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Energiesparen: Debatte um Tempolimit nimmt Fahrt auf

Der Gasstreit mit Russland könnte sich zuspitzen, die Bundesregierung hat Verbraucher und Firmen zum Energiesparen aufgerufen. Es wird wieder über ein Dauerbrenner-Thema diskutiert.

Energiesparen: Kann ein Tempolimit helfen?
Foto: Jens Büttner/zb/dpa

Deutschland will weniger abhängig sein von russischen Lieferungen – dazu soll Energie eingespart werden. Kommt nun doch ein generelles Tempolimit auf deutschen Straßen? Die Rufe danach werden lauter.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir müssen ab sofort noch mehr auf den Verbrauch von Energie schauen. Deshalb plädieren wir dafür, jetzt ein Tempolimit zu prüfen. Damit könnten wir sofort ein Einsparpotenzial heben.»

Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist ein Dauerbrenner-Thema – die Debatte kommt nun aber neu auf. Denn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief am Mittwoch die Frühwarnstufe eines Notfallplans Gas aus, die erste von drei Stufen. Damit soll die Vorsorge für einen möglichen russischen Lieferstopp gestärkt werden. An Verbraucher und Firmen ging der Appell, Energie einzusparen.

Dedy sagte, ein russischer Gas- oder Öl-Lieferstopp sei ein realistisches Szenario. «Wir wollen keine Hysterie, aber ein stärkeres Bewusstsein der Menschen und der Wirtschaft, dass es zu einer Krise großen Ausmaßes kommen kann.»

Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP war die Einführung eines generellen Tempolimits am Widerstand der Freidemokraten gescheitert. Bei einem vor kurzem von den Koalitionsspitzen beschlossenen Maßnahmenpaket auch zum Energiesparen fehlte ein Tempolimit. Stattdessen ist ein günstiges Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) über drei Monate geplant, damit Autofahrer umsteigen.

Die Grünen versuchen nun, den Druck auf die FDP zu erhöhen. «Wer die Abhängigkeit vom russischen Erdöl reduzieren will, muss auch konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen», sagte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion am Donnerstag: «Selbst temporäre Geschwindigkeitsreduzierungen abzulehnen, darf sich das Verkehrsministerium nur dann erlauben, wenn andere Vorschläge vorgelegt werden.» Die fehlten bislang. Verkehrsminister ist der FDP-Politiker Volker Wissing.

Oliver Krischer (Grüne), parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, sagte dem Sender Phoenix: «Wenn wir über weitere Maßnahmen reden zur Verbrauchsreduzierung, dann steht auch immer das Tempolimit auf der Tagesordnung.» Es werde in der Regierung über alle Maßnahmen geredet. Mit Blick auf ein Tempolimit ergänzte er: «Jeder kann das auch so tun, ohne dass ein Schild am Straßenrand steht.» Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte: «Es ist höchste Zeit für spritsparendes Autofahren und für ein Tempolimit.»

Die FDP dagegen bleibt bei ihrem Nein: «Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass es kein generelles Tempolimit geben wird, dabei bleibt es», sagte der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Bernd Reuther. «Jeder kann allerdings auf freiwilliger Basis sein Tempo anpassen.» Ein Sprecher von Verkehrsminister Wissing verwies auf Aussagen vom Montag, dass sich der Koalitionsausschuss nicht auf ein Tempolimit geeinigt habe.

Die SPD äußerte sich zurückhaltend. «Jede eingesparte Kilowattstunde Energie macht uns unabhängiger von Putins Energie», sagte Dorothee Martin, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag «Zur Wahrheit gehört auch: angesichts der aktuellen Rekordpreise laufen etliche Haushalte ohnehin schon Gefahr, ihre Heizung herunter drehen oder ihr Auto stehen lassen zu müssen.» Mobilität müsse auch für geringere Einkommen bezahlbar gehalten werden. «Debatten über Verbote und Vorschriften helfen dagegen nicht.»

Umweltverbände fordern seit langem die Einführung eines generellen Tempolimits. «Um die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren, müssen sofort Erfolge beim Energiesparen realisiert werden», sagte Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Umweltverband BUND. «Im Verkehrsbereich sind dafür kurzfristig wirksame Maßnahmen, wie ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, autofreie Sonntage und ein Stopp von Kurzstreckenflügen sofort umzusetzen.»

Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup sagte: «Es kann nicht sein, dass in der fünften Kriegswoche das Gewohnheitsrecht von Autobahnrasern für die FDP noch immer wichtiger ist als der einfachste und schnellste Schritt weg von russischem Öl.» Deutschland dürfe sich nicht länger von der FDP in «fossile Geiselhaft» nehmen lassen. Ein Tempolimit sei sofort umzusetzen und schränke niemanden unverhältnismäßig ein.

Das Umweltbundesamt (UBA) hatte vor drei Wochen verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, um deutlich sparsamer mit Energie umzugehen. Private Haushalte könnten die Heizung etwas runter drehen, einen wassersparenden Duschkopf einbauen – und weniger und vor allem langsamer mit dem Auto fahren. Verringerten die Autofahrer die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf maximal 100 Kilometer pro Stunde und auf 80 km/h auf Straßen außerorts, spare das rund 2,1 Milliarden Liter fossilen Kraftstoff ein – selbst wenn man davon ausgehe, dass sich nicht alle daran halten und Einzelne schneller unterwegs sind. Das spare immerhin sofort rund 3,8 Prozent des im Verkehrssektor verbrauchten Kraftstoffs.

dpa