Nach einer schwierigen Sondierung steht die neue Regierung in Frankreich. Heute wird mit der Vorstellung gerechnet. Aber ist damit die monatelange Pariser Politikkrise zu Ende?
Frankreich erwartet neue Regierung
In Frankreich wird heute erwartet, dass die Regierung des neuen Premierministers Michel Barnier vorgestellt wird. Zwei Wochen nach seiner Ernennung legte der konservative ehemalige EU-Kommissar am Donnerstagabend nach schwierigen Beratungen die Zusammensetzung seines zukünftigen Kabinetts Präsident Emmanuel Macron vor, wie die Regierung bekannt gab. Ob damit die politische Krise, die Frankreich seit dem Frühsommer in Atem hält, beendet ist, und wie lange die neue Regierung hält, ist jedoch unsicher.
Die politische Situation in Frankreich bleibt paradox. Obwohl das Linksbündnis die vorgezogene Parlamentswahl vor gut zwei Monaten überraschend gewonnen hat, wird das Land voraussichtlich eine Mitte-Rechts-Regierung erhalten, in der die Linke keine dominierende Rolle spielt. Sowohl von links als auch von extrem rechts könnte bald ein Misstrauensvotum drohen. Laut Medienberichten ist eine Regierungserklärung von Barnier für den 1. Oktober geplant.
Barnier will Lebensstandard der Franzosen verbessern
Barnier skizzierte bereits am Donnerstagabend die Grundzüge seiner zukünftigen Politik. Es sei wichtig, den Lebensstandard der Franzosen zu verbessern und die öffentlichen Dienste, insbesondere Schulen und das Gesundheitswesen, funktionstüchtig zu halten. Ein weiterer Schwerpunkt liege auf der inneren Sicherheit, der Kontrolle der Einwanderung und der Förderung der Integration. Zudem solle die Wirtschaft Frankreichs durch Unterstützung von Unternehmen und Landwirten sowie durch Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität gestärkt werden. Darüber hinaus müsse eine Sanierung der öffentlichen Finanzen und eine Stärkung der Umweltpolitik erfolgen.
Es ist unklar, ob und wie viele Minister- und Staatssekretärsposten Barnier auch mit Politikern aus dem linken Lager besetzen wird, wie aus Medienberichten hervorgeht. Insgesamt geht es um 38 Positionen. Die linken Parteien hatten zunächst nicht zugestimmt, an einer Regierung teilzunehmen.
Wer wird was? Medien berichten bereits erste Namen
Wie unter anderem die Zeitung «Libération» und der Sender BFMTV berichteten, sollen von den 16 übergeordneten Ministerinnen und Ministern der künftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen vier von Parteien der Mitte.
Gemäß Medienberichten sollen alle Schlüsselpositionen neu besetzt werden, außer im Verteidigungsministerium, wo Sébastien Lecornu an seinem Posten bleiben wird. Ebenfalls im Amt bleibt Rachida Dati, die erst im Januar das Kulturministerium übernommen hatte. Als möglicher neuer Innenminister wurde der Fraktionschef der konservativen Républicains im Senat, Bruno Retailleau, genannt, während der aus Macrons Mitte-Lager stammende Abgeordnete Antoine Armand als Wirtschaftsminister und der Mitte-Abgeordnete Jean-Noël Barrot als Außenminister vorgeschlagen wurden.
Absolute Mehrheit fehlt weiterhin
Eventuell wird Barnier abhängig von den Regierungsplänen auf die Unterstützung verschiedener Partner angewiesen sein und auch auf die Duldung durch das rechtsnationale Rassemblement National von Marine le Pen setzen müssen. Denn die zukünftige Regierung wird höchstwahrscheinlich nicht auf eine absolute Mehrheit zählen können.
Die politische Situation in Frankreich war angespannt, seit bei der vorgezogenen Parlamentswahl vor gut zwei Monaten keines der politischen Lager eine absolute Mehrheit erhielt. Weder dem siegreichen Linksbündnis noch den anderen Parteien gelang es, eine regierungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen.
Seit Sommer 2022 hatte Macrons Mitte-Lager bereits keine absolute Mehrheit mehr im Parlament, und der Präsident war auf Unterstützung aus anderen Lagern angewiesen, was sich als mühsam erwies. Feste Koalitionen sind in Frankreich unüblich und Macrons Strategie, seine Machtbasis mit der vorgezogenen Parlamentswahl zu stärken, war nicht erfolgreich. Sein Lager ist im Parlament deutlich geschwächt.