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Regierungskrise in Frankreich: Bayrou scheitert mit Vertrauensfrage

Premier Bayrou muss nach Abstimmungsniederlage Rücktritt einreichen. Macron muss neuen Premier präsentieren, um politischem Stillstand entgegenzuwirken.

Bayrou mahnt, es brauche wegen der Verschuldung nun sofortiges Handeln.
Foto: Christophe Ena/AP/dpa

Die Minderheitsregierung von Premier François Bayrou in Frankreich ist gescheitert. Das Mitte-Rechts-Kabinett hat eine Vertrauensfrage in der Nationalversammlung deutlich verloren. 364 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung, nur 194 Abgeordnete sprachen ihr das Vertrauen aus. Bayrou muss nun den Rücktritt der Regierung bei Staatschef Emmanuel Macron einreichen. Das Präsidentenamt war nicht Gegenstand der Abstimmung. Dennoch stellt der Vorgang auch eine Niederlage für Macron dar.

Bayrou hatte die Abstimmung mit einem Bekenntnis zum Sparen verbunden. Frankreich ist hochverschuldet und muss seine Finanzen in den Griff bekommen. Bayrou plant für das kommende Jahr Einsparungen in Höhe von knapp 44 Milliarden Euro. Er hatte auch vorgeschlagen, zwei Feiertage abzuschaffen. Diese Ankündigung stieß in der Bevölkerung auf breite Ablehnung.

Neuer Premier oder neue Parlamentskammer?

Macron steht jetzt unter Druck und muss schnell einen neuen Premierminister präsentieren, um nicht selbst zu sehr unter Druck zu geraten. In den letzten zwei Wochen hat er wahrscheinlich bereits einige Möglichkeiten in Betracht gezogen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass weder sein Mitte-Lager noch das Linksbündnis oder Marine Le Pens Rechtsnationale eine eigene Mehrheit im Unterhaus haben. Mit Bayrou scheitert bereits zum zweiten Mal innerhalb eines guten Jahres ein Premierminister an dieser komplizierten politischen Situation. Es ist noch unklar, mit wem Macron eine stabile Regierung bilden könnte.

Eine weitere Möglichkeit wäre theoretisch denkbar: Ähnlich wie nach dem Misserfolg seiner Mitte-Kräfte bei der Europawahl im letzten Jahr könnte Macron die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ausrufen. Das Ziel wäre dann, klarere Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Es ist jedoch unklar, ob die Wähler in Frankreich nach nur einem Jahr deutlich anders wählen würden. Es ist gut möglich, dass auch nach einer Neuwahl das Parlament ähnlich gespalten wäre wie derzeit und das Regieren somit schwierig bliebe. Übergreifende Koalitionen sind in Frankreich unüblich.

Eine Neuwahl würde für Macron auch das Risiko bergen, dass Le Pens Rechtsnationale oder das Linksbündnis die absolute Mehrheit holen. Der Staatschef wäre dann de facto gezwungen, einen Premier aus ihrem Lager zu ernennen. Während der Premier aktuell eher im Schatten des Präsidenten steht, müsste Macron in einem solchen Fall Macht abgeben. Es käme zu einer sogenannten Kohabitation. Macron hatte in den vergangenen Monaten mehrfach betont, das Parlament nicht erneut auflösen zu wollen. Er schloss dies aber auch nicht kategorisch aus.

Wirtschaftliche Schieflage droht sich zu verschärfen

Das erneute Scheitern einer Regierung für Frankreich ist nicht nur aufgrund des drohenden politischen Chaos und Stillstands unglücklich. Das hochverschuldete Land muss dringend seinen Sparkurs festigen und einen Haushalt für das kommende Jahr verabschieden. Sollte die politische Lage länger instabil bleiben, besteht zudem die Gefahr eines Vertrauensverlusts an den Märkten, was die Finanzen Frankreichs zusätzlich belasten würde.

Macron wird nun unter Druck aufs Inland blicken

Trotz der internationalen Krisen wird Macron vorerst seinen Fokus auf das Inland richten. In den nächsten Tagen wird er daher auf der internationalen Bühne etwas zurückhaltender auftreten. Berlin und Brüssel sollten sich auf weniger Aktivität einstellen.

Es ist wahrscheinlich, dass der Druck auf den Staatschef mit dem Sturz der Regierung erneut steigt. Die linke LFI will ihn bereits absetzen und eine vorgezogene Präsidentschaftswahl herbeiführen. Ursprünglich ist die Abstimmung erst für 2027 geplant. Auch die Rechtsnationalen drängen auf Wahlen – entweder durch die Auflösung der Nationalversammlung oder den Rücktritt Macrons.

Macron wird 2027 nach zwei Amtszeiten nicht erneut für das Präsidentenamt kandidieren können. Wer von seinen Mitte-Kräften als Nachfolger ins Rennen geschickt wird, ist noch unklar. Viele im gemäßigten Lager befürchten, dass Le Pen nach mehreren gescheiterten Anläufen nun die Wahl gewinnen könnte. Aufgrund eines laufenden Justizverfahrens ist jedoch noch unklar, ob die rechte Führungsfigur überhaupt antreten kann.

dpa