Zusammenarbeit soll Produktionskapazitäten ausbauen und europäische Sicherheit stärken. Deutschland liefert erste Radhaubitze.
Europäische Partner stärken ukrainische Rüstungsindustrie gegen Russland
Deutschland und vier große europäische Partner wollen die ukrainische Rüstungsindustrie im Verteidigungskampf gegen Russland stärken. «Wenn das Geld da ist, wenn die Rüstungskapazitäten für die Produktion da sind, dann ist die Ukraine selbst am schnellsten damit, die eigenen Truppen mit Material und Waffen zu versorgen», sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zum Abschluss eines Treffens mit seinen Kollegen aus Polen, Frankreich, Großbritannien und Italien in einem Vorort der polnischen Hauptstadt Warschau.
Laut dem polnischen Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sind die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der Ukraine im Bereich der Rüstungsproduktion bisher nicht voll ausgeschöpft worden. Dies wurde auch mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow besprochen, der per Video zugeschaltet war. Es geht sowohl um Kooperationen mehrerer Partnerunternehmen zur Entwicklung von Produktionskapazitäten in europäischen Ländern als auch um gemeinsame Initiativen mit der Ukraine.
Neues Format nach Trumps Wahlsieg eingerichtet
«2025 muss das Jahr des Ausbaus der Rüstungsindustrie in Europa werden», sagte Kosiniak-Kamysz. Europa müsse Einigkeit zeigen, nicht nur beim Zitieren gemeinsamer Wertvorstellungen, sondern in der Umsetzung dieser Werte.
Das Fünfer-Format mit den Treffen der europäischen Verteidigungsminister wurde nach dem Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentenwahl im November eingerichtet. Ziel ist, die europäische Sicherheit und Verteidigungsbereitschaft zu stärken. Trump hat wiederholt Anlass für Zweifel an der Verlässlichkeit der USA unter seiner Führung im Bündnis gegeben. Unklar ist etwa, ob und wie die Vereinigten Staaten nach seiner Amtsübernahme am 20. Januar die Ukraine weiter militärisch unterstützen werden.
«Wir brauchen keine Vermittler, wir brauchen Verbündete»
Wenige Stunden vor dem Treffen in Warschau übergab Pistorius dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev die erste neue Radhaubitze vom Typ RCH 155, die in Deutschland hergestellt wurde und erstmals das Schießen aus der Fahrt ermöglichen soll.
«Die Ukraine, und das ist das Signal, kann auf uns zählen. Und Deutschland steht bereit, Verantwortung in Europa zu übernehmen», sagte Pistorius in Kassel, wo der Panzerbauer KNDS – ein Zusammenschluss der deutschen Traditionsfirma KMW und des französischen Rüstungsunternehmens Nexter – das Waffensystem produziert. Die ersten 6 der insgesamt 54 zugesagten Radhaubitzen sollen zunächst in Deutschland bleiben und zur Ausbildung ukrainischer Soldaten genutzt werden.
«Wir brauchen keine Vermittler, wir brauchen Verbündete», sagte Makeiev mit Blick auf mögliche Verhandlungen über ein Ende des Krieges. Der Frieden müsse erkämpft werden. Es sei gut, Deutschland an der Seite der Ukraine zu wissen.
Wird der zivile Flugbetrieb in Lwiw wieder aufgenommen?
Derweil gehen die Kämpfe zwischen den ukrainischen und russischen Streitkräften weiter. Am internationalen Flughafen von Lwiw im äußersten Westen der Ukraine könnte womöglich trotzdem bald der zivile Flugbetrieb wieder aufgenommen werden. «Wir prüfen die Möglichkeit, Flüge der Zivilluftfahrt während des Kriegsrechts zuzulassen, sofern alle Sicherheitsanforderungen für Flugzeuge, Passagiere und Infrastruktur erfüllt sind», teilte die Flughafenverwaltung auf Facebook mit. Dokumente für die Evakuierung von Fluggästen gebe es bereits und die zivile Infrastruktur des Flughafens seit stets in betriebsbereitem Zustand gehalten worden.
Derzeit ist der Luftraum über der Ukraine, in der Russland seit fast drei Jahren einen zerstörerischen Angriffskrieg führt, für die zivile Luftfahrt gesperrt. Alle Zivilflughäfen sind geschlossen, der gesamte Verkehr und Transport wird über Straßen und Schienen abgewickelt.
Neue Wendung im Streit zwischen Kiew und Bratislava
In der Zwischenzeit suchen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der slowakische Regierungschef Robert Fico nach Möglichkeiten, den seit Weihnachten anhaltenden Streit zwischen den beiden Nachbarländern beizulegen. Der Anlass war der von Kiew beschlossene Transitstopp für russisches Erdgas, das seit Jahresbeginn nicht mehr in Richtung Europa weitergeleitet wird. Fico reiste deshalb zu einem Überraschungsbesuch bei Kremlchef Wladimir Putin in Moskau und drohte später damit, die Stromlieferungen an die Ukraine zu stoppen.
Angesichts der daraus resultierenden gegenseitigen Vorwürfe und Drohungen, mit denen sich beide Seiten seit Wochen überziehen, lud Fico den ukrainischen Staatschef jetzt zu einer Aussprache in die Slowakei ein. In einem vom Regierungsamt in Bratislava veröffentlichten «Offenen Brief» an Selenskyj erinnerte der von Kritikern als linkspopulistischer Russlandfreund beargwöhnte Ministerpräsident daran, dass die Slowakei ihr Nachbarland stets unterstützt habe. Selenskyj möge für seinen Besuch die soeben neu eröffnete direkte Bahnverbindung aus Kiew in die Slowakei nutzen.
Der Ukrainer reagierte mit einer Gegeneinladung auf der Plattform X. «OK, komm dann am Freitag nach Kiew», lautete seine kurze, auf Englisch gefasste Reaktion auf Ficos Vorschlag.
Laut Fico schadet der ukrainische Transitstopp für russisches Gas nicht nur der Slowakei, sondern auch der EU und der Ukraine selbst. Er forderte die Ukraine auf, an Gesprächen auf EU-Ebene teilzunehmen. Die Slowakei bot zudem an, Gastgeber für ukrainisch-russische Friedensverhandlungen zu sein.
Was am Dienstag wichtig wird
Nach mehreren vermuteten Sabotageakten auf hoher See diskutierten Bundeskanzler Olaf Scholz und Staats- und Regierungschefs anderer Nato-Staaten am Dienstag über die Sicherheit im Ostsee-Raum. Bei einem Gipfel in der finnischen Hauptstadt Helsinki sollen insbesondere Lösungen gefunden werden, um die kritische Infrastruktur in der Ostsee besser zu schützen und der Bedrohung durch die sogenannte russische Schattenflotte zu begegnen. Dabei handelt es sich um Schiffe, die von Russland genutzt werden, um beispielsweise bei Öltransporten Sanktionen zu umgehen, die aufgrund des Einmarschs in die Ukraine verhängt wurden.