Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Feilschen um Verhandlungen im Ukraine-Krieg

Kiew bringt mehrere Verhandlungsorte für Gespräche mit Moskau ins Spiel. Doch noch gibt es keine echte Bewegung hin zu einem Gipfel. Stattdessen muss die Ukraine immer mehr Krisen an der Front lösen.

Die Kämpfe im Osten der Ukraine werden mit unverminderter Härte weitergeführt. (Archivbild)
Foto: ---/Ukrinform/dpa

Die Ukraine hält sich für mögliche Verhandlungen mit Russland über ein Ende der Kampfhandlungen bereit. Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj sollen in dieser Woche Gespräche mit der Türkei, den Golfstaaten und einigen europäischen Ländern über so ein Treffen geführt werden. Diese Länder könnten einen solchen Gipfel bei sich organisieren, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. «Von unserer Seite wird alles maximal bereit sein, um diesen Krieg zu beenden.» Es sei aber wichtig, weiterhin Druck auf Moskau auszuüben, um dem Kreml die Verzögerungstaktik auszutreiben. Speziell auf die USA komme es dabei an.

Es gab bereits Gespräche in Istanbul

Russland und die Ukraine haben erstmals seit 2022 direkte Verhandlungen geführt. In Istanbul wurden einige humanitäre Fragen, wie der Austausch von Gefangenen und Gefallenen, geklärt. Eine Friedenslösung ist jedoch noch weit entfernt.

Der Doppelgipfel, den US-Präsident Donald Trump kürzlich abgehalten hat – zuerst mit Kremlchef Wladimir Putin in Alaska und dann mit Selenskyj und den europäischen Verbündeten in Washington – brachte ebenfalls keinen Durchbruch. Moskau verlangt von Kiew, weiterhin auf das Ziel einer Nato-Mitgliedschaft zu verzichten und größere Gebiete für einen Frieden abzutreten. Die Ukraine lehnt dies unter Verweis auf die eigene Verfassung ab.

Keine echten Fortschritte

Beide Seiten demonstrieren Dialogbereitschaft vor allem nach außen – um Trump auf ihre Seite zu ziehen. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff sagte dem Sender Fox News, er werde sich in dieser Woche in New York mit der ukrainischen Seite treffen. Mit der russischen Seite gebe es zudem «jeden Tag» Gespräche. Trump sei sowohl von Russland als auch von der Ukraine in mancher Hinsicht «enttäuscht», sagte Witkoff außerdem.

Wiktoff erklärte auf die Frage, ob Putin die Amerikaner möglicherweise nur für seine Zwecke einspanne, dass er glaube, der Kremlchef habe sich redlich um Gespräche bemüht – und in Alaska seine Bereitschaft signalisiert, den Krieg beenden zu wollen.

Trump warnt vor «Wirtschaftskrieg»

Trump warnte indes vor einem «Wirtschaftskrieg». Er wolle das nicht, sagte er. Es würde schlimm für Russland werden. Die USA verhängten zuletzt Sanktionen gegen Indien wegen Ölgeschäften mit Russland. Zugleich warf Trump Selenskyj vor, auch nicht gerade «unschuldig» zu sein. «Man muss sie zusammenbringen», sagte der Republikaner über beide Seiten. Über den Krieg sagte er: «Ich möchte, dass es aufhört.»

Kreml bremst aus

Der Kreml bremst direkte Verhandlungen zwischen Putin und Selenskyj mit der Begründung aus, dass diese Gespräche zuvor auf niedrigerer Ebene mit konkreten Vereinbarungen vorbereitet werden müssten. Auch bei den nun von Selenskyj vorgeschlagenen Verhandlungsorten gibt es Meinungsverschiedenheiten. Die russische Führung hat bereits deutlich gemacht, dass sie keine Gespräche in Europa akzeptiert, da diese Staaten in dem Konflikt nicht neutral seien.

EU-Außenbeauftragte Kallas für neue Sanktionen gegen Russland

Die neuesten Äußerungen der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas dürften die russischen Vorbehalte nicht entschärfen. Die EU-Chefdiplomatin forderte neue Sanktionen gegen Russland und auch deren Handelspartner, um Moskau an den Verhandlungstisch zu zwingen. «Ich würde es jedenfalls sehr begrüßen, wenn die US-Administration schnellstmöglich weitere harte Sanktionen gegen Moskau verhängte, auch solche, die die Unterstützer Russlands treffen würden», sagte sie in einem Interview mit der «Welt». 

Bei einem Frieden müsse die Ukraine «glaubwürdige und robuste» Sicherheitsgarantien bekommen, sagte die Politikerin aus Estland. Sie befürwortete gut ausgerüstete westliche Friedenstruppen in der Ukraine, jedoch nicht direkt an der Front. Moskau betont immer wieder, dass es bei einer Friedenslösung keine westlichen Truppen in der Ukraine akzeptieren werde.

Ukraine muss lokale Krisen an der Front lösen

Russland bleibt an der Front weiterhin in der Führung. Ukrainische Militäranalysten haben erstmals bestätigt, dass russische Truppen in die Industrieregion Dnipropetrowsk eingedrungen sind, die westlich der umkämpften Region Donezk liegt. Die Experten des Lagekartendienstes Deepstate haben die Ortschaften Saporiske und Nowoheorhijiwka in der Region als von Russland besetzt gekennzeichnet.

«Die Streitkräfte der Ukraine haben das Vordringen der russischen Eroberer gestoppt und kontrollieren das Dorf Saporiske weiter», teilte die für den Frontabschnitt zuständige Armeegruppierung «Dnipro» auf Telegram mit. Die Kämpfe um den benachbarten Weiler Nowoheorhijiwka würden andauern. Berichte über eine Besetzung seien aber falsch, heißt es.

Kriegsveteranen und auch aktive Soldaten bemängeln jedoch zunehmend, dass Kommandeure geschönte Lageberichte verfassen und die Armeeführung dadurch nicht immer die tatsächliche Lage kennt.

Probleme in Kupjansk, Gegenangriffe bei Pokrowsk

Laut unabhängigen Militärbeobachtern sind russische Truppen im nordostukrainischen Gebiet Charkiw auf der Westseite des Flusses Oskil weiter vorgerückt und nähern sich dem strategisch wichtigen Knotenpunkt Kupjansk. Trotzdem ist die Geschwindigkeit der russischen Truppen langsam.

Es gibt also keinen schnellen Frontdurchbruch in Sicht, auf den die Kremlführung möglicherweise setzt. Das ukrainische Militär hat anscheinend einen russischen Vorstoß bei Pokrowsk gestoppt und ist zu Gegenangriffen übergegangen.

Attacken auf die Treibstoffversorgung

Die anhaltenden Drohnenangriffe auf russisches Gebiet bereiten Russland ebenfalls Probleme. In der Nacht mussten in der Millionenstadt Rostow am Don 15 Bewohner eines Mehrfamilienhauses evakuiert werden, nachdem Drohnentrümmer das Dach durchschlagen und einen Brand ausgelöst haben.

Die systematischen Angriffe gegen die Ölindustrie sind jedoch problematisch. Innerhalb weniger Tage haben ukrainische Drohnen nicht zehn Raffinerien in Russland getroffen. Laut Medienberichten sind dadurch mittlerweile etwa 17 Prozent der Ölverarbeitungskapazitäten außer Betrieb. Dies führt zu Problemen bei der Treibstoffversorgung.

dpa