Die Kosten im Gesundheitssystem steigen von Jahr zu Jahr. Und immer im Herbst stellt sich deshalb die Frage: Wie sehr ziehen die Krankenkassenbeiträge nächstes Jahr an? Die Antwort diesmal: Deutlich.
Experten: 0,8 Prozentpunkte mehr Krankenkassenbeitrag
Im kommenden Jahr könnte die Krankenversicherung für viele gesetzlich Versicherte spürbar teurer werden. Experten des Schätzerkreises haben für das Bundestagswahljahr 2025 eine Beitragssatzerhöhung um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent vom beitragspflichtigen Einkommen berechnet, wie das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn mitteilte. «Politico» hatte zuvor berichtet. Es handelt sich jedoch lediglich um eine theoretische Größe. Letztendlich entscheidet jede Krankenkasse selbst, wie stark der Beitragssatz tatsächlich steigt.
Im Schätzerkreis sind Experten des Bundesgesundheitsministeriums, des BAS und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) vertreten.
Zusatzbeitrag aktuell zwischen 0,7 und 3,28 Prozent
Es geht konkret um die Erhöhung des sogenannten Zusatzbeitrags. Alle gesetzlich Versicherten zahlen den festen Beitragssatz von 14,6 Prozent – die Kosten werden jeweils zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Zusätzlich erheben die derzeit 95 gesetzlichen Krankenkassen einen Zusatzbeitrag zur Deckung der Kosten, der ebenfalls hälftig von beiden Seiten gezahlt wird.
Laut einer ständig aktualisierten GKV-Liste variiert der Zusatzbeitrag und liegt derzeit zwischen 0,7 und 3,28 Prozent. Es gibt eine Krankenkasse, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Im August betrug der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz, den die Krankenkassen erhoben, 1,78 Prozent, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte.
Bei 3.000 Euro brutto 12 Euro weniger netto
Die Prognose des Schätzerkreises ist laut GKV-Angaben eine theoretische Größe, die sich aus dem Verhältnis von laufenden Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen insgesamt ergibt. Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2025 werden demnach auf 341,4 Milliarden Euro geschätzt. Das Gesundheitsministerium gibt bis zum 1. November auf Basis dieser Schätzung einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag für das kommende Jahr bekannt. Die genaue Höhe wird jedoch von den Krankenkassen jeweils individuell festgelegt.
Deshalb können derzeit noch keine genauen Angaben zur tatsächlichen Höhe der Kosten für den Einzelnen gemacht werden. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.000 Euro würde eine Erhöhung um 0,8 Prozentpunkte rechnerisch bedeuten, dass 12 Euro weniger netto bleiben – die restlichen 12 Euro übernimmt der Arbeitgeber. Falls eine Krankenkasse den Zusatzbeitragssatz erhöht, haben die Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht.
Kassen warnen immer wieder vor Finanzlücke
Die Kassen hatten bereits Anfang September darauf hingewiesen, dass ihre Ausgaben im ersten Halbjahr noch stärker gestiegen waren als im ersten Quartal. Das Defizit ist auf über 2 Milliarden Euro angewachsen und wird bis zum Ende des Jahres bis zu 4,5 Milliarden Euro erreichen.
Der GKV-Spitzenverband kritisierte, dass der Zusatzbeitrag für das laufende Jahr im Herbst des letzten Jahres nicht bei geschätzten 1,7 Prozent, sondern bei 2 Prozent liegen müsste, um eine angemessene Finanzierung sicherzustellen. Zudem gab er bekannt, dass er für das Jahr 2025 von einem Zusatzbeitragssatz von mindestens 2,3 Prozent ausgeht.
Lauterbach: Deutsches Gesundheitssystem das teuerste in Europa
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilte in einer ersten Reaktion mit: «Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in Europa, weil es in vielen Bereichennicht effizient ist.»
Eine wesentliche Ursache für die steigenden Kassenbeiträge seien im Rekordtempo steigende Ausgaben für Krankenhäuser. «Deswegen brauchen wir die Krankenhausreform». Diese soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden und die Finanzierung der Kliniken im Land auf eine neue Grundlage stellen. Die Prognose des Schätzerkreises zeige die Notwendigkeit der von der Bundesregierung eingeleiteten Strukturreformen, sagte Lauterbach.
Ausgaben für Krankenhäuser und Medikamente steigen weiter
Gemäß dem Gesundheitsministerium betrugen die Ausgaben der Kassen im ersten Halbjahr 161,3 Milliarden Euro – ein Anstieg um 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Laut dem Ministerium sind die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen in den ersten sechs Monaten um 3,6 Milliarden Euro gestiegen und stellen somit einen bedeutenden Treiber für die hohe Ausgabendynamik dar. Die zunehmenden Fallzahlen und steigenden Pflegepersonalkosten werden als Gründe genannt. Des Weiteren sind die Ausgaben für Arzneimittel im ersten Halbjahr um 10 Prozent (2,5 Milliarden Euro) gestiegen.
Kassenbeiträge steigen, Steuern sinken
Es ist nicht nur damit zu rechnen, dass die Krankenkassenbeiträge steigen, sondern auch die Pflegeversicherung kämpft mit Finanzproblemen. Laut aktuellen Berichten wird in der Regierung davon ausgegangen, dass der Beitragssatz um 0,25 bis 0,3 Punkte erhöht werden muss.
Geplant sind jedoch Entlastungen bei der Einkommensteuer. Der Grundfreibetrag, also der Teil des Einkommens, der nicht besteuert wird, soll im nächsten Jahr erhöht werden. Die genaue Höhe ist in der Regierung noch umstritten.
«Bild» hatte unter Berufung auf eine Berechnung des Bundes der Steuerzahler berichtet, dass Pläne, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) dazu vorgelegt hat, für einen Single mit 3.000 Euro brutto im Monat etwa 11,40 Euro mehr netto bedeuten würden. Für eine Vier-Personen-Familie mit 6.000 Euro brutto pro Monat wären es demnach 23,50 Euro monatlich mehr.