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Ex-Geheimdienstchef: Russische Spione «Spitze des Eisbergs»

Sie sollen Anschlagsziele ausgekundschaftet und Sabotageaktionen geplant haben: Zwei mutmaßliche russische Spione wurden in Bayern festgenommen. Das Problem hat größere Ausmaße, warnt ein Ex-BND-Chef.

Spionage und Sabotage gehörten zum Werkzeugkasten russischer Geopolitik, so Gerhard Schindler.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, befürchtet nach der Festnahme zweier mutmaßlicher russischer Spione in Bayern weitere noch unentdeckte Fälle. Die enttarnten Geheimdienstaktivitäten seien keine Überraschung, «sondern die Spitze des Eisbergs», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Spionage und Sabotage waren wichtige Instrumente der russischen Geopolitik, insbesondere in Kriegszeiten. Vor etwas mehr als zwei Jahren griff Russland das benachbarte Ukraine an, die sich auch mit Unterstützung durch das deutsche Militär verteidigte.

Die beiden verdächtigen Russlanddeutschen sollen laut Generalbundesanwalt für Moskau potenzielle Anschlagsziele ausgespäht haben; sie hatten auch Sabotageaktionen im Sinn. Ihre Wohn- und Arbeitsorte wurden von Ermittlern durchsucht. Daher wurde der russische Botschafter in Berlin auf Anweisung von Außenministerin Annalena Baerbock einbestellt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte nach dem EU-Gipfel in Brüssel, die Abwehr solcher Aktivitäten müsse hohe Priorität haben. «Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden.»

CDU-Politiker: Russische Agenten mit Touristenvisa

Johann Wadephul, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte dem RND, dass der Vorfall ein Alarmzeichen für die Sicherheitsbehörden sein sollte, insbesondere für den Militärischen Abschirmdienst. Denn Einrichtungen der Bundeswehr seien ein Hauptziel.

Der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte dem RND: «Man muss auch die Visa-Politik überprüfen. Denn viele russische Agenten sind mit Touristenvisa bei uns.» Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte dem Sender Antenne Bayern: «Wir sollten alle Naivität ablegen. (Russlands Präsident Wladimir) Putin ist bereits präsent, er versucht uns jeden Tag zu destabilisieren – auch über Fake News in den digitalen Medien.»

Einer der Männer, Dieter S., soll seit mindestens Oktober des letzten Jahres mit jemandem kommuniziert haben, der Verbindungen zu einem russischen Geheimdienst hat, um mögliche Sabotageaktionen zu besprechen. Er soll zugestimmt haben, hauptsächlich auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland Sprengstoff- und Brandanschläge zu verüben. Der zweite Verdächtige, Alexander J., soll ihm ab spätestens März geholfen haben.

Russische Botschaft weist alle Vorwürfe zurück

Der Innenpolitiker Christoph de Vries (CDU) forderte im «Handelsblatt»: «Wenn sich im Fall des Beschuldigten Dieter S. der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bestätigt, sollte dies unbedingt auch die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für diesen mutmaßlichen Terroristen zur Folge haben.» 

Die russische Botschaft in Berlin wies alle Vorwürfe zurück. «Es wurden keine Beweise vorgelegt, die von den Plänen der Festgenommenen und ihren möglichen Beziehungen zu russischen Strukturen zeugen», teilte die Botschaft mit. Die Einbestellung von Botschafter Sergej Netschajew ins Berliner Außenministerium sei eine «offene Provokation, die auf das Befeuern der ohnehin schon überbordenden Spionomanie in der BRD und das Anheizen antirussischer Stimmungen» abziele.

Festnahme in Polen – Attentat auf Selenskyj geplant?

In Polen hat ein weiterer Vorfall für Aufsehen gesorgt: Der polnische Geheimdienst hat einen Mann festgenommen, der angeblich dem russischen Militärgeheimdienst bei der Planung eines Attentats auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj helfen wollte. Der polnische Staatsbürger wurde am Mittwoch festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft in Warschau mitteilte.

Laut Berichten hat er Details über die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen Rzeszow gesammelt und an die Russen weitergeleitet. Selenskyjs Auslandsreisen führen in der Regel über diesen polnischen Flughafen, den er von Kiew aus anfliegt.

dpa