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Europäer bieten Schutztruppe für Ukraine an

Mit Spannung wurden die Berliner Ukraine-Verhandlungen erwartet. Was bleibt nun davon? Und wie geht es weiter?

Die Spitzenrunde kam im Berliner Kanzleramt zusammen.
Foto: Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Bundeskanzler Friedrich Merz und weitere europäische Staats- und Regierungschefs haben im Ringen um ein Ende des Ukraine-Kriegs angeboten, eine Schutztruppe zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands zusammenzustellen. In einer zum Abschluss der Ukraine-Gespräche in Berlin verabschiedeten gemeinsamen Erklärung hieß es, eine solche von Europa geführte und den USA unterstützte Truppe würde die ukrainischen Streitkräfte unterstützen und die Sicherheit des Luftraums und der Meere gewährleisten. Dies solle «auch durch Operationen innerhalb der Ukraine» geschehen, heißt es in dem Dokument. 

Die Schutztruppe ist eine von mehreren Zusagen, die die unterzeichnenden Staaten für den Fall abgeben, dass eine Vereinbarung zur Beendigung des Krieges erzielt wird. Neben Merz unterzeichneten die Erklärung auch seine Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Großbritannien, Polen, Italien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden sowie EU-Ratspräsident António Costa und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Zu der Erklärung gab es zunächst keine Stellungnahme von der US-Seite. Ein hochrangiger US-Beamter hatte zuvor erwähnt, dass in einem Sicherheitspaket auch Maßnahmen zur Überwachung und Konfliktvermeidung enthalten wären, um das Sicherheitsgefühl der ukrainischen Bevölkerung zu gewährleisten. Der Beamte betonte jedoch, dass es nicht um US-Bodentruppen in der Ukraine gehe.

Seit einiger Zeit wird über eine internationale Truppe zum Schutz der Ukraine diskutiert. Die USA hatten kürzlich ausgeschlossen, sich an einer solchen Truppe zu beteiligen. Trump hatte jedoch im Sommer erklärt, dass die Vereinigten Staaten bereit seien, die Verbündeten – etwa aus der Luft – zu unterstützen. Insbesondere Frankreich und Großbritannien drängen seit langem auf konkrete Vorbereitungen, während Deutschland eher zurückhaltend war. Russland lehnt den Einsatz von Truppen zur Überwachung eines Waffenstillstands kategorisch ab.

Ukrainische Streitkräfte mit 800.000 Soldaten

In der Erklärung der Europäer wird der Ukraine auch «anhaltende und erhebliche Unterstützung» ihrer Streitkräfte zugesichert, die in Friedenszeiten eine Stärke von 800.000 Soldaten haben sollten.

Das Dokument markiert das Ende der zweitägigen Verhandlungen in Berlin, an denen am Sonntag und Montag neben den wichtigsten europäischen Verbündeten der Ukraine und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch eine US-Delegation unter Leitung des Sondergesandten der US-Regierung, Steve Witkoff, teilnahm. Im Mittelpunkt stand die Weiterentwicklung eines von den USA vorgelegten Friedensplans – jedoch ohne russische Beteiligung. Es bleibt daher abzuwarten, wie Moskau auf die Ergebnisse der Gespräche in Berlin reagieren wird.

Was ist das wichtigste Ergebnis?

Inhaltliche Details sind nicht bekannt. Aber alle beteiligten Seiten werteten die Verhandlung öffentlich als Fortschritt. Das betrifft vor allem die Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Falle eines Waffenstillstands. «Was die USA hier in Berlin an rechtlichen und an materiellen Garantien auf den Tisch gelegt haben, ist wirklich beachtlich. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt», sagte beispielsweise Kanzler Merz. 

US-Präsident Trump sagte in Washington, man sei jetzt «näher» als bisher an einer Lösung. Er habe Gespräche mit den Europäern und Selenskyj geführt. «Es scheint gut zu laufen.» Zugleich schränkte der US-Präsident ein: «Das sagen wir schon seit langem, und es ist eine schwierige Angelegenheit.»

Selenskyj hat offenbar akzeptiert, dass ein NATO-Beitritt unrealistisch ist. Jetzt geht es darum, wie man eine Beistandsgarantie der NATO-Staaten erreichen kann, die dem Artikel 5 des NATO-Vertrags ähnelt. Ein Angriff auf einen Staat wird dann wie ein Angriff auf alle behandelt. Was dies konkret bedeuten könnte, ist jedoch noch recht unklar.

An welcher Stelle gab es keine Fortschritte?

Bei der schwierigsten Frage möglicher Gebietsabtretungen der Ukraine an den Angreifer Russland. Selenskyj sprach von weiterhin «unterschiedlichen Positionen» der Kriegsparteien und äußerte die Hoffnung, dass die USA als Vermittler einen Konsens herbeiführen könnten. Es gibt zwar Lösungsansätze, aber wirkliche Bewegung ist auch nach dem Treffen in Berlin nicht in Sicht.

Zu Russlands Kernforderungen für einen Waffenstillstand gehört, dass die Ukraine im Gebiet Donezk auch jene für die Verteidigung des Landes strategisch wichtigen Städte aufgibt, die Russland bisher nicht erobern konnte. Selenskyj lehnte solche Geschenke an den «Aggressorstaat» ab und verweist auf die Verfassung des Landes, die solche Gebietsabtretungen nicht zulässt.

Wie geht es jetzt weiter?

Die USA werden die Ergebnisse jetzt wieder mit Russland rückkoppeln, das in Berlin nicht mit am Tisch saß. Wann und wie das erfolgen wird, ist noch unklar. Der hochrangige US-Beamte erwähnte auch ein Treffen mit Arbeitsgruppen und Militärangehörigen am Wochenende «vielleicht» in Miami im US-Bundesstaat Florida – es blieb aber unklar, ob das ein rein US-interner Termin sein soll oder ob auch andere Länder daran beteiligt sein sollen.

Welche russische Reaktion ist zu erwarten?

Von offizieller Seite gab es aus Russland bis zum späten Abend keine Reaktionen auf die Erklärungen der Europäer und der Amerikaner zu den Gesprächen mit Selenskyj. Allerdings hatte der Kreml bereits vor Beginn der Verhandlungen erklärt, dass von den europäischen Verbündeten der Ukraine bei den Verhandlungen «kaum etwas Gutes» zu erwarten sei und schon bisherige Vorschläge aus der EU für Russland unannehmbar gewesen seien.

Russland hat bisher eindeutig den Einsatz von Truppen aus Nato-Staaten zur Überwachung eines Waffenstillstands abgelehnt und darauf hingewiesen, dass Truppen des Militärbündnisses als militärische Ziele betrachtet und zerstört würden. Auch ein von Selenskyj vorgeschlagenes Referendum über die von Russland geforderten Gebietsabtretungen, das von den Europäern unterstützt würde, stieß in Moskau auf Ablehnung.

Uschakow, Putins außenpolitischer Berater, beschrieb es als russisches Territorium. Obwohl Russland die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson bereits annektiert hat, kontrolliert es sie bis heute nicht vollständig, und diese Annexion wird international sowieso nicht anerkannt.

Was haben die Europäer zu regeln?

Den Europäern steht der schwierigste Teil der Woche noch bevor. Am Donnerstag soll eine Entscheidung über die Nutzung des in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögens von etwa 185 Milliarden Euro fallen. Dabei geht es um sehr viel – für die EU, die Ukraine und auch für Merz persönlich.

Der Kanzler hat sich an die Spitze der Befürworter eines solchen Schrittes gesetzt. Für ihn ist es die erste große Bewährungsprobe als Führungspersönlichkeit in Europa. Er erhöhte daher am Montag noch einmal den Druck und erklärte die Entscheidung zur «Schlüsselfrage» für die EU: Bei einem Nein sei die Handlungsfähigkeit Europas über Jahre «massiv beschädigt».

Ein „Nein“ würde für die Ukraine bedeuten, dass die Unterstützung der Verbündeten nach und nach versiegen würde. Und bei US-Präsident Trump gibt es ohnehin keinerlei Bereitschaft mehr, für den Krieg Geld auszugeben.

Putin wird die Entscheidung genau verfolgen. Der Kreml warnt vor weitreichenden Folgen eines solchen «Diebstahls» und droht mit Gegenmaßnahmen. Aus russischer Sicht dürfte das auch die Chancen für einen Waffenstillstand zerschlagen.

Ist ein Waffenstillstand vor Weihnachten möglich?

Nein, eher nicht. Allerdings hat Kanzler Merz Putin aufgefordert, die Waffen zumindest über die Feiertage ruhen zu lassen. «Vielleicht hat die russische Staatsführung einen Rest an menschlichem Anstand und lässt wenigstens die Bevölkerung über Weihnachten mit diesem Terror einmal für ein paar Tage in Ruhe.»

dpa