Europäische Staatschefs wollen gemeinsame Linie mit Trump finden, um Gebietsabtretungen der Ukraine zu verhindern.
Europäer und Selenskyj gegen Trump und Putin in Alaska
Werden die Europäer und Wolodymyr Selenskyj ausgeschlossen, wenn Donald Trump und Wladimir Putin am Freitag in Alaska über die Zukunft der Ukraine verhandeln? Um dies zu verhindern, haben europäische Staats- und Regierungschefs eine Videokonferenz initiiert, an der auch der ukrainische Präsident teilnehmen soll. Bei dem Gespräch mit dem US-Präsidenten geht es darum, eine gemeinsame Linie mit Trump für sein Treffen mit Kremlchef Putin im nördlichsten US-Bundesstaat zu finden.
Wie sieht der Fahrplan für die Videoschalten aus?
Merz wird um 14.00 Uhr enge europäische Verbündete der Ukraine im Lagezentrum des Kanzleramts zusammenbringen, um eine Vorbesprechung der Folgeberatungen mit Trump durchzuführen. An der Sitzung sollen die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Finnland, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident António Costa, Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Selenskyj teilnehmen.
Bei der für 15.00 Uhr geplanten Videoschalte mit Trump soll auch sein Vizepräsident JD Vance teilnehmen. Nach dem Treffen wird der Bundeskanzler die Ergebnisse mit Mitgliedern der sogenannten Koalition der Willigen unter der Leitung von Deutschland, Frankreich und Großbritannien besprechen. Merz beabsichtigt, nach der Videoschalte mit Trump die Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz zu informieren.
Was wollen die Europäer erreichen?
Die Europäer und Selenskyj sind besorgt, dass sich Trump und Putin in Alaska auf Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland einigen könnten, die Kiew strikt ablehnt. Sie werden wahrscheinlich von Trump verlangen, dass er verspricht, keinen Deal mit Putin zu machen, der die Ukrainer und Europäer übergangen würde. Aber wird er dem zustimmen? Und selbst wenn ja: Wird sich der US-Präsident daran halten – und wenn ja, wie lange?
Der deutsche Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte, dass es bei den Gesprächen um zusätzliche Handlungsoptionen gehen soll, um Druck auf Moskau auszuüben. Außerdem sollen Themen wie die Vorbereitung möglicher Friedensverhandlungen und Fragen zu Gebietsansprüchen und Sicherheiten diskutiert werden. Der britische Premierminister Keir Starmer forderte erneut Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Außenminister Wadephul: Gewalt darf keine Grenzen verschieben
Nach einer Schaltkonferenz mit seinen EU-Kolleginnen und -Kollegen hat der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) am Montag den deutschen Kurs für das Gespräch mit Trump festgelegt – und Spekulationen über Gebietsabtretungen der Ukraine für einen Frieden mit Russland eine Absage erteilt. «Gewalt darf keine Grenzen verschieben», schrieb er auf X. Deutschland unterstützt Trumps Ziel, den russischen Angriffskrieg zu beenden. Das Ergebnis muss ein gerechter und dauerhafter Friede sein.
Im ZDF-«heute journal» sagte Wadephul aber auch, die Ukraine wisse, dass die Verhandlungen mit Russland schwierig würden. Kiew werde «möglicherweise auch Verzichte» zu erwarten haben. «Aber das ist später zu entscheiden.» Mit Blick auf den Ukraine-Gipfel von Trump und Putin ergänzte er, es gehe um die europäische Sicherheit. «Wir werden nicht zulassen, dass über die Köpfe der Europäer hinweg hier entschieden wird.»
Welches Ziel hat Trump beim Gespräch mit Putin?
Trump stellt das am Freitag in der Stadt Anchorage geplante Treffen mit Putin als Versuch dar, einem Ende des seit rund dreieinhalb Jahre andauernden russischen Angriffskriegs näherzukommen. In diesem Zusammenhang sprach er von einem möglichen Gebietstausch zwischen der Ukraine und Russland. Am Montag versicherte Trump in Washington aber auch: «Ich werde keinen Deal machen» – dies sei nicht seine Aufgabe. Eine Waffenruhe würde er dennoch gern sehen, fügte er hinzu.
Das Weiße Haus bestätigte, dass am Freitag ein Einzelgespräch zwischen den beiden Präsidenten geplant sei. Selenskyj ist bisher nicht nach Alaska eingeladen. Trump kündigte an, er werde den ukrainischen Präsidenten und europäische Staats- und Regierungschefs direkt nach dem Gipfel über das Gespräch mit Putin zu informieren. Und Trump stellte ein Treffen von Selenskyj und Putin in Aussicht: «Das nächste Treffen wird mit Selenskyj und Putin sein, oder mit Selenskyj, Putin und mir.» Er bot an hinzuzukommen, sofern er bei einem Treffen der beiden benötigt werde.
Können die Europäer auf offene Ohren hoffen?
Trump wiederholt, dass die USA nicht länger für den ukrainischen Verteidigungskampf zahlen wollen. Auch Zusagen für Sicherheitsgarantien zugunsten der Ukraine nach einer möglichen Waffenruhe oder einem Friedensschluss will der US-Präsident bisher nicht machen. Trump dürfte also sowohl für die Finanzierung des zukünftigen Abwehrkampfes der Ukraine gegen Russland als auch für die Absicherung eines möglichen Waffenstillstands oder Friedens auf die Europäer angewiesen sein. Dies könnte dazu beitragen, dass er sich ihren Forderungen nicht vollständig verschließt.
Was Selenskyj ausschließt
Der ukrainische Präsident schloss vor den nun anstehenden Videoschalten jegliche Entscheidungen zur Ukraine beim Alaska-Gipfel von Trump und Putin erneut aus. «Zur Ukraine können sie ohne uns nichts beschließen», sagte er der Nachrichtenagentur RBK-Ukraine zufolge in der Hauptstadt Kiew. Er hoffe, dass Trump dies bewusst sei.
Selenskyj zeigte sich zugleich überzeugt, dass es zu einem Dreiertreffen zwischen Trump, Putin und ihm kommen werde, um den Krieg zu beenden. Er betonte auch, dass die Ukraine nicht auf ihre Gebiete im Osten verzichten wolle und könne. Der Donbass würde Russland zu einem späteren Zeitpunkt nur als «Sprungbrett» für einen neuen Krieg dienen, warnte Selenskyj – so wie schon die Krim als Sprungbrett für Moskaus Angriffe gegen die Südukraine gedient habe. Bei einer Aufgabe der ukrainischen Positionen im Donbass könnten Putins Truppen später in Richtung Charkiw, Saporischschja und Dnipropetrowsk vorstoßen.