Im Streit über das iranische Atomprogramm hofften Washington und Teheran zuletzt auf eine diplomatische Lösung. Nun greift Israel an, der Iran übt Rache. Fragen & Antworten über die neue Eskalation.
Eskalation zwischen Israel und Iran: Droht ein großer Krieg?

Die Situation in der Region ist nach dem Beginn des israelischen Großangriffs auf die Atomanlagen im Iran explosiver als je zuvor. Laut israelischen Angaben reagiert die Islamische Republik bereits mit Drohnen.
Die häufigsten Fragen und Antworten zur Situation im Nahen Osten:
Wie begründet Israel den Großangriff?
Der israelische Staatspräsident Izchak Herzog hat den Großangriff im Iran mit einer existenziellen Bedrohung des jüdischen Volkes begründet. Der israelische Armeesprecher Effie Defrin sagte, Israel habe zuletzt Anzeichen identifiziert, dass der Iran «erhebliche Fortschritte in Richtung nuklearer Fähigkeiten gemacht» habe. «Das iranische Regime galoppiert in Richtung einer Atombombe», sagte er. Der Iran hatte dies stets dementiert.
Geheimdienstinformationen hätten gezeigt, dass Teheran ein geheimes Programm betreibe, sagte Defrin weiter. Im Rahmen dieses Programms hätten iranische Atomwissenschaftler Versuche ausgeführt, um es voranzutreiben. Er sprach von einem «eindeutigen Beweis dafür, dass das iranische Regime nach dem Bau einer Atombombe in nächster Zeit» strebe.
Zur Entscheidung für den Angriff – über den schon seit mehr als ein Jahrzehnt lang diskutiert wird – zu diesem Zeitpunkt trug sicherlich auch die Schwächung der iranischen «Achse des Widerstands» bei. Nach mehr als 20 Monaten Gaza-Krieg ist die islamistische Hamas deutlich dezimiert, ebenso die libanesische Hisbollah. Syrien dient seit dem Umsturz nicht mehr als Korridor für Waffenlieferungen des Irans an die Hisbollah. Nach einem israelischen Angriff im vergangenen Jahr gilt zudem die Luftabwehr des Irans als beschädigt.
Mit großer Aufmerksamkeit wurde in Israel auch die Resolution des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zur Kenntnis genommen. Diese stellte formell fest, dass der Iran seine rechtlichen Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit der IAEA nicht erfüllt. Dies wurde in Israel als «gelbe Karte» für Teheran interpretiert. Israels Militärchef sagte mit Blick auf den Großangriff im Iran, man befinde sich «an einem Punkt ohne Umkehr». Man habe nicht mehr warten können.
Was ist der aktuelle Stand des iranischen Atomprogramms?
Der Iran unterhält seit Jahren ein Atomprogramm mit zwei Anlagen zur Urananreicherung und einem Kernkraftwerk in der Hafenstadt Buschehr. Das Land betreibt auch einen Forschungsreaktor in der Nähe der Hauptstadt Teheran sowie weitere Anlagen in der Metropole Isfahan im Zentrum des Landes. Im Westen betreibt der Iran zudem einen Schwerwasserreaktor in Arak.
Der Staat wird beschuldigt, nach Atomwaffen zu streben, was von Teheran bestritten wird. Gemäß einem Bericht der IAEA besitzt Teheran bereits fast 409 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Ein Reinheitsgrad von mindestens 90 Prozent ist für Kernwaffen erforderlich. Experten haben wiederholt kritisiert, dass dies für zivile Zwecke nicht notwendig ist.
Was wird aus den Atomverhandlungen zwischen Iran und USA?
Seit ungefähr zwei Monaten wird über das iranische Atomprogramm zwischen Washington und Teheran verhandelt. Allerdings sind die Gespräche zuletzt ins Stocken geraten – Grund dafür sind erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Die USA verlangen einen vollständigen Stopp der Urananreicherung, was Teheran als rote Linie betrachtet.
Ursprünglich war für Sonntag eine sechste Gesprächsrunde unter Vermittlung des Golfstaats Oman geplant. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass ein Treffen nach der kürzlichen militärischen Eskalation äußerst unwahrscheinlich ist. Benjamin Netanjahu, der Ministerpräsident Israels, erklärte, dass er einen Deal nur akzeptieren würde, wenn er zur Zerstörung aller Atomanlagen im Iran führen würde. Donald Trump, der Präsident der USA, sprach sich gegen einen Angriff Israels im Iran aus, solange die Verhandlungen noch laufen.
Auch IAEA-Chef Rafael Grossi hatte Israel diese Woche noch vor einem Angriff auf iranische Atomanlagen gewarnt. Diese seien extrem gut geschützt und es würde eine «sehr, sehr zerstörerische Kraft erfordern, sie zu beschädigen», sagte Grossi dem israelischen Sender i24news. Er machte deutlich, dass so ein Angriff nach hinten losgehen könnte. Das sagte er auch der «Jerusalem Post»: «Ein Angriff könnte einen Amalgamierungseffekt haben, der, ich sage es ganz deutlich, die Entschlossenheit des Irans, nach einer Atomwaffe zu streben oder aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen, festigen würde.» Der oberste UN-Atomwächter fügte hinzu, er sage das, weil die Iraner ihm das so gesagt hätten.
Droht ein Flächenbrand in Nahost?
Es wird befürchtet, dass die Führung des Irans Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Stützpunkte in der Region anordnen könnte. Die USA, als wichtigster Verbündeter Israels, haben aus Sicherheitsgründen diese Woche eine Reduzierung ihres Botschaftspersonals im Irak veranlasst. US-Militärstützpunkte am Persischen Golf liegen nicht weit vom Iran entfernt.
Israels Handlungen hätten nicht ohne Koordination und Genehmigung der USA erfolgen können, erklärte das iranische Außenministerium. Daher sei auch die US-Regierung als Hauptunterstützer Israels für die Konsequenzen mitverantwortlich. US-Außenminister Marco Rubio warnte in einer Pressemitteilung an die Führung in Teheran gerichtet: «Lassen Sie mich deutlich sein: Der Iran sollte US-Einrichtungen oder US-Personal nicht angreifen.»
Im Irak übt der Iran großen Einfluss aus, auch über verbündete schiitische Milizen. Darüber hinaus verfügt die Regionalmacht über Raketen, die Israel erreichen können. Israel bereitet sich auch darauf vor, dass die Huthi-Miliz, ein Verbündeter Teherans im Jemen, ihre Angriffe auf Israel verstärken könnte. Es wird auch befürchtet, dass die libanesische Hisbollah-Miliz trotz einer seit November geltenden Waffenruhe wieder in den Konflikt eingreifen könnte.