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Festnahmen bei Gaza-Demos an Unis in USA

Bei propalästinensischen Protesten an Dutzenden Hochschulen in den USA hat es inzwischen Hunderte Festnahmen gegeben – und Kritik am Vorgehen der Polizei. Die Regierung versucht zu beschwichtigen.

Mittlerweile protestieren Studierende und Hochschulpersonal an Universitäten in mehr als zwei Dutzend US-Bundesstaaten gegen den Gaza-Krieg.
Foto: Andres Kudacki/AP/dpa

Angesichts der aufgeheizten Stimmung bei propalästinensischen Demonstrationen an etlichen amerikanischen Universitäten hat die US-Regierung zu einem Gewaltverzicht aufgerufen. «Wir verstehen, dass diese Proteste wichtig sind», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, dem US-Sender ABC News. «Aber sie müssen friedlich sein.»

Das Weiße Haus überlasse lokalen Behörden die Entscheidung, wie mit den jeweiligen Protesten umzugehen sei. Friedliche Demonstrierende dürften jedoch nicht verletzt werden. Gleichzeitig betonte Kirby: «Wir verurteilen aufs Schärfste die antisemitische Sprache, die wir in letzter Zeit gehört haben. Wir verurteilen jegliche Hassrede und Androhungen von Gewalt.»

Inzwischen protestieren Studierende und Hochschulpersonal an Universitäten in mehr als zwei Dutzend US-Bundesstaaten gegen den Gaza-Krieg. Sie werfen der US-Regierung wegen der Militärhilfe für den Verbündeten Israel die Beteiligung an einem Völkermord vor, fordern Solidarität mit den Palästinensern und verlangen von den Hochschulen, wirtschaftliche sowie akademische Bindungen zu Israel zu kappen.

Bei den Protesten gab es am Wochenende wieder viele Festnahmen. Seit dem 18. April wurden laut «New York Times» landesweit mehr als 800 Menschen festgenommen. In vielen Fällen kamen sie den Berichten zufolge schnell wieder frei. Etliche Demonstrierende wurden allerdings von Lehrveranstaltungen ausgeschlossen oder dürfen nun nicht einmal mehr das Campusgelände betreten. Teils gibt es auch Berichte über Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden aus gegnerischen Lagern, wie an der University of California.

Diskurs mit Nuancen

Einigen der Demonstranten wird vorgeworfen, antisemitisch zu sein und die islamistische Hamas zu verharmlosen, die das Existenzrecht des Staates Israel bestreitet. Jüdische Studenten sind besorgt um ihre Sicherheit und möchten beispielsweise keinen Davidstern mehr auf dem Campus tragen oder Hebräisch sprechen. Der Diskurs in einem Land mit einer jüdischen Bevölkerung von geschätzten rund 7,5 Millionen Menschen hat jedoch Nuancen: Unter den Demonstranten befinden sich auch jüdische Studenten und Dozenten, die eine kritische Haltung gegenüber der israelischen Regierung haben.

Die Universitäten stehen vor einem Balanceakt: Sie müssen sowohl die Sicherheit auf dem Campus als auch das Recht auf Meinungsfreiheit gewährleisten. Die Entscheidung der Präsidentin der Elite-Universität Columbia, ein Protest-Zeltlager von der New Yorker Polizei räumen zu lassen, erwies sich als kontraproduktiv: Der Großeinsatz am 18. April führte nicht nur zu Empörung und verstärkten Protesten vor Ort, sondern diente letztendlich als Auslöser für Demonstrationen und die Errichtung weiterer Zeltlager an Hochschulen im gesamten Land.

Kritik an der Polizei

Andere Universitätsleitungen haben seitdem ebenfalls um Unterstützung der Polizei gebeten. Das enorme Polizeiaufgebot an vielen Hochschulen wird von Kritikern als übertrieben angesehen. Es gab auch Festnahmen von Personen, die zuvor friedlich demonstriert hatten. Einige Betroffene beklagten zudem das brutale Vorgehen der Beamten.

Weitreichende Berichte über Verletzungen gab es bislang zwar nicht. Die Sorge vor – mitunter tödlicher – Polizeigewalt ist in den USA aber nicht ganz unbegründet, auch bei Protesten und vor allem beim Vorgehen gegen Minderheiten. Nicht nur bei den «Black Lives Matter»-Protesten im Jahr 2020 wurden Schlagstöcke und Pfefferspray exzessiv eingesetzt.

Politische Stimmung aufgeheizt

Von außen angeheizt wird die Situation jetzt von radikaleren Stimmen, die im US-Wahlkampf eine Chance wittern, politisch Kapital daraus zu schlagen. Den Vorschlag einiger stramm rechter Republikaner, die Nationalgarde an die betroffenen Universitäten zu schicken, wies der demokratische Senator Tim Kaine zurück – solche Maßnahmen könnten ein schlimmes Ende nehmen, warnte er. Der republikanische Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, warf die Frage auf, warum sich nicht alle für eine gesittete Diskussion an einen Tisch setzen, «anstatt zu versuchen, das Gespräch zu dominieren».

Auch Bernie Sanders, ein unabhängiger Senator und entschiedener Gegner von US-Militärhilfen für Israel, äußerte sich. Er selbst sei Jude und betonte, dass Antisemitismus genauso verurteilt werden müsse wie Islamophobie und alle anderen Formen des Hasses. Allerdings sei das Vorgehen der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angesichts der verheerenden Auswirkungen auf die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen inakzeptabel. Ob es sich um Völkermord handele, was viele Demonstranten bereits als bewiesen betrachten, müsse der Internationale Strafgerichtshof klären.

dpa