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Gender-Wahn oder gerechtere Welt? Grabenkämpfe bei UN

Die Vereinten Nationen tun viel, um Rechte von Frauen und Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung besser zu schützen. Jetzt gibt es Gegendruck. Die deutsche Botschafterin ist tief besorgt.

Auch gegen die Regenbogenfahne wurde bei den Vereinten Nationen schon protestiert. Sie symbolisiert Toleranz gegenüber allen Menschen, die sich nicht im traditionellen Rollenbild zwischen Mann und Frau sehen. (Archiv)
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Immer mehr Grabenkämpfe um die Rechte von Frauen und Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung toben bei den Vereinten Nationen. Einige Länder versuchen, jeglichen Verweis auf den Schutz dieser Rechte aus den UN-Texten zu streichen.

«Ich bin zutiefst besorgt über die Angriffe von autoritären Staaten und religiös-fundamentalistischen Akteuren auf die mühsam erkämpften Menschenrechtsstandards für Frauen und LGBTQI+ Personen», sagt die deutsche Botschafterin, Katharina Stasch, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Angriffe höhlen die Grundprinzipien von Gleichheit und Menschenwürde aus, für die die Vereinten Nationen stehen. Wir müssen entschieden gegen diese Rückschritte vorgehen.»

Die Abkürzung LGBTQI+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.

«Unheilige Allianz»

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht mit Sorgen, dass etablierte Rechte infrage gestellt werden. «Was wir im Laufe der Jahre gesehen haben, ist eine ausgeklügelte, sehr strategische, unheilige Allianz verschiedener Gruppen. Zum Beispiel religiöse Fundamentalisten jeglicher Art, Populisten und diejenigen, die Angst und Spaltung schüren.» Er prangert auch patriarchale und frauenfeindliche Haltungen an.

Der Menschenrechtsrat als Streitbühne 

Aktuell sind die Grabenkämpfe im UN-Menschenrechtsrat sichtbar. Während Verhandlungen über Resolutionen wird laut Verhandlerinnen und Verhandler tagelang um jede Formulierung mit Gender-Bezug gestritten. Unter Gender sind hier Verweise auf den speziellen Schutz von Frauen oder die Geschlechtsidentität von Menschen gemeint.

Als führende Länder, die diese Diskussionen vorantreiben, werden die Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) genannt, insbesondere Pakistan und Ägypten. Diplomaten aus beiden Ländern haben nicht auf Anfragen reagiert. Auch Vertreter einiger afrikanischer Länder mobilisieren gegen Gender-Themen, wie es in Genf heißt. Sie kritisieren plötzlich koloniales Verhalten, mit dem westliche Länder versuchen, ihre Werte aufzuzwingen.

Missionarische Gruppen aus den Vereinigten Staaten haben Diplomaten zufolge Regierungen dazu ermutigt, Bemühungen für einen besseren Schutz von LGBTQI+ zu bekämpfen. Der Vatikan beteiligt sich ebenfalls an Anstrengungen gegen Gender-Themen. Russland sucht aufgrund seiner Isolation nach dem Einmarsch in der Ukraine nach neuen Allianzen.

Deutsche Botschafterin schreibt Protestbrief

Auch bei UN-Dokumenten, die jahrelang ohne Probleme genehmigt wurden, gibt es inzwischen Diskussionen, selbst in Budget- oder Personalunterlagen, sagen Diplomaten. Einige befürchten bereits vorauseilenden Gehorsam bei UN-Organisationen. Botschafterin Stasch und mehr als 20 Kollegen haben zum Beispiel beim Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Gilbert Houngbo, protestiert.

Im Juni wurde stillschweigend ein Verweis auf ein bereits veröffentlichtes Papier zu LGBTQI+ Rechten am Arbeitsplatz aus einem Dokument entfernt. Auch bei den UN in New York gab es bereits Proteste gegen das Hissen der Regenbogenflagge, die Toleranz für alle symbolisiert, die sich nicht im traditionellen Rollenbild von Mann und Frau sehen.

Druck auch in Deutschland 

Beim Dachverband der Organisationen ILGA wird betont, dass es nicht nur bei den Vereinten Nationen, sondern auch in Deutschland Widerstand gegen das Thema gibt.

Populistische und konservative Flügel von Parteien gingen mit Kritik am Gender-Thema auf Stimmenfang, sagt ILGA-Sprecherin Julia Ehrt. Eingebettet sei dies im weltweiten Rechtsruck mit der Rückbesinnung auf angeblich nationale, kulturelle Werte. «Diese Dynamik ist besorgniserregend. Damit wird nur von Themen wie soziale Gerechtigkeit abgelenkt», sagte sie.

dpa