1978 hauptsächlich als Reaktion auf die politische, soziale und kulturelle Unterdrückung der Kurden in der Türkei. Anfangs war sie eine politische Organisation, die Kurden zum Widerstand gegen die türkische Regierung aufrief. Später entwickelte sie sich zu einer militanten Bewegung, die zunehmend gewaltsame Mittel einsetzte, um ihre Ziele zu erreichen – einschließlich Terroranschläge auf Zivilisten.

Das türkische Militär hat in der Vergangenheit regelmäßig militärisch gegen die PKK interveniert. Gemäß der Denkfabrik International Crisis Group sind bisher etwa 40.000 Menschen im Verlauf des Konflikts getötet worden. Heute befindet sich das Hauptquartier der PKK in den irakischen Kandil-Bergen und sie ist auch in der Türkei, in Syrien, im Iran und in Europa präsent.

Die PKK befürwortet mittlerweile nicht mehr explizit die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates, sondern setzt sich für umfassende Autonomie und mehr Rechte für Kurden innerhalb der bestehenden Staaten ein. In der Türkei, der EU und den USA wird die Organisation als Terrororganisation angesehen.

Wieso kommt die Auflösung jetzt?

Experten nennen mehrere Gründe dafür. Einerseits ist die PKK im Irak durch die fortgesetzten türkischen Angriffe geschwächt. Auch in der kurdischen Bevölkerung wächst der Wunsch nach einem Ende der Kämpfe. Darüber hinaus hat sich in der Region durch den Gaza-Krieg, die Schwächung des Irans und den Umsturz in Syrien ein Machtvakuum gebildet – das sowohl von den Kurden als auch von der Türkei mitgestaltet werden soll.

Öcalan hatte im Februar die PKK aufgefordert, sich aufzulösen, um am demokratischen Prozess teilzunehmen, anstatt zu kämpfen. Dieser Aufruf folgte einer Initiative des ultranationalistischen Regierungspartners des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der MHP. Der Chef der MHP, Devlet Bahceli, der bisher ein entschiedener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK war, hatte im Oktober vorgeschlagen, Öcalan freizulassen, der seit 1999 in der Türkei inhaftiert ist, falls die PKK ihre Waffen niederlegt und sich auflöst. Bisher ist Öcalan jedoch nicht freigelassen worden. Erdogan hat dies klar abgelehnt, ebenso wie mögliche Amnestien für Personen, die wegen Terrorismus inhaftiert sind.

Was bedeutet die Auflösung der PKK für Ankara?

Der Konflikt mit der PKK ist einer der langwierigsten sicherheitspolitischen Probleme der Türkei. Die Entwaffnung und Auflösung der PKK wird von der Regierung in Ankara als historischer Erfolg angesehen. In den vergangenen Jahren wurden auch enorme Summen in den Kampf gegen die PKK-Stellungen im Irak, in Syrien und in der Türkei investiert.

Beobachter sehen den Friedensprozess auch als Mittel zur weiteren Spaltung der Opposition. Der prokurdischen Dem-Partei wird vorgeworfen, sich in ihrer Kritik an der Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu zugunsten des Friedensprozesses zurückgehalten zu haben. Die Dem-Partei selbst, Vermittlerin zwischen türkischer Regierung und PKK-Gründer Öcalan, bestreitet dies.

Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt jedoch auch Erdogans Bestreben nach einer Verfassungsänderung, um erneut als Präsident kandidieren zu können. Dafür ist er auf zusätzliche Stimmen im Parlament angewiesen, wie etwa die der Dem-Partei.

Wie geht es jetzt weiter?

Es ist völlig unklar, ob alle Fraktionen der in mehrere Gruppierungen zersplitterten PKK dem Aufruf zur Auflösung folgen werden. Ebenso unklar ist, wie die Kurdenmiliz YPG reagieren wird, die große Gebiete in Nordsyrien kontrolliert und von Ankara als Ableger der PKK angesehen wird.

Eine weitere unbeantwortete Frage ist, wie die Entwaffnung der Tausende von Kämpfern umfassenden PKK ablaufen soll. Experten vermuten, dass der Irak dabei eine Rolle spielen könnte. Als nächstes müsste geklärt werden, ob die Kämpfer in die Türkei zurückkehren. Die PKK fordert, dass der Auflösungsprozess von Öcalan geleitet werden soll. Es ist noch unklar, wie und ob dies umgesetzt werden kann.

Welche Auswirkungen hätte ein neuer Friedensprozess auf die Rechte der Kurden in der Türkei?

Die Kurden in der Türkei fordern seit vielen Jahren eine soziale und politische Gleichstellung. Dies wird auch jetzt betont: Mögliche Verhandlungspunkte könnten die Anerkennung des Kurdischen als Nationalsprache oder die Änderung des Verfassungsartikels sein, der besagt, dass jeder türkische Staatsbürger Türke ist.

Die kurdische Seite fordert außerdem ein Ende der Einsetzung von Zwangsverwaltern. In den von der prokurdischen Partei regierten Provinzen in der Türkei werden regelmäßig gewählte Bürgermeister durch regierungsnahe Zwangsverwalter ersetzt. Darüber hinaus wird auch die Beendigung der Isolationshaft von Öcalan gefordert.

Es ist unklar, ob das Schicksal von Selahattin Demirtas, dem seit 2016 inhaftierten Erdogan-Kritiker und ehemaligen Chef der prokurdischen Partei, Teil von Verhandlungen sein könnte.

Woran könnte der Prozess scheitern?

Ein wirklicher Friedensprozess müsste neben der PKK auch andere kurdische Gruppierungen und Akteure einbeziehen, da es nicht nur um den bewaffneten Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat geht. Beobachter behaupten zudem, dass ein ernsthafter Friedensprozess nur mit einer zumindest teilweisen Demokratisierung einhergehen kann. Viele zweifeln daran, dass dies unter der Führung des zunehmend autoritär regierenden Erdogan möglich ist. Es besteht auch die Gefahr, dass bei der Entwaffnung der PKK-Kämpfer noch viele Probleme auftreten können.

dpa