Es ist noch einmal gut gegangen: Die EU hat die Finanzierung der Ukraine gesichert – wenn auch nicht so, wie der Kanzler es wollte. Am Tag danach feiern sich trotzdem alle als Sieger – auch Russland.
EU will Ukraine mit Kredit retten – Russland spottet

Die EU hat sich im Streit um die Ukraine-Hilfe noch einmal zusammengerauft und die Finanzierung des von Russland angegriffenen Landes für die nächsten zwei Jahre gesichert. Der Kompromiss fällt jedoch anders aus, als Bundeskanzler Friedrich Merz es sich vorgestellt hat und wird von Russland verspottet. Wer profitiert nun wirklich von dem Ergebnis der langen Verhandlungsnacht in Brüssel, die erst um 3 Uhr morgens endete?
Was das Ergebnis für die Ukraine bedeutet
Die Ukraine bekommt von der EU einen zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro, um das von Russland angegriffene Land zu unterstützen. Dadurch wird eine Staatspleite für die nächsten zwei Jahre vermieden und die Ukraine kann weiterhin mit Waffenlieferungen für den Abwehrkampf gegen Russland unterstützt werden. Sollte Russland nicht freiwillig für die Kriegsschäden aufkommen, werden in der EU eingefrorene russische Vermögenswerte zur Rückzahlung herangezogen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertete die Milliardenhilfe als «großen Sieg» für sein Land. Das sei eine positive Nachricht für die ukrainische Bevölkerung und ein Signal an Russland, dass sich eine Fortsetzung des Krieges nicht lohne, sagte Selenskyj.
Was das Ergebnis für Russland bedeutet
Es ist fraglich, ob das Kalkül von Selenskyj und der EU aufgeht, dass das Signal einer längeren Durchhaltefähigkeit der Ukraine Russland an den Verhandlungstisch bewegt. Möglicherweise werden erste Hinweise darauf bei den Gesprächen der USA und Russlands in Florida am Wochenende gegeben.
Der Kreml feierte es jedenfalls erst einmal als Erfolg, dass sich die EU nicht darauf verständigen konnte, das russische Vermögen direkt für Kredite an die Ukraine zu nutzen. Das bedeute eine Niederlage für Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, schrieb der russische Chefunterhändler Kirill Dmitrijew auf der Plattform Telegram. «Gesetz und gesunder Menschenverstand haben vorerst gesiegt.»
Russland hatte stets vor einem «Diebstahl» seines Staatsvermögens gewarnt und damit gedroht, im Gegenzug auch westliches Geld – vor allem von Privatinvestoren und Unternehmen – für seine Zwecke zu verwenden. Kremlchef Wladimir Putin sagte in Moskau, Russland werde weiter seine Interessen verteidigen und versuchen, politische unabhängige Gerichte zu finden, die der Klage auf Rückführung der in der EU eingefrorenen Staatsmilliarden stattgeben. «Was sie auch stehlen, irgendwann muss es zurückgegeben werden», sagte er.
Was das Ergebnis für die EU bedeutet
Bei dem Gipfel konnte die EU ein großes Debakel verhindern. Dennoch zeigte sich bei den Geschehnissen im Brüsseler Europa-Gebäude von Donnerstagfrüh bis Freitagmorgen, dass tiefe Gräben innerhalb der Staatengemeinschaft bestehen. Ungarn, die Slowakei und Tschechien bestanden darauf, nicht an den Kosten der Finanzierung der Ukraine beteiligt zu werden.
Gleichzeitig zeigten sich Risse zwischen den führenden EU-Ländern Deutschland, Frankreich und Italien. Paris und Rom waren schließlich nicht bereit, die erforderlichen Zugeständnisse zu machen, um den bevorzugten Plan von Merz und Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Nutzung russischer Gelder umzusetzen. Besonders relevant ist dabei, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aufgrund fehlender innerpolitischer Unterstützung und der hohen Verschuldung seines Landes in vielen Bereichen praktisch handlungsunfähig ist.
Was das Ergebnis für Merz bedeutet
Für Merz war der Gipfel die erste große Bewährungsprobe als europäische Führungsfigur. Er hatte sich bereits im September überraschend an die Spitze der Befürworter der Nutzung des russischen Vermögens gesetzt, nachdem er lange Zeit skeptisch war. Die Bewährungsprobe hat er nun nur teilweise bestanden. Die Finanzierung der Ukraine ist zwar gesichert. Seinen Plan, das russische Vermögen sofort dafür einzusetzen, setzte Merz jedoch nicht um.
Der Kanzler verbuchte den Gipfel trotzdem als «großen Erfolg». «Europa hat verstanden, was die Stunde geschlagen hat und Europa hat eine Demonstration seiner Souveränität abgeliefert», sagte er. «Wir stellen uns entschlossen der größten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas entgegen. Das ist die Aggression Russlands, die längst den Angriffskrieg gegen die Ukraine übersteigt.» Die Auszahlung des Geldes kann seinen Angaben zufolge schon im Januar beginnen.








