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Finanzloch in der Pflege – Beiträge könnten stärker steigen

Ein Bericht über eine drohende Pleite der Pflegeversicherung sorgt für Wirbel. In den Fokus rücken dabei die Beiträge. Es dürfte für die Versicherten im nächsten Jahr teurer werden.

Die Pflegeversicherung ist in Finanznöten. Es fehlen laut Prognose mehr 1,4 in diesem und 3,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr. (Archivbild)
Foto: Oliver Berg/dpa

Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung könnten im kommenden Jahr stärker steigen als bisher befürchtet. Grund ist unter anderem die schlechte Finanzsituation der Pflegeversicherung. Zwar ist noch nichts entschieden. Gesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte am Montag in Berlin aber eine «große Reform» an, die in wenigen Wochen vorgestellt werden solle. Es gehe dabei um die Finanzierung, etwa um die Beiträge und die Eigenbeteiligung in der stationären Pflege. 

Details zu möglichen Beitragssatzsteigerungen nannte er vor Journalisten auf wiederholte Nachfragen nicht. Nicht zu bestreiten sei, dass die Pflegeversicherung derzeit im «Beitragssatzdruck» sei, sagte der SPD-Politiker lediglich. Lauterbach hatte schon Ende August höhere Beitragssätze in der Kranken- und Pflegeversicherung für das kommende Jahr angedeutet.

«Notoperation» an der Pflegeversicherung

Ein Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) sorgte zuvor in Berlin für Wirbel. Demzufolge wird in der Ampel-Koalition wegen der Finanzlage der Pflegeversicherung fieberhaft an einer Notoperation gearbeitet. Das RND schrieb unter Berufung auf Koalitionskreise weiter, es drohe eine Zahlungsunfähigkeit. Lauterbach sagte dazu: «Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz.» 

Die Bundesregierung sichert zu, dass Pflegebedürftige und Angehörige weiterhin darauf vertrauen können, dass die Pflegeversicherung die Versorgung bezahlt und für die Leistungen aufkommt. Es muss jedoch noch geklärt werden, woher die Mittel dafür kommen sollen und in welchem Maße die Beitragszahler zur Kasse gebeten werden.

Die Koalition hatte bereits eine erste Pflegereform umgesetzt. Diese führte zu Entlastungen für Pflegebedürftige bei den Eigenanteilen im Heim, brachte aber auch eine Erhöhung des Beitrags mit sich: Ab Mitte 2023 stieg er für Menschen ohne Kinder auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Familien mit mindestens zwei Kindern zahlen nun – bezogen auf den Arbeitnehmeranteil – weniger als zuvor.

Milliarden fehlen

Die finanziellen Probleme der Pflegeversicherung blieben bestehen. Das Gesundheitsministerium begründet dies unter anderem mit der vorangegangenen Reform, die Pflegebedürftige in Heimen erheblich entlastet hat, und auch damit, dass es mehr Pflegebedürftige als angenommen gibt. 360.000 Menschen sind laut Lauterbach im vergangenen Jahr dazugekommen, und in diesem Jahr rechnet man mit zusätzlichen Pflegebedürftigen. Außerdem sind die Löhne in der Pflege gestiegen.

Der GKV, der die Pflegekassen vertritt, prognostizierte im Juni ein Minus von 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr und 3,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Dies würde einer Beitragsanhebung von 0,2 Punkten im nächsten Jahr entsprechen. Die Regierung geht nun laut RND von einem Erhöhungsbedarf von 0,25 bis 0,3 Punkten aus. Auch der GKV korrigierte am Montag auf 0,25 Prozentpunkte nach oben. Falls andere Reformen ausbleiben, ist mindestens eine solche Erhöhung notwendig, um die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung zu sichern.

Anstieg auch bei Krankenkassenbeiträgen erwartet 

Auch bei den Krankenkassenbeiträgen wird – wie bereits bekannt – im nächsten Jahr mit einem Anstieg gerechnet. Beim Kassen-Spitzenverband ist von mindestens 0,6 Prozentpunkten die Rede, laut RND könnten es auch 0,7 werden. Zusammen mit dem Pflegeversicherungsplus also bis zu 1 Prozent Abzüge mehr? Das wären bei einem Brutto von 3.000 Euro grob gerechnet 15 Euro weniger netto im Monat (die anderen 15 Euro zahlt der Arbeitgeber) – aufs Jahr gerechnet also 180 Euro weniger.

Es wird erst in den nächsten Wochen genaueres bekannt. Der Schätzerkreis, ein Expertengremium, gibt jedes Jahr im Herbst eine Prognose zur Finanzentwicklung der Krankenkassen ab und daraus resultierend eine mögliche durchschnittliche Beitragserhöhung.

Steuergeld statt höhere Beiträge?

Der GKV-Spitzenverband hat Sofortmaßnahmen gefordert, um eine Beitragssatzerhöhung in der Pflegeversicherung zu verhindern. Während der Corona-Pandemie musste die Versicherung zusätzliche 5,3 Milliarden Euro ausgeben, beispielsweise für Tests oder Boni für das Personal. Der Staat hat sie dabei im Stich gelassen und sollte dies nun ausgleichen. Zudem sollte die Pflegekasse keine Rentenbeiträge für pflegende Angehörige zahlen müssen, dies sollte ebenfalls aus Bundesmitteln finanziert werden.

Mit beiden Schritten könnten nach Rechnung des Verbands rund neun Milliarden Euro zusammenkommen. Doch auch die lassen sich nicht einfach aus dem Hut zaubern. Die Ampel müsste politisch entscheiden, solche Summen anderswo zu mobilisieren – und das bei einem Haushalt, in dem es sowieso schon an allen Ecken und Enden knirscht. «Jetzt ist keine Zeit zu verlieren. Die Ampel-Koalition muss unverzüglich erklären, woher das Geld kommen soll», sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

dpa