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Minister droht mit Wochenend-Fahrverboten und fordert schnelle Reform des Klimaschutzgesetzes.

Der Verkehrsbereich hat nach Angaben des unabhängigen Expertenrats für Klimafragen auch 2023 deutlich mehr Abgase verursacht als gesetzlich erlaubt.

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Laut dem unabhängigen Expertenrat für Klimafragen hat der Verkehrsbereich auch im Jahr 2023 deutlich mehr Abgase verursacht als gesetzlich erlaubt. Anstelle der erlaubten 133 Millionen Tonnen CO2 entstanden im vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen Treibhausgase im Verkehr, wie die Fachleute in ihrem in Berlin veröffentlichten Prüfbericht zu den im März vorgestellten Daten des Umweltbundesamts (UBA) feststellen. Somit verfehlt der Verkehrssektor sein Klimaziel bereits das dritte Jahr in Folge.

Auch im Bauwesen hat das Ziel nach Berechnungen des UBA knapp verfehlt, was der Expertenrat angesichts großer Unsicherheit bei den berechneten Daten weder bestätigen noch verwerfen möchte. Dennoch muss auch hier nun das gesetzlich vorgeschriebene Sofortprogramm zum Nachsteuern präsentiert werden, so die Fachleute. Dafür haben die zuständigen Minister drei Monate Zeit.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat mit Wochenend-Fahrverboten gedroht – ohne diese sei das Verkehrsziel nicht zu erreichen. Er möchte so den Druck für eine schnelle Reform des Klimaschutzgesetzes erhöhen, die diese Verpflichtung aufheben soll. Das Bundeskabinett hat die Reform bereits verabschiedet, jedoch steht eine Einigung im Bundestag noch aus.

Rund 10 Prozent weniger Treibhausgase

Trotz Unsicherheiten bestätigt auch der Expertenrat den starken Rückgang der Emissionen im vergangenen Jahr von rund 10 Prozent gegenüber 2022. Der Ausstoß ist von 750 auf 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesunken. Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2 umgerechnet.

Dies sei der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990. Wie schon das UBA und Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) führt aber auch der Expertenrat das nicht auf wirksame Klimaschutzpolitik, sondern die schwächelnde Wirtschaft und das Wetter zurück. «Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen», sagte der Vorsitzende des Rates, Hans-Martin Henning. Unter anderen Bedingungen wäre das Jahres-Gesamtziel wohl nicht erreicht worden. Mit den steigenden Temperaturen könne es aber sein, dass auf Dauer weniger geheizt werden müsse.

Die umstrittenen Sofortprogramme

Sollten bestimmte Bereiche die Vorgaben nicht erfüllen, müssen die entsprechenden Ministerien der Bundesregierung mit Sofortmaßnahmen nachbessern. Die jährlich erlaubten Emissionsmengen für Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude sind im Klimaschutzgesetz festgelegt. Der Expertenrat betonte, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend seien.

Die FDP hat Probleme mit den spezifischen Klimazielen für verschiedene Wirtschaftsbereiche. Im Grunde hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP bereits auf eine Reform geeinigt: Es soll vor allem darauf ankommen, ob die Treibhausgas-Einsparziele insgesamt über alle Bereiche hinweg erreicht werden. Die Ampel-Fraktionen im Bundestag können sich jedoch bisher nicht auf die Einzelheiten einigen, was die Grünen besorgt eine Aufweichung.

Fehlt Geld für den Klimaschutz?

Die Experten stellen fest, dass sich die Situation seit den im letzten Sommer vorgelegten Klimaplänen weiter verschlechtert hat. Das Bundesverfassungsgericht hat im November ein Milliardenloch in die Finanzplanungen des Bundes gerissen. Die Kürzungen, die daraufhin in der Regierung vereinbart wurden, betreffen auch den Klima- und Transformationsfonds (KTF), einen wichtigen Fonds zur Förderung des klimafreundlichen Umbaus der deutschen Industrie.

«Das KTF-Urteil resultiert in Mittelkürzungen in diesem Jahr und engt den Spielraum für die folgenden Jahre ein. Da fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur sind, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt», erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf, zum erwarteten Treibhausgas-Ausstoß. Zudem werde das Klimaschutzprogramm im Gebäudesektor «weniger ambitioniert» umgesetzt, so die Fachleute. «Auch im Verkehrssektor ist bei einigen Maßnahmen eine verminderte Wirkung zu erwarten, zudem ist eine Zunahme des Pkw-Verkehrs zu beobachten.»

Der Expertenrat ist ein Gremium von Wissenschaftlern. Gemäß dem Bundesklimaschutzgesetz gehört es zu seinen Aufgaben, die vorläufigen Daten des Umweltbundesamts zum Treibhausgasausstoß des Vorjahres jährlich zu überprüfen. Die endgültigen Daten werden jedoch erst im nächsten Jahr verfügbar sein.

Deutschland plant, bis 2030 seinen Treibhausgasausstoß im Vergleich zum Jahr 1990 um 65 Prozent zu reduzieren. Bis 2045 strebt Deutschland an, klimaneutral zu sein, das heißt, nicht mehr Treibhausgase zu emittieren, als wieder absorbiert werden können.

dpa