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Deutschland startet erweiterte Grenzkontrollen

Bundesregierung verteidigt Maßnahme, verspricht keine langen Staus. Kritik von Juncker, Merz fordert Bilanz.

An einem Teil der deutschen Grenzen gibt es schon länger Kontrollen, nun soll an allen Landgrenzen kontrolliert werden - also etwa auch an der Grenze zu Belgien. (Archivbild)
Foto: Henning Kaiser/dpa

Vor dem Start der erweiterten Grenzkontrollen am Montag verteidigt die Bundesregierung die Maßnahme und verspricht Autofahrern, dass es nicht zu großen Staus kommen soll. Mit den Kontrollen wolle man «die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der «Bild am Sonntag».

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich kritisch zu den deutschen Plänen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) forderte zum Jahresende eine Bilanz, ob die Kontrollen tatsächlich zu einem deutlichen Rückgang illegaler Einreisen führen.

Nachdem sich etwa Polen sehr kritisch zum deutschen Vorgehen geäußert hatte, versicherte Faeser nun: «Dabei machen wir keine nationalen Alleingänge, die Europa kaputt machen, sondern handeln eng abgestimmt mit unseren Nachbarn.» Lange Warteschlangen an den Grenzen werde es durch stichprobenartige Kontrollen nicht geben. «Keine langen Staus, sondern smarte Kontrollen, so wie die aktuelle Lage es erfordert.»

Kontrollen an allen Landgrenzen

Die Ministerin hat angeordnet, dass ab Montag an allen deutschen Landgrenzen Grenzkontrollen durchgeführt werden sollen, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Diese zusätzlichen Kontrollen werden vorerst sechs Monate lang durchgeführt. Betroffen sind Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz finden bereits solche Kontrollen statt. Auch an der Grenze zu Frankreich wurde zuletzt bereits kontrolliert, was die Bundesregierung unter anderem mit den Olympischen Spielen begründete.

Solche Kontrollen sind im Schengen-Raum normalerweise nicht vorgesehen, müssen jedoch jeweils bei der EU-Kommission angemeldet werden. Die deutschen Pläne wurden von Polen und Griechenland deutlich kritisiert.

Scholz: Können uns nicht ganz auf alle Nachbarn verlassen

Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte das Vorgehen. «Irreguläre Migration ist nicht das, was wir wollen», sagte der SPD-Politiker am Samstag bei einer Fragerunde mit Bürgern im brandenburgischen Prenzlau. Wenn wie im vergangenen Jahr 300.000 Menschen nach Deutschland kämen, von denen nur ein Teil einen Schutzanspruch habe, «dann ist das nicht gut».

Deshalb müsse man genauer hinschauen, wer ein Recht zur Einreise habe. «Denn wir können uns ja leider nicht ganz darauf verlassen, dass alle unsere Nachbarn es so machen, wie sie es machen sollen.» Er betonte, dass man sich bei den Grenzkontrollen an europäisches Recht halten werde.

Merz verlangt «ehrliche Bilanz» der Grenzkontrollen

Unionsfraktionschef Merz forderte, die Wirkung der Grenzkontrollen zu überprüfen. «Ich erwarte am Jahresende von der Bundesregierung eine ehrliche Bilanz, ob die von ihr ergriffenen Maßnahmen die Zahl von irregulär einreisenden Migranten merklich reduziert», sagte er der «Bild am Sonntag». «Nur Zurückweisungen an unseren Grenzen hätten sofort einen Effekt.» 

Das Treffen zwischen Regierung, der Union als größter Oppositionskraft und Bundesländern zur Migrationspolitik ist am Dienstag gescheitert. Die Union beharrt auf umfassenden Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen – laut Bundesregierung wären diese europarechtlich nicht zulässig.

Die Ampel strebt an, das Verfahren für sogenannte Dublin-Überstellungen zu beschleunigen. Dabei handelt es sich um die Rücknahme Schutzsuchender durch jene EU-Länder, die für die Bearbeitung ihrer Asylverfahren zuständig sind – in der Regel ist das der Staat, wo jemand zuerst europäischen Boden betreten hat.

Juncker sorgt sich um «Errungenschaft der europäischen Integration»

Der ehemalige EU-Kommissionschef Juncker sagte der Deutschen Presse-Agentur in Luxemburg: «Ich bin kein Freund von Grenzkontrollen, weil sie mit massiven Unannehmlichkeiten für die Pendler verbunden sind.» Stationäre Grenzkontrollen hält er für besonders problematisch. «Wenn es Kontrollen geben muss, dann wären mobile statt stationärer Kontrollen nicht an der Grenze, sondern im Hinterland weniger schwierig für Betroffene», sagte er mit Blick auf die Grenze zu Luxemburg.

Juncker sagte, er habe Verständnis dafür, dass man während der Fußball-EM zeitweise stationäre Grenzkontrollen gemacht hatte. «Jetzt um das Thema Flüchtlinge, Zuwanderer und illegale Einwanderer herum stationäre Grenzkontrollen für einen langen Zeitraum durchzuführen, das scheint mir nicht angebracht.» Juncker war von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident.

Im Schengen-Raum haben auch andere Länder wieder zeitlich befristete Grenzkontrollen eingeführt. «Ich sehe das mit Sorge», sagte Juncker. «Dass man jetzt ohne viel Federlesen die Errungenschaft der europäischen Integration zur Disposition stellt, das macht mich schon besorgt.» Es dürfe nicht sein, «dass man wieder in den Köpfen und in den Herzen der Menschen Grenzen entstehen lässt».

dpa