Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

FDP will Ampel-Kurs ganz auf Wirtschaftswende trimmen

Die FDP schart sich um den Vorsitzenden Lindner. Dieser macht deutlich, er will nicht den Knall der Ampel, sondern einen knallharten Wirtschaftskurs. Kritik an SPD und Grünen kommt nur gemäßigt.

Am zweiten Tag des FDP-Parteitags sollen weitere Anträge zum politischen Kurs der Liberalen in der Ampel-Koalition entschieden werden.
Foto: Hannes P. Albert/dpa

Wachstumsförderung, Steuersenkungen und keine neuen Sozialleistungen: FDP-Chef Christian Lindner hat mit dem Ruf nach einer «Wirtschaftswende» für Deutschland die volle Unterstützung des Bundesparteitages der Liberalen bekommen. Der Bundesfinanzminister forderte SPD und Grüne auf, einen wirtschaftlichen Aufschwung zur Priorität der gemeinsamen Koalition zu machen. Lindner warnte vor einem Abstieg des Landes mit negativen Folgen für Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zu den wirtschaftspolitischen Forderungen beschlossen die mehr als 600 Delegierten am Samstag einen Leitantrag des Bundesvorstands. Das ihm zugrunde liegende Zwölf-Punkte-Papier zur Wirtschaftsbelebung durch Steuerentlastungen und Verschärfungen bei Sozialleistungen hatte vor allem bei der SPD für Verärgerung gesorgt. «Wenn ein Land in zehn Jahren von Platz 6 der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22 zurückfällt, was ist dann dringlicher als eine Wende?», sagte Lindner. «Denn in den nächsten Jahren muss unser Ehrgeiz sein, von 22 wieder in die Weltspitze zurückzukehren.» Die Delegierten feierten Lindner für seine Rede dreieinhalb Minuten lang mit Beifall.

Am Sonntag legte sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach. Er mahnte, Deutschland dürfe im Wettbewerb nicht immer weiter zurückfallen. «Die nächsten Jahre dürfen keine Jahre der Krise werden. Es müssen vielmehr einmal mehr Jahre des Aufschwunges und des Wohlstandes werden.»

Kein Bruch mit den Koalitionspartnern: Lindner schont die Ampel

Die Rede von Lindner wurde nach dem Ärger in der Koalition über das Zwölf-Punkte-Papier mit Spannung erwartet. Allerdings betonte der FDP-Chef in seiner über einstündigen Rede an mehreren Stellen, dass er den Erfolg der Ampel-Koalition will und kein vorzeitiges Ende. Er kritisierte scharf die Union. Bei der letzten Bundestagswahl hatte seine Partei 11,5 Prozent der Stimmen erhalten und liegt jetzt nur noch bei 5 Prozent in den Umfragen. Ein Wiedereinzug in den Bundestag wäre derzeit nicht einmal sicher.

FDP will Aufschwung zur zentralen Aufgabe machen

Lindner bezeichnete Deutschland als wirtschaftlichen Absteiger. Vor einigen Jahren lag die mittelfristige Wachstumsperspektive noch bei 1,5 Prozent und ist nun auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken. In den USA beträgt sie jährlich 2 Prozent. Am Rande des Parteitags gab er das Ziel aus, diesen Wert in Deutschland wieder auf 1 Prozent zu erhöhen. Der Erfolg aller drei Parteien und ihrer Vorhaben hängt von der Wirtschaft ab.

«Wir haben tatsächlich die Köpfe. Wir haben das Know-how. Wir haben das Kapital. Aber unser Land steht sich zu oft selbst im Weg», kritisierte Lindner in der Parteitagsrede. «Wir müssen uns selbst den Weg freigeben, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.»

Wirtschaftlicher Niedergang ist aus Lindners Sicht auch ein Risiko für die Demokratie. Menschen mit dem Gefühl, sie seien von Abstieg bedroht oder andere kämen leichter voran als sie selbst, würden kritisch die demokratischen Rahmenbedingungen hinterfragen. «Die Wirtschaftswende ist das beste Demokratiefördergesetz, das man haben kann.»

Kritik an den Ampel-Partnern bleibt insgesamt verhalten

FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte die Partner SPD und Grüne auf, Gespräche über das FDP-Konzept zu führen. «Ich kann nur dringend von hier aus appellieren: Nehmen Sie die Gespräche mit uns auf. Denn wenn nicht gesprochen wird, wird es auch keine Zukunft dieser Koalition geben.» Ein Aufkündigen der bei vielen an der FDP-Basis unbeliebten Koalition war beim Parteitag aber kein Thema. «Raus aus der Ampel» war nur von einem Delegierten zu hören – Beifall erhielt er dafür nicht. Die FDP-Kritik an einzelnen Projekten der Ampel wie am Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ging nicht über das übliche Maß hinaus.

Strack-Zimmermann knöpft sich von der Leyen vor

Die FDP vermied es deutlich, das Koalitionsklima weiter zu belasten, griff jedoch umso auffälliger die Union an. Ein Grund dafür ist sicherlich der laufende Europawahlkampf, ein anderer ist die Annahme der FDP-Spitze, dass sie vor allem Wählerpotenzial an CDU/CSU verloren hat, das es zurückzugewinnen gilt.

Der FDP-Vorsitzende machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) für den überbordenden Verwaltungsaufwand in Unternehmen verantwortlich. «Bürokratiestress in unserem Land hat einen Vornamen: Und der ist Ursula.» Bundesjustizminister Marco Buschmann ergänzte: «Ich kann gar nicht so schnell im Bundesrecht Bürokratie abbauen, wie sie Ursula von der Leyen hinterher produziert.»

Auch Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nahm sich von der Leyen vor. «Im IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl haben nur fünf Prozent der deutschen Industrieunternehmen gesagt, die EU sei in den vergangenen fünf Jahren als Standort attraktiver geworden», sagte sie. «Wie kann man sich nach einem solchen Misstrauensvotum unserer Wirtschaft einfach zur Wiederwahl als Kommissionspräsidentin stellen wollen?»

dpa