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Gaza-Abkommen hängt von Hardlinern ab

Das Schicksal der Geiseln in Gaza hängt am seidenen Faden. Hamas-Anführer Sinwar fordert laut Medien ein Ende des Krieges, was Israel ablehnt. Spielt er auf Zeit? Die News im Überblick.

Während Kinder zwischen den Trümmern zerstörter Häuser spielen, halten die indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg weiter an.
Foto: Rizek Abdeljawad/XinHua/dpa

Die indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg sind Medienberichten zufolge an einem kritischen Punkt angelangt. Die Führung in Israel gehe davon aus, dass die islamistische Hamas das jüngste Angebot für ein Abkommen über die Freilassung israelischer Geiseln und eine Waffenruhe offiziell ablehnen wird, zitierte die Zeitung «Times of Israel» einen Regierungsbeamten.

Im Hauptquartier des israelischen Militärs in Tel Aviv trat zuvor das Kriegskabinett zusammen, um über den möglichen Beginn der umstrittenen Bodenoffensive in Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens zu beraten. Draußen demonstrierten Dutzende von Familienangehörigen israelischer Geiseln und ihre Unterstützer und forderten Regierungschef Benjamin Netanjahu auf, einer Vereinbarung zuzustimmen, die die Freilassung der Geiseln in Gaza sicherstellt – ungeachtet des Preises, wie die Zeitung berichtet.

Türkei stellt Handel mit Israel ein

Unterdessen beschloss die Türkei, wegen der israelischen Angriffe im Gazastreifen die Aus- und Einfuhr aller Produkte mit Bezug zu Israel auszusetzen. Das teilte das türkische Handelsministerium am Donnerstagabend auf der Plattform X, vormals Twitter, mit. Die neuen Maßnahmen würden strikt umgesetzt, bis die israelische Regierung den ununterbrochenen Fluss humanitärer Hilfe nach Gaza erlaube. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Israels Militäreinsatz im Gazastreifen wiederholt scharf kritisiert und Israel «Völkermord» vorgeworfen.

Israels Außenminister reagierte empört auf den Handels-Stopp. «Erdogan bricht Vereinbarungen, indem er Häfen für israelische Importe und Exporte blockiert», schrieb Israel Katz auf X. «Auf diese Weise verhält sich ein Diktator, die Interessen des türkischen Volkes und der Geschäftsleute missachtend.» Zudem ignoriere Ankara internationale Handelsabkommen, wetterte Katz. 

Gaza-Deal hänge von Hardlinern Israels und der Hamas ab

Eine Waffenruhe im Gaza-Krieg hängt nun von den beiden Hardlinern Netanjahu und Jihia al-Sinwar ab – letzterer ist der Anführer der Hamas in Gaza. Beider Zukunft steht in diesem Krieg auf dem Spiel und ihr Kalkül lässt wenig Spielraum für einen Kompromiss, schrieb das «Wall Street Journal».

Netanjahu, gegen den seit Längerem ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen. Diese hatten jüngst mit einem Ende der Regierung gedroht, sollte der auf dem Tisch liegende Geisel-Deal umgesetzt und ein Einsatz in Rafah abgeblasen werden. Selbst wenn die Hamas ein Abkommen bedingungslos akzeptieren würde, sei denn auch nicht klar, ob Israel dem zustimmen werde, schrieb dazu die «Times of Israel».

Hamas-Anführer wird in Tunneln unter Rafah vermutet

Sinwar wiederum glaube, dass er auch einen Angriff auf Rafah überleben könne, zitierte das «Wall Street Journal» arabische Unterhändler, die mit ihm verhandelten. Der Hamas-Anführer wird in den Tunneln der Hamas unterhalb des Gazastreifens vermutet. Arabischen Vermittlern zufolge sei Sinwar der Auffassung, dass er den Krieg mit Israel bereits gewonnen habe, unabhängig davon, ob er ihn überlebt oder nicht.

Denn er habe das Leiden der Palästinenser und den Konflikt mit Israel ins Zentrum der Weltöffentlichkeit gerückt. Sinwars Ziel sei es, die Freilassung von Hunderten, wenn nicht Tausenden von palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen im Austausch gegen Geiseln im Gazastreifen zu erreichen und ein Abkommen zu schließen, das den Krieg beendet und das Überleben der Hamas sichert.

Hamas-Anführer fordere Änderungen am Verhandlungsangebot

In Bezug auf das aktuelle Verhandlungsangebot verlange Sinwar ein garantiertes Ende des Kriegs, sagte eine dem Hamas-Anführer nahestehende Quelle dem israelischen Fernsehsender Channel 12. Israel lehnt dies bislang ab. Sinwar will den Angaben zufolge eine schriftliche Verpflichtung für ein «bedingungsloses Ende der Kämpfe».

Er verlangt auch, dass den palästinensischen Häftlingen, die Israel im Austausch für israelische Geiseln aus Gefängnissen entlassen müsste, nicht die Rückkehr ins Westjordanland verwehrt werde. Israel plant laut dem aktuellen Entwurf für einen Deal, diejenigen, die lebenslange Haftstrafen verbüßen, in den Gazastreifen oder ins Ausland zu schicken.

Sinwar fordert weiterhin nähere Informationen zu Materialien, die Israel nicht in das abgeriegelte Küstengebiet liefern will. Der Sender Channel 12 spekuliert, dass Sinwar sicherstellen möchte, dass die Hamas ihre Tunnel wieder aufbauen kann.

Sinwar, der 1962 im Gazastreifen geboren wurde, zählt zur Gründergeneration der Hamas. In den Anfangsjahren der islamistischen Bewegung war er für den Kampf gegen vermeintliche Kollaborateure mit Israel in den eigenen Reihen verantwortlich und half beim Aufbau des militärischen Arms der Hamas. Aufgrund von Mordvorwürfen, darunter die Ermordung von zwei israelischen Soldaten, verbrachte Sinwar über zwei Jahrzehnte in israelischer Haft. Während dieser Zeit lernte er Hebräisch und studierte den Feind. Im Jahr 2011 wurde er freigelassen – als einer von mehr als 1000 palästinensischen Häftlingen im Austausch für den israelischen Soldaten Gilad Schalit.

Hamas will Verhandlungen in Kairo fortsetzen

In Mitteilungen, die der militärische Flügel der Hamas an die arabischen Vermittler weitergeleitet habe, habe Sinwar angedeutet, dass die Zeit auf seiner Seite sei, schrieb das «Wall Street Journal» weiter. Denn der internationale Druck auf Israel nehme zu, je länger er warte. Sinwars Terrororganisation hatte gestern mitgeteilt, noch einmal eine Delegation nach Ägypten zu schicken, um die indirekten Verhandlungen über einen Geisel-Deal fortzusetzen.

Laut dem staatsnahen ägyptischen Fernsehsender Al-Kahira News wird eine Hamas-Delegation innerhalb der nächsten zwei Tage in der Hauptstadt Kairo erwartet. Die ägyptischen Vermittler versuchen nun, mit Unterstützung der USA, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Israel und der Hamas zu lösen, wie der TV-Sender Channel 12 berichtet.

Die israelische Regierung hat angekündigt, dass eine Offensive in Rafah schnell beginnen wird, falls es keine Einigung gibt. Verbündete wie die USA haben Israel mehrmals vor einem umfangreichen Angriff auf Rafah gewarnt, da sich dort Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge aufhalten.

Die Stadt im Süden Gazas bleibt nach etwa sieben Monaten Krieg als einzige vergleichsweise intakt in dem Küstengebiet. Der örtliche Direktor der UN-Entwicklungsagentur UNDP bezeichnete die Zerstörungen als die schlimmsten in einer Region seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Auslöser des Krieges war das Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten.

dpa