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Frankreich sucht nach Regierungssturz neuen Premier

Erneut ist eine französische Regierung gescheitert. Das schuldengeplagte Land braucht nun rasch einen neuen Premier. Und Präsident Macron muss schauen, dass er aus der Schusslinie kommt.

Premier Bayrou wollte sich mit der Vertrauensfrage Rückenwind für seine Sparpläne holen - das ging nach hinten los.
Foto: Christophe Ena/AP/dpa

Nach dem Rücktritt der Regierung sucht Frankreich einen neuen Premierminister. Präsident Emmanuel Macron wird heute den gescheiterten Premier François Bayrou empfangen, um den Rücktritt seiner Minderheitsregierung anzunehmen, wie es aus dem Élysée-Palast hieß. Schon in den nächsten Tagen will der Staatschef dann einen Nachfolger bestimmen. Da die politische Krise auch Macron selbst unter Druck setzt und das Land vor einer Streik- und Protestwelle steht, wird der Staatschef bei der Entscheidung wohl auf Tempo setzen.

Bayrou stellte am Montag in der Nationalversammlung die Vertrauensfrage wegen seines Sparhaushalts und versuchte, die Abstimmung mit einem Bekenntnis zum Sparen in dem hoch verschuldeten Land zu verknüpfen. Die gesamte Opposition brachte jedoch den Zentrumspolitiker nach rund neun Monaten im Amt zu Fall. Sogar aus den Reihen der konservativen Républicains, die Teil von Bayrous Mitte-Rechts-Kabinett sind, stimmten einzelne Abgeordnete gegen den Premier.

Gespaltenes Parlament erschwert Nachfolger-Suche

Staatschef Macron steht jetzt vor der Aufgabe, einen neuen Premierminister zu finden, der das politisch gespaltene Land führen kann. Die Situation ist jedoch kompliziert. In der Nationalversammlung stehen Macrons Liberale, das linke Lager und die Rechtsnationalen um Marine Le Pen als drei große Blöcke gegenüber. Keiner von ihnen hat eine eigene Mehrheit. Frankreich ist nicht daran gewöhnt, in lagerübergreifenden Koalitionen zu regieren.

Zunächst gab es keinen Favoriten für das Amt des Regierungschefs. Medien nannten als Kandidaten den Macron nahestehenden Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der schon nach dem Sturz der Vorgängerregierung als Favorit gehandelt wurde. Auch die Namen von Justizminister Gérald Darmanin, Arbeits- und Gesundheitsministerin Catherine Vautrin oder von Finanz- und Wirtschaftsminister Éric Lombard fielen.

Es wird jedoch auch als möglich angesehen, dass Präsident Macron dieses Mal einen Politiker wählt, der entweder aus dem Lager der Sozialisten stammt oder zumindest von ihnen akzeptiert wird. Denn mit der Unterstützung der Sozialisten könnte Macrons Lager im Unterhaus näher an eine Mehrheit heranrücken und so den Haushalt und weitere Gesetzesvorhaben vorantreiben – zumindest, solange es gelingt, sowohl mit den linken Sozialisten als auch den konservativen Républicains gemeinsame Sache zu machen. Nach der Abstimmung hieß es aus dem Lager, dass jetzt die Linke an der Reihe sei zu regieren.

Macron steht unter Druck und drückt aufs Gas

Macron hat angekündigt, kurz nach der verlorenen Vertrauensfrage einen neuen Regierungschef zu ernennen, um den Druck auf ihn zu verringern. Während des letztlich erfolglosen Pokers von Bayrou geriet auch der Staatschef in die Kritik und es wurden Forderungen laut, ihn abzusetzen. Insbesondere die Linkspartei La France Insoumise äußerte sich nach dem Votum wieder dazu.

Der Präsident machte außerdem deutlich, dass er anstelle einer Parlamentsneuwahl, wie sie von Rechtsnationalen wie Le Pen gefordert wird, lieber mit einem neuen Regierungschef versuchen möchte.

Macron ernennt die Premiers als Staatschef. Dass mit Bayou nun bereits der zweite Premier innerhalb eines Jahres seinen Posten räumen muss, ist für ihn eine saftige Ohrfeige, hatte er sich doch intensiv in die Sondierungen für eine stabile Regierung eingebracht.

Protest, Streik und die Haushaltslage mahnen zu Eile

Auch von der Straße droht erheblicher Druck. Bereits kurz nach Bayrous Vorstellung seines Sparhaushalts verbreitete sich in Frankreich ein Aufruf, an diesem Mittwoch das ganze Land zu blockieren. Obwohl weiterhin unklar ist, wer hinter dem Aufruf «Bloquons tout» (Blockieren wir alles) steckt, sind die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft. Es wird mit bis zu 100.000 Protestierenden und spektakulären Blockade- und Sabotageaktionen gerechnet. Der französische Innenminister Bruno Retailleau sprach am Montagabend im Interview mit dem Sender France 2 von 80.000 Polizeikräften, die für den Tag mobilisiert werden würden.

Die Gewerkschaften haben für den 18. September zu landesweiten Streiks und Kundgebungen gegen den Sparkurs der Regierung aufgerufen. Diese Proteste nehmen mittlerweile das Ausmaß eines Generalstreiks an. Macron wird spätestens zu diesem Datum einen neuen Premierminister und eine neue Regierungsmannschaft präsentieren wollen, um nicht selbst im Mittelpunkt der Proteste zu stehen.

Die Zeit drängt auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Das hoch verschuldete Land muss dringend einen Sparkurs einschlagen und seine Finanzen konsolidieren. Mit einem Haushaltsdefizit von zuletzt 5,8 Prozent ist das Land außerdem weit vom europäischen Grenzwert von 3 Prozent entfernt. Die EU hat ein wachsames Auge darauf, ob Paris mit dem Sparen nun ernst macht. Sollte die Hängepartie zu lange anhalten, droht zudem, das Vertrauen an den Märkten zu sinken, was die französischen Finanzen noch stärker belasten würde.

dpa