Der Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 spiegelt sich in den Statistiken wider. Die Dunkelziffer bleibt hoch, die Lage für Juden verschärft sich.
Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland: Besorgniserregende Zahlen

Angriffe, Anfeindungen, Ausgrenzung gegen Juden in Deutschland: 2024 hat der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Rias fast 77 Prozent mehr antisemitische Vorfälle dokumentiert als im Jahr davor. Dazu zählen acht Fälle extremer Gewalt, 186 Angriffe, 443 gezielte Sachbeschädigungen und 300 Fälle von Bedrohung. Am häufigsten wurde «verletzendes Verhalten» gemeldet: 7.514 von insgesamt 8.627 Vorfällen fielen laut Rias diese Kategorie, darunter 1.802 Versammlungen.
«Judenhass in Deutschland weit verbreitet»
Der Anstieg zeigt sich seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 in allen verfügbaren Statistiken. Das Besondere an den Rias-Zahlen: Sie erfassen Vorfälle, die Betroffene oder Zeugen selbst bei den Meldestellen des Verbands vorbringen. Einfluss auf die Daten hat also, wie viele Menschen aktiv werden. Dabei bleibe eine große Dunkelziffer, betont Rias. Klar ist für den Verband: «Die Lage für Jüdinnen (und) Juden in Deutschland hat sich weiter verschärft.»
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach von schockierenden Zahlen und schloss daraus: «Judenhass ist in Deutschland mittlerweile so stark verbreitet, wie wir es uns noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen wollten.» Bundesbildungsministerin Karin Prien sagte dem «Tagesspiegel» zu den Zahlen: «Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern eine reale Bedrohung für das jüdische Leben in Deutschland.»
Auch Terrorakte erfasst
Rias erfasste als Beispiele extremer Gewalt nicht nur den Angriff eines Berliner Studenten auf einen jüdischen Kommilitonen vor einer Bar Anfang 2024. Das Netzwerk zählte auch den tödlichen Angriff eines IS-Anhängers auf dem Stadtfest in Solingen dazu, im Bekennervideo wurde Bezug auf den Gazakrieg und die angebliche Unterstützung durch Zionisten genommen. Ebenfalls erwähnt wurde der Angriff eines mutmaßlichen Islamisten auf das israelische Generalkonsulat und ein NS-Dokumentationszentrum in München.
Beschimpfung auf dem Schulweg
Unter den 186 registrierten Angriffen war zum Beispiel einer in Oldenburg: Zwei Männer hielten dem Rias-Bericht zufolge eine jüdische Schülerin auf dem Schulweg fest und beschimpften sie als «dreckiger Jude». In einem Leipziger Park griffen 10 bis 15 Rechtsextremisten drei Männer an, die sich über Antisemitismus unterhalten hatten. Einer der Täter habe «Scheiß Jude» gerufen, schreibt Rias. In der Sächsischen Schweiz habe ein Mann eine Frau als «Nazi» beschimpft und geschubst, die einen Beutel mit der Aufschrift «Feminist Zionist» dabeihatte.
Hakenkreuze neben der Haustür
Laut Rias gab es unter den 443 Sachbeschädigungen 50 Fälle im Wohnumfeld: Im März haben Unbekannte in Hamburg zwei Hakenkreuze neben die Haustür eines jüdischen Ehepaars geschmiert, im April wurde in Leipzig das Haus einer jüdischen Person mit einem Davidstern markiert. Dies bedeutet für die Betroffenen die bedrohliche Botschaft: Man weiß, wo sie wohnen.
Die allermeisten Fälle – insgesamt 5.857 – wurden als «israelbezogener Antisemitismus» eingestuft. Das waren mehr als doppelt so viele Fälle wie 2023. An Hochschulen registrierte Rias im vergangenen Jahr 450 antisemitische Vorfälle. An Schulen waren es 284, darunter 19 Angriffe.