Kabinett beschließt Einschränkungen beim Familiennachzug für subsidiär Geschützte und Rücknahme der beschleunigten Einbürgerung.
Schwarz-Rot verschärft Migrationspolitik
Wenige Wochen nach Beginn ihrer Amtszeit führt die frische schwarz-rote Koalition erste Verschärfungen im Bereich der Migration ein. Das Kabinett plant, an diesem Mittwoch zwei Gesetzentwürfe von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) zu verabschieden.
Bestimmte Flüchtlinge sollen konkret nicht mehr in der Lage sein, enge Angehörige nach Deutschland zu holen. Auch die beschleunigte Einbürgerung für besonders gut integrierte Einwanderer nach drei Jahren soll das Kabinett wieder zurücknehmen. Beide Vorhaben erfordern die Zustimmung des Bundestags.
Wer von den Änderungen beim Familiennachzug betroffen ist
Es handelt sich um Personen mit sogenanntem subsidiärem Schutzstatus. Das sind Geflüchtete, die hier zwar kein Asyl oder Flüchtlingsschutz erhalten, aber dennoch bleiben dürfen, da ihnen in ihren Heimatländern beispielsweise politische Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe droht. Viele Bürgerkriegsflüchtlinge gehören zu dieser Gruppe.
Gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf lebten Ende März 388.074 subsidiär Geschützte in Deutschland. Etwa drei Viertel dieser Gruppe stammen aus Syrien, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die sich noch auf den Stand zum Jahreswechsel bezog.
Die Option, Familienmitglieder nach Deutschland zu bringen, ist auf enge Verwandte beschränkt, wie Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und minderjährige Kinder.
Was sich ändern soll beim Familiennachzug
Subsidiär Geschützte sollen für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht mehr in der Lage sein, Familienangehörige nach Deutschland zu holen. Ausnahmen gelten für Härtefälle. Im Gesetzentwurf ist jedoch nicht festgelegt, wer als Härtefall gilt.
Der Familiennachzug für Flüchtlinge ohne Asylstatus wurde von März 2016 bis Juli 2018 von der damaligen schwarz-roten Koalition ausgesetzt. Dies geschah mit dem Ziel, eine Überlastung bei der Aufnahme und Integration zu vermeiden.
Um wie viele Menschen es geht
Seit August 2018 ist es erlaubt, dass monatlich 1.000 Personen als Angehörige von Personen mit diesem Schutzstatus einreisen, also insgesamt 12.000 pro Jahr. Im Vergleich dazu haben im vergangenen Jahr insgesamt 229.751 Menschen in Deutschland erstmals einen Asylantrag gestellt.
Laut dem Mediendienst Integration entfielen zwischen 2018 und 2024 etwa acht Prozent aller erteilten Visa zur Familienzusammenführung auf Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten. Neben Geflüchteten haben auch andere Einwanderer wie ausländische Fachkräfte die Möglichkeit, ihre Familie nachzuholen.
Was Dobrindt sagt
Auch der stark beschränkte Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll nun ein Ende haben. «Wir müssen die Pull-Faktoren (Sog-Faktoren) nach Deutschland deutlich reduzieren. Auch damit zeigen wir, die Migrationspolitik in Deutschland hat sich geändert», sagte Bundesinnenminister Dobrindt dazu der «Bild»-Zeitung.
Im Gesetzentwurf heißt es: «Ziel der Regelung ist es, die „Begrenzung“ als ausdrückliche Zielbestimmung wieder in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen.» Der Familiennachzug belaste die Kommunen zusätzlich, etwa beim Bemühen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Während die rechtlichen Hürden für Verschärfungen bei anderen Gruppen recht hoch seien, lasse sich der Familiennachzug hier relativ leicht aussetzen.
… und was Kritiker sagen
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl reagierte entsetzt auf die Pläne. Damit würden legale und sichere Fluchtwege geschlossen. «Es ist eine Katastrophe für die betroffenen Familien», sagte Tareq Alaows. «Die faktische Trennung ist länger als zwei Jahre, vor allem für Familien, die bereits seit Jahren auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten.»
Der Migrations- und Arbeitsmarktexperte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit äußerte sich in der «Rheinischen Post» skeptisch. «Wir sprechen hier über den Nachzug der Kernfamilie, also Kinder und Partner, in der Regel die Frauen. Wir wissen aus Studien, dass die Trennung von der eigenen Familie für Geflüchtete psychisch sehr belastend ist und damit auch deren Integration behindert.»
Was sich ändern soll bei der Einbürgerung
Darüber hinaus will die schwarz-rote Regierung auch die von der Ampel-Koalition beschlossene beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Einwanderer wieder zurücknehmen. Diese von ihr so genannten «Turbo-Einbürgerungen» waren der Union schon in der Opposition ein Dorn im Auge.
Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die von SPD, Grünen und FDP beschlossen wurde, bleibt in anderen Punkten jedoch bestehen. Gemäß dem Koalitionsvertrag wollen CDU, CSU und SPD weiterhin an der Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass festhalten.
Fachleute sehen Pro und Contra
Brücker sieht die Rücknahme der beschleunigten Einbürgerung kritisch. «Die Einbürgerung nach drei Jahren betraf vor allem Top-Migranten, hoch qualifiziert und mit hohen Einkommen. Damit trifft die Rücknahme der beschleunigten Einbürgerung gerade die Gruppe von Menschen negativ, die wir in Deutschland ja haben wollen», sagte er der «Rheinischen Post». Es senke den Anreiz für Hochqualifizierte, nach Deutschland zu kommen. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft habe generell einen positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt.
Der Schritt wurde vom Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hingegen begrüßt. Laut SVR-Vorsitzendem Winfried Kluth wird damit der Eindruck eines zu einfachen Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert.