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Neuer Zwischenfall im Gazastreifen gefährdet fragile Waffenruhe

Israels Armee reagiert auf mutmaßlichen Angriff mit Attacken gegen die Hamas. EU plant Unterstützung für US-Friedensplan.

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Die Waffenruhe im Gazastreifen wird erneut auf die Probe gestellt. (Archivbild)
Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Kurz nach Verabschiedung der UN-Resolution zur Absicherung des Nahost-Friedensplans von US-Präsident Donald Trump wurde die fragile Waffenruhe im Gazastreifen erneut durch einen tödlichen Zwischenfall auf die Probe gestellt. Nach einem mutmaßlichen Angriff auf israelische Soldaten im Süden griff die Armee Israels eigenen Angaben zufolge die islamistische Hamas im gesamten Gazastreifen an. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden dabei mindestens 25 Menschen getötet und mehr als 70 weitere verletzt.

«Mehrere Terroristen» hätten in der Stadt Chan Junis im Süden des palästinensischen Küstengebiets das Feuer auf ein Gebiet eröffnet, in dem israelische Soldaten im Einsatz seien, erklärte die israelische Armee. Dies stelle einen Verstoß gegen das Waffenruhe-Abkommen dar. Verletzt worden sei aufseiten der Armee gleichwohl niemand. Die Hamas wies die Darstellung zurück, dass auf israelische Soldaten geschossen worden sei. «Wir betrachten dies als eine gefährliche Eskalation», mit der Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu versuche, «den Genozid an unserem Volk wieder aufzunehmen.»

Trotz der erneuten Gewalt im Gazastreifen werden die Bemühungen zur Umsetzung des Friedensplans von US-Präsident Trump fortgesetzt. Dieser beinhaltet die Bildung einer Truppe aus internationalen Soldaten sowie die Entwaffnung der Hamas. Die Europäische Union (EU) plant nicht nur, den US-Friedensplan finanziell zu unterstützen, sondern auch ihre Grenzschutz- und Polizeimission in der Region auszuweiten.

EU will Führungsrolle bei Aufbau von Polizeitruppe 

Es wird berichtet, dass bei einem Treffen der Außenminister in Brüssel heute vereinbart werden soll, den Israelis und Palästinensern ein entsprechendes EU-Engagement anzubieten und gegebenenfalls die Mandate für die Einsätze anzupassen. Die EU könnte über die Mission Eupol Copps im Westjordanland eine führende Rolle beim Aufbau einer neuen Polizeitruppe für den Gazastreifen übernehmen und mittelfristig etwa 3.000 palästinensische Sicherheitskräfte ausbilden. Langfristig ist das Ziel, alle 13.000 voraussichtlich benötigten Kräfte auszubilden.

Eupol Copps wird kurzfristig auch den Wiederaufbau von Justiz- und Sicherheitsstrukturen im Gazastreifen unterstützen und an einer Polizeiakademie in Jericho Trainingsprogramme für palästinensische Polizeiausbilder organisieren, die unter anderem von Deutschland finanziert wird. Bisher war die zivile Polizei in Gaza unter der Kontrolle der Hamas tätig. Gemäß der Gaza-Resolution des UN-Sicherheitsrates, die zu Wochenbeginn verabschiedet wurde, wird die neue Polizei eng mit der geplanten internationalen Stabilisierungstruppe zusammenarbeiten.

Israels Armee meldet Zwischenfall auch im Norden Gazas 

Kurz vor den erneuten israelischen Angriffen im Gazastreifen hatte die Armee einen Zwischenfall auch im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens gemeldet. Dabei hätten mehrere Menschen die sogenannte gelbe Linie, hinter der sich das israelische Militär im Zuge der Waffenruhe zurückgezogen hat, übertreten und sich Soldaten genähert. Sie hätten eine Bedrohung dargestellt und seien deshalb «eliminiert» worden, erklärte die Armee weiter. 

Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa wurden allein bei einem Angriff auf ein Gebäude, das von einer von der Hamas kontrollierten Behörde in der Stadt Gaza im Norden des Küstengebiets genutzt werde, zehn Menschen getötet, darunter drei Minderjährige. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht unabhängig prüfen. Dass Israels Militär auf Menschen schießt, die sich Soldaten nähern, kommt trotz der seit dem 10. Oktober geltenden Waffenruhe nahezu täglich vor. Stets ist dabei von «Terroristen» die Rede. 

Waffenruhe weiterhin fragil 

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war bereits mehrmals ins Wanken geraten. Laut Medienberichten hatte die israelische Luftwaffe im Oktober nach einem tödlichen Angriff auf Soldaten Dutzende Ziele im gesamten Gazastreifen bombardiert, was als eine der bisher schwersten Belastungsproben galt. Palästinensischen Angaben zufolge wurden dabei Dutzende Menschen getötet. Die Hamas wies auch damals die Vorwürfe zurück, israelische Soldaten angegriffen zu haben.

Hamas fordert Druck auf Israel

Nach Israels erneuten Angriffen forderte die Terrororganisation in einer Mitteilung auf Telegram die US-Regierung auf, ihre «Verpflichtungen zu erfüllen» und Israel zur Einhaltung der Waffenruhe zu zwingen, wie es hieß. Seit Beginn der Waffenruhe kamen laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde rund 280 Palästinenser ums Leben. Die Angabe, die nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheidet, lässt sich nicht unabhängig verifizieren. Auf israelischer Seite wurden seither drei Soldaten bei Angriffen getötet, für die die Hamas verantwortlich gemacht wurde. 

Die Waffenruhe ist ein Bestandteil des Friedensplans von US-Präsident Trump. Israel und die Hamas hatten sich auch auf den Austausch von Geiseln und Gefangenen geeinigt. Die Hamas hat mittlerweile alle noch lebenden Entführten freigelassen und die meisten verstorbenen Geiseln an Israel übergeben. Aktuell befinden sich noch die Leichen von drei in Israel entführten Geiseln in Gaza, darunter die eines Thailänders. Die Hamas gab an, einige Leichen unter den Trümmern nicht finden oder bergen zu können, was von Israel angezweifelt wird.

dpa