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EU-Chefdiplomatin bringt Ukraine-Friedenstruppe ins Spiel

Während in der Ukraine ein erbitterter Krieg tobt, gibt es bereits Überlegungen für eine Nachkriegszeit. Die Frage ist, wer dann für Sicherheit sorgen könnte.

Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hält den Einsatz europäischer Friedenssoldaten in der Ukraine für möglich. (Symbolbild)
Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa

Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat den Vorschlag gemacht, einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine mit Soldaten aus Mitgliedstaaten zu sichern. Die Soldaten für eine solche Friedenstruppe könnten aus Ländern stammen, die bereits in der Vergangenheit ihre Bereitschaft zur Entsendung von Truppen gezeigt haben, wie beispielsweise Frankreich oder die baltischen Staaten, sagte die ehemalige estnische Ministerpräsidentin bei Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Ministern in Kiew.

Die Frage, wie ein möglicher Waffenstillstand in der Ukraine abgesichert werden könnte, stellt sich vor dem Hintergrund des bevorstehenden Machtwechsels in den USA. So könnte Donald Trump als Präsident versuchen, die Ukraine und Russland zu Verhandlungen zu drängen. Dafür könnte er der Ukraine androhen, im Fall einer Verweigerungshaltung die Militärhilfe einzustellen. Russlands Präsidenten Wladimir Putin könnte er hingegen an den Verhandlungstisch drängen, indem er ankündigt, die Militärhilfe für Kiew auszubauen.

Symbolischer EU-Besuch zum Amtsantritt

Kallas und die anderen neuen Spitzenvertreter der EU im Bereich Außenpolitik haben ihre Amtszeit mit einem symbolträchtigen Besuch in der Ukraine begonnen. EU-Ratspräsident António Costa und Chefdiplomatin Kallas sicherten Präsident Selenskyj und mehreren Ministern in der Hauptstadt Kiew ihre Unterstützung zu.

Costa stellte der Ukraine konkrete Fortschritte im EU-Beitrittsprozess in Aussicht. Gemeinsam werde man daran arbeiten, im ersten Halbjahr des nächsten Jahres mindestens zwei Bereiche der Beitrittsverhandlungen zu eröffnen, sagte er. Zudem sicherte Costa der Ukraine weitere EU-Finanzhilfen und entschlossene Arbeiten am 15. Paket mit Russland-Sanktionen zu. Ab dem kommenden Jahr wolle man aus Erlösen eingefrorener Vermögenswerte Russlands in der EU monatlich 1,5 Milliarden Euro an Unterstützung leisten.

Situation an der Front ist für Ukraine ernst

Der Besuch der beiden EU-Spitzenvertreter fand zu einer Zeit statt, die für die Ukraine besonders schwierig war. Die ukrainischen Truppen sind vor allem in der Ostukraine zunehmend unter Druck geraten und müssen fast täglich Positionen aufgeben. Der Hauptgrund dafür wird als der zunehmende Mangel an Soldaten auf ukrainischer Seite angesehen.

Das russische Militär hat am Abend erneut Drohnenschwärme in Richtung Ukraine gestartet. Laut Medienberichten flogen die Gruppen sogenannter Kamikaze-Drohnen aus verschiedenen Himmelsrichtungen ein. Ein klarer Kurs war nicht zu erkennen, da die Drohnen – wie auch bei früheren Angriffen – an verschiedenen Orten kreisen und dann neue Richtungen einschlagen, um die ukrainische Flugabwehr zu verwirren. An mehreren Orten nahm die Flugabwehr die Drohnen nach Medienberichten unter Beschuss.

Bericht: Fahnenflucht wird zum Problem für Kiew 

Nach einem Bericht der «Financial Times» wird Fahnenflucht zunehmend zum Problem für das ukrainische Militär. Die Staatsanwälte hätten allein in diesem Jahr bereits 60.000 Fälle neu aufgenommen. Bei einer Verurteilung drohen Deserteuren bis zu zwölf Jahre Haft. 

Junge Männer im wehrfähigen Alter haben mehrmals versucht, das Land heimlich zu verlassen. Andere haben versucht, bei der Musterung Ärzte zu bestechen, um vom Wehrdienst freigestellt zu werden. Zuletzt habe es auch direkte Fahnenflucht von der Front gegeben, wie das Wirtschaftsblatt unter Berufung auf nicht namentlich genannte ukrainische Militärs berichtet hat. Der Grund dafür sei das Fehlen von Reserven, mit denen Fronteinheiten regelmäßig zur Auffrischung und Erholung abgelöst werden könnten.

Laut der FT wurde das Desertieren von ukrainischen Soldaten, die sich in Polen zur Ausbildung aufhielten, als neuestes Phänomen der Fahnenflucht bezeichnet. Im Durchschnitt verschwanden pro Monat zwölf Soldaten aus diesen Einheiten.

Ukraine: November war verlustreichster Monat für Russland

Laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium hatten die russischen Streitkräfte im November den verlustreichsten Monat seit Kriegsbeginn vor über zweieinhalb Jahren. Es wurden insgesamt 45.720 russische Soldaten getötet oder verwundet, wobei an einem Tag sogar 2.030 Soldaten betroffen waren. Die Gesamtverluste Russlands seit Kriegsbeginn belaufen sich laut einer täglich aktualisierten Aufzählung des ukrainischen Militärs auf über 742.000 Gefallene und Verwundete. Diese Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Moskau hatte erst vor kurzem die geschätzten Verluste Kiews mit über 906.000 Toten und Verwundeten angegeben. Das russische Verteidigungsministerium behauptete, dass Kiew allein in diesem Jahr mehr Soldaten verloren habe als in den beiden ersten Kriegsjahren.

Opferzahlen in solchen Konflikten lassen sich in der Regel nicht unabhängig verifizieren. Weder Moskau noch Kiew haben bisher genaue Zahlen zu ihren jeweiligen Verlusten bekanntgegeben. Zuletzt hatte die «New York Times» unter Berufung auf Militär- und Geheimdienstquellen der USA berichtet, dass bisher bereits 57.000 ukrainische Soldaten gefallen seien. Die russischen Verluste wurden zuletzt von der Nato auf über 600.000 Tote und Verwundete beziffert.

dpa