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Geld für Verteidigung: Soll der alte Bundestag entscheiden?

Ein neuer Bundestag ist gewählt – doch womöglich könnte der alte noch eine wichtige Entscheidung treffen. Es geht um Milliarden für die Verteidigung. Das sind die Hintergedanken.

Wo bekommt Deutschland Milliarden für die Verteidigung und die Ukraine her? Das könnte womöglich noch der alte Bundestag entscheiden. (Archivbild)
Foto: Andreas Arnold/dpa

Der Sprengstoff für die Ampel-Koalition war und steht nach der Neuwahl sofort wieder zur Debatte: Wo bekommt die Bundesregierung Milliarden für die Verteidigung und die Ukraine her, die sie im Haushalt nicht übrig hat? Darüber könnte – so ist gerade im Gespräch – noch der alte Bundestag entscheiden, obwohl der neue schon gewählt ist.

Der Kurswechsel der US-Regierung unter Donald Trump in Bezug auf den Ukrainekrieg und die Nato hat das Problem noch akuter gemacht. Zudem wird die Situation für den wahrscheinlichen zukünftigen Kanzler Friedrich Merz (Union) durch das Ergebnis der Bundestagswahl kompliziert.

Welche Möglichkeiten gibt es, frische Milliarden bereitzustellen?

Das Parlament könnte beschließen, die Schuldenbremse zu reformieren, um eine höhere Kreditaufnahme zu ermöglichen. Das Geld könnte dann aus dem regulären Haushalt bereitgestellt werden. Es könnte auch erwogen werden, Verteidigungsausgaben generell von der Schuldenbremse auszunehmen, wie es Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) kürzlich vorgeschlagen hat.

Es besteht auch die Möglichkeit, ein Sondervermögen zu schaffen. Dies ist ein separater Fonds außerhalb des Bundeshaushalts, aus dem gezielte Maßnahmen finanziert werden.

Was sind die Unterschiede?

Eine Änderung des Grundgesetzes wäre erforderlich für eine Reform der Schuldenbremse, da die Schuldenregel in Artikel 115 verankert ist. Eine solche Reform ist politisch kontrovers und erfordert eine große Mehrheit im Bundestag. Genauer gesagt müssten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen.

Bei Sondervermögen gibt es zwei Optionen: Man könnte das Sondervermögen für die Bundeswehr als Beispiel nehmen. Dieses wurde im Grundgesetz festgelegt – und von der Schuldenbremse ausgenommen. Dadurch kann ein Sondervermögen eigene Kredite aufnehmen – theoretisch unbegrenzt. Allerdings wäre auch hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Ohne diese Verankerung im Grundgesetz müsste das Sondervermögen aus dem Bundeshaushalt gespeist werden. Größere Kredite dafür wären nur möglich, wenn eine Notlage erklärt wird, die die Schuldenbremse vorübergehend außer Kraft setzt. Dies könnte beispielsweise aufgrund des Kurswechsels der US-Regierung erfolgen. Das Problem besteht darin, dass das Geld im selben Jahr ausgegeben werden müsste, in dem es aufgenommen wurde. Wenn das Sondervermögen über mehrere Jahre bestehen soll, müsste jedes Mal erneut eine Notlage erklärt und eine gerichtsfeste Begründung gefunden werden.

Warum wollen einige einen Beschluss jetzt schnell noch mit dem alten Bundestag?

Das hängt mit den neuen Mehrheitsverhältnissen zusammen. Die sogenannten Parteien der Mitte – also Union, SPD und Grüne – verfügen nicht über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. AfD und Linke sind so stark, dass sie eine Änderung des Grundgesetzes verhindern könnten. Daher entstand die Idee, das Thema noch vor der Konstituierung des neuen Bundestags mit den alten Mehrheiten zu klären.

Was könnte das für Koalitionsverhandlungen bedeuten?

Es könnte mögliche Gespräche von Union und SPD deutlich erleichtern, denn der Haushalt ist eine der größten Baustellen einer neuen Bundesregierung. Aktuell ist schlicht nicht genug Geld da, um alle Pläne und Verpflichtungen unter Wahrung der geltenden Schuldenbremse zu bezahlen. Könnte man Milliarden für die Verteidigung und die Unterstützung der Ukraine ausklammern, wäre deutlich mehr Spielraum im Bundeshaushalt. Dann könnte man Streit in den Verhandlungen eventuell im Kern ersticken, indem einfach beide Seiten ihre Wunschprojekte finanziert bekommen.

Warum ist ein solcher Beschluss auch umstritten?

Es könnte argumentiert werden, dass ein Beschluss mit dem alten Parlament demokratietheoretisch problematisch ist. Ein neuer Bundestag wurde bereits gewählt – und er präsentiert sich völlig anders. Die FDP und das BSW sind nicht mehr vertreten, könnten jedoch bei Sondervermögen oder einer Änderung der Schuldenbremse noch mitentscheiden. Im Gegensatz dazu hatten die AfD und insbesondere die jetzt starke Linke im alten Bundestag viel weniger Stimmen. Die Abstimmung würde somit nicht den aktuellen Wählerwillen widerspiegeln.

Gab es das schon einmal?

Ja, am 16. Oktober 1998 fand eine Sondersitzung des Bundestages statt, um erstmals seit Gründung der Bundeswehr über den Einsatz deutscher Soldaten im Krieg zu entscheiden. Der Konflikt betraf den Kosovo. Der neu gewählte Bundestag war noch nicht konstituiert, die bisherige schwarz-gelbe Regierung war abgewählt und Rot-Grün noch nicht im Amt.

dpa