Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Faeser in Bulgarien: Stacheldraht an der EU-Außengrenze

Es ist der erste Besuch der Bundesinnenministerin an einer Außengrenze der Europäischen Union. An diesen Grenzen sollen künftig Asylanträge geprüft werden. Dafür hat sich Faeser sehr eingesetzt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) besichtigt die «Grüne Grenze» zwischen der Türkei und Bulgarien.
Foto: Soeren Stache/dpa

Fünf Tage nach der Verabschiedung der EU-Asylreform im Europäischen Parlament reiste Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Bulgarien, um Fragen zum zukünftigen EU-Außengrenzschutz zu besprechen. In der südbulgarischen Stadt Plowdiw wurde Faeser von ihrem Amtskollegen, Innenminister Kalin Stojanow, empfangen, der sie dann zur bulgarisch-türkischen Grenze begleitete.

Der Besuch der Politiker am Grenzübergang Kapitan Andreewo ist entscheidend für die Prüfung der Funktionsfähigkeit des in Brüssel verhandelten Kompromisses. Hier soll laut Faeser ein Pilotprojekt durchgeführt werden, um die Umsetzung der neuen EU-Asylregeln zu testen.

«Verhinderte Versuche» oder illegale «Pushbacks»?

Die bulgarische EU-Außengrenze zur Türkei, die 259 Kilometer lang ist, wird seit 2017 vollständig durch einen doppelten Stacheldrahtzaun geschützt und mit Wärmebildkameras überwacht. Dennoch wird sie oft von Migranten mit Hilfe von Schleusern überquert. Die Grenzschützer, die Faeser in Bulgarien trifft, erklären, es gehe darum, Zeit zu gewinnen, um rechtzeitig vor Ort zu sein und einen irregulären Grenzübertritt zu verhindern.

Ziel ist demnach, die vielen Menschen aufzuhalten, die immer wieder zwischen Getreidefeldern und holprigen Feldwegen Leitern an den Zaun stellen und Decken über den Stacheldraht legen, um unverletzt hinüberzuklettern. Manchmal würden auch Tunnel unter dem Zaun gegraben, heißt es. Es gehe hier um «verhinderte Versuche», nicht um illegale «Pushbacks», betont der Chef der bulgarischen Grenzpolizei, Anton Zlatanow.

Faesers geplanter Besuch in Bulgarien fällt in eine Zeit, in der das Land in einer politischen Krise steckt. Bulgarien hat seit vergangenem Dienstag eine Übergangsregierung und wird am 9. Juni zum sechsten Mal binnen drei Jahren ein neues Parlament wählen.

Zahl der Asylanträge in Deutschland ging zuletzt zurück

Gemäß dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben im Jahr 2023 in Deutschland 329.120 Personen zum ersten Mal einen Asylantrag gestellt, was etwa 50 Prozent mehr sind als im Vorjahr. Die meisten von ihnen stammten aus Syrien, der Türkei und Afghanistan.

Im ersten Quartal dieses Jahres wurden 65.419 Erstanträge gestellt, was einem Rückgang von rund 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Die stationären Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz, die Faeser Mitte Oktober angeordnet hatte, dürften ein Grund für diesen Rückgang sein. Seitdem wurden durch die Grenzkontrollen mehr als 700 Schleuser festgenommen und 17.600 unerlaubte Einreisen verhindert.

Laut der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind in letzter Zeit weniger Migranten über die sogenannte Westbalkan-Route und das zentrale Mittelmeer in die Europäische Union gekommen. Allerdings ist die Anzahl der Ankünfte über die östliche und westliche Mittelmeerroute gestiegen.

Bulgarien war am 31. März dem Schengen-Raum beitreten, allerdings nur mit Grenzkontrollfreiheit für Luft- und Seegrenzen. Einen Zeitplan für die Einführung der Schengen-Regeln auch an den Landgrenzen gibt es nicht. Faeser sagt, Bulgarien habe die dafür notwendigen Kriterien erfüllt, daher wäre es «folgerichtig», die Schengen-Regeln auch vollumfänglich anzuwenden. Das kommt bei ihrem Gastgeber gut an.

Vorbereitungen für neue EU-Asylgrenzen sollen rasch getroffen werden

An den EU-Außengrenzen sollen nun Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Regeln der nach langem Streit beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in spätestens zwei Jahren wirksam werden. Die Reform beinhaltet unter anderem, dass Asylanträge von Personen aus Herkunftsstaaten mit einer EU-weiten Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent bereits in Auffanglagern an den Außengrenzen geprüft werden.

Ein solches Asylzentrum als von der EU-Kommission finanziertes Pilotprojekt in Bulgarien sei in Vorbereitung, sagt Faeser. Auf Berichte angesprochen, wonach Migranten, die von der Türkei nach Bulgarien kommen, zurückgeschickt und geschlagen werden, sagt der bulgarische Innenminister, dies seien „isolierte Einzelfälle“. Das Problem sei weitgehend gelöst. Faeser betont, für sie sei der Einsatz von Frontex wichtig. Die EU-Grenzschutzagentur sorge dafür, «dass rechtsstaatlich gehandelt wird».

Einige der beschlossenen neuen EU-Verordnungen treten direkt in Kraft. Die nationalen Gesetze in den Mitgliedstaaten müssen bald geändert werden, um die neuen EU-Asylrichtlinien umzusetzen.

dpa