Die USA bringen eine «freie Wirtschaftszone» im Donbass ins Spiel – doch die ukrainische Führung fürchtet gefährliche Zugeständnisse an Moskau. Der Druck auf Kiew steigt. Folgt ein Treffen am Samstag?
«Freie Wirtschaftszone» als Kompromiss? Kiew ist skeptisch

Im Ringen um ein Ende des russischen Angriffskrieges gibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Einblick in den aktuellen Verhandlungsstand. So brachten die USA nach seinen Worten die Idee ins Spiel, den bisher von der ukrainischen Armee kontrollierten Teil des Donbass-Gebiets im Osten des Landes zur «freien Wirtschaftszone» zu erklären. Der Kompromissvorschlag bestehe darin, dass die russische Seite nicht in dieses Gebiet vordringt, sagte Selenskyj örtlichen Medienberichten zufolge in Kiew.
Allerdings ergänzte er, dass der Fairness halber umgekehrt die Frage erlaubt sein müsse: «Wenn sich die eine Seite zurückzieht, wie man es von den Ukrainern verlangt, warum zieht sich die andere Kriegspartei nicht um die gleiche Entfernung in die andere Richtung zurück?»
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich einen Plan für eine Friedenslösung vorgelegt, den Kritiker als «russische Wunschliste» und faktische Kapitulationserklärung der Ukraine bezeichneten, weil er im Wesentlichen bekannte Forderungen Moskaus enthielt. Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten bemühten sich, den Plan im Eiltempo umzuarbeiten und für sie nicht hinnehmbare Punkte herauszustreichen. Am Mittwoch übermittelte die Ukraine dann eine Antwort.
In den nächsten Tagen soll es weitere Treffen und Gespräche zu dem Friedensplan geben. «Am Samstag findet ein Treffen statt, wir werden sehen, ob wir daran teilnehmen oder nicht», sagte Trump im Weißen Haus – ohne zu erwähnen, mit wem die Gespräche geführt würden. Er betonte, Vertreter der USA würden an einem solchen dann Treffen teilnehmen, «wenn wir glauben, dass es gute Chancen gibt». Ansonsten wolle man keine Zeit verschwenden.
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte kürzlich erklärt, dass es nach den Gesprächen am Wochenende möglicherweise zu einem Treffen in Berlin zu Beginn der nächsten Woche kommen würde. Die Teilnahme der US-Regierung sei jedoch noch unklar.
Selenskyj: Nur das Volk kann über Gebietsfragen entscheiden
Als Knackpunkt in den Gesprächen gelten Territorialfragen und Sicherheiten für die Ukraine. Selenskyj hat Gebietsabtretungen in der Vergangenheit ausgeschlossen – aus seiner Sicht kann darüber nur das ukrainische Volk entscheiden. «In Form von Wahlen oder in Form eines Referendums, doch muss es die Position des Volkes der Ukraine sein», sagte der Staatschef Journalisten in Kiew. Vieles hänge dabei von der Lage an der Front ab.
Laut einer aktuellen Umfrage des renommierten Rasumkow-Zentrums sind mehr als 90 Prozent der Ukrainer gegen territoriale Zugeständnisse an Russland. Die USA hatten vorgeschlagen, dass die ukrainische Armee sich aus den noch gehaltenen Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk zurückzieht. Kremlchef Wladimir Putin hatte erklärt, dass falls die Ukraine dieser Kernbedingung für einen Frieden nicht zustimmen sollte, Russland seine Kriegsziele eben auf dem Schlachtfeld erreichen werde.
Moskau betrachtet Donezk und Luhansk, Herson und Saporischschja sowie die Krim als russisches Staatsgebiet und fordert von Kiew, dies unwiderruflich anzuerkennen. Gemäß Artikel 73 der ukrainischen Verfassung können Gebietsänderungen nur durch ein landesweites Referendum erfolgen, das vom Parlament angesetzt werden muss. Die Verfassung kann nicht geändert werden, solange das nach dem russischen Einmarsch 2022 ausgerufene Kriegsrecht in Kraft ist.
Selenskyj befürchtet Tarneinsatz russischer Soldaten
Selenskyj sagte den Medienberichten zufolge, es sei offen, wie die von den USA vorgeschlagene «freie Wirtschaftszone» verwaltet werden sollte und wie man Russland davon abhalten könnte, doch weiter in das Gebiet vorzudringen – wenn schon nicht offensichtlich, dann beispielsweise mit Soldaten in Zivilkleidung, wie dies einst schon auf der Krim geschah.
Die Ukraine behält die Kontrolle über etwa 30 Prozent der Bergbau- und Industrieregion in der Ostukraine, die als Donbass bekannt ist, einschließlich der Gebiete Luhansk und Donezk. Selenskyj hat bestätigt, dass der aktuell diskutierte Plan vorsieht, dass die russische Armee sich aus den Gebieten Sumy, Charkiw und Dnipropetrowsk zurückzieht. Für die südukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson ist demnach eine Einfrierung entlang der aktuellen Frontlinie geplant.
Laut Selenskyj besteht die Ukraine darauf, dass die Größe der ukrainischen Armee 800.000 Soldaten beträgt. Im ursprünglichen Friedensplan war noch die Rede von einer Begrenzung auf 600.000 Soldaten.
Sicherheitsgarantien und ein «äußerst frustrierter» Präsident
Selenskyj und sein Team sprachen am Donnerstag mit der US-Seite zudem über «eines der drei Dokumente, an denen wir gerade arbeiten – jenem zu Sicherheitsgarantien». Diese «gehören zu den wichtigsten Elementen für alle weiteren Schritte», wie Selenskyj zu verstehen gab. Es brauche konkrete Antworten darauf, was die Partner machen würden, falls Russland nach einem Friedensschluss erneut angreifen sollte. Daran werde weiter gearbeitet.
Trump bekräftigte, dass die USA zu Sicherheitsgarantien bereit seien. «Wir würden bei der Sicherheit helfen, weil es meiner Meinung nach ein notwendiger Faktor ist», sagte er. Nähere Details nannte Trump hierzu aber nicht.
Bei der Videoschalte mit den Ukrainern nahmen laut Selenskyj hochrangige US-Regierungsvertreter teil: Neben Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth waren demnach auch Trumps Sondergesandter Steve Witkoff und sein Schwiegersohn Jared Kushner dabei. Zugeschaltet war demzufolge auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
Fast ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist Trump nach Angaben des Weißen Hauses «äußerst frustriert» über Russland und die Ukraine. Er wolle keine weiteren Gespräche, sondern Taten sehen, sagte seine Sprecherin Karoline Leavitt bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Trump wolle, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine endlich ein Ende nehme.








