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Gescheiterte Regierung: Paris wirtschaftlich in der Klemme

Eigentlich wären die EU und Deutschland gerade auf ein starkes Frankreich angewiesen. Im Streit um den Haushalt aber ist die Regierung in Paris gestürzt – und viele warnen vor gravierenden Folgen.

Ob der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Premier Barnier das zerstrittene Parlament in Kernfragen wie dem Haushalt einen kann, muss sich zeigen.
Foto: Michel Euler/AP/dpa

Die Politikkrise in Frankreich könnte kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen. Der Sturz der Mitte-Rechts-Regierung von Premier Michel Barnier durch das Linksbündnis und die Rechtsnationalen von Marine Le Pen im Parlament am Mittwochabend bringt das hochverschuldete Land in eine Krise. Am Abend will Präsident Emmanuel Macron Stellung zur politischen Krise beziehen – das wird zeigen, wie es nun weitergeht.

Ein von Brüssel angemahnter Sparhaushalt für das kommende Jahr, der Anlass für das Misstrauensvotum gegen die Minderheitsregierung war, hätte eigentlich längst verabschiedet werden müssen. Dies ist dringend erforderlich, um das Vertrauen der im Moment zögernden Wirtschaft in Frankreich sowie der Finanzmärkte zu gewinnen. Die politische Hängepartie, die bereits seit dem Sommer anhält, hat für Verunsicherung gesorgt.

Frankreich und Deutschland schwächeln gleichzeitig

Zusätzlich wäre angesichts des Ukraine-Kriegs, der Unsicherheit vor dem Amtsantritt des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump und der Spannungen im Welthandel eigentlich ein starkes Frankreich auf internationaler Bühne gefragt, das nicht von internen Problemen und Haushaltsfragen beeinträchtigt wird. Zudem fehlt in der EU mit dem gleichzeitigen Schwächeln von Frankreich und Deutschland, wo im Februar früher als geplant ein neuer Bundestag gewählt wird, der treibende Motor.

«Wenn der Misstrauensantrag durchkommt, wird alles schwieriger und alles wird schlimmer», hatte Premier Barnier vor der Abstimmung vergeblich gewarnt. Die politische Instabilität werde höhere Risikoaufschläge auf Kredite und zusätzliche Milliardenlasten für das Land bedeuten und Frankreich werde für seine Schulden noch höhere Zinsen als Griechenland zahlen müssen. Mit einem öffentlichen Schuldenstand von über 110 Prozent seiner Wirtschaftsleistung gehört Frankreich in der EU ohnehin zu den Schlusslichtern, noch schlechter stehen nur Italien und Griechenland da.

OECD betont Bedeutung von Haushaltseinigung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betonte in ihrem am Tag des Misstrauensvotums vorgelegten Weltwirtschaftsausblick die Wichtigkeit einer zügigen Einigung im Haushalt in Paris. Wenn die politische Unsicherheit abnimmt, beruhigen sich die Märkte und der Druck auf die Finanzen nimmt ab. Sollte der Haushalt jedoch nicht verabschiedet werden, könnte das erwartete Wirtschaftswachstum gefährdet sein und die Steuereinnahmen würden sinken. Dies würde wiederum die Fähigkeit der Regierung gefährden, das Haushaltsdefizit zu reduzieren.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, Patrick Brandmaier, sagte der Nachrichtenagentur dpa in Paris, dass der Sturz der Regierung und das Scheitern des Sparhaushalts weitere Monate der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit für die deutschen Unternehmen in Frankreich bedeuten. Die schwierige Situation mit der wachsenden Staatsverschuldung und den sich eintrübenden Konjunkturerwartungen verstärken diese Entwicklung.

Handelskammer bangt um Wirtschaftsstandort Frankreich

«Nach über fünf Jahren einer pro-Wirtschaft und reformorientierten Politik zeichnen sich nun Stagnation und Unsicherheit für die Unternehmen ab», sagte Brandmaier. «Wenngleich dies unmittelbar keine größeren Auswirkungen auf die deutschen Unternehmen in Frankreich hat, trägt es nicht zur Attraktivität und zur Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Frankreich bei.»

«Frankreich steckt in einer ernsten Krise. Das Misstrauensvotum gegen Premier Barnier erhöht die Instabilität des Landes», sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser, die Vorstandsmitglied der Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung ist. «Geschwächtes Vertrauen der Finanzmärkte wird die französischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zusätzlich durch steigende Finanzierungskosten belasten.»

Wie in Deutschland müsse es auch in Frankreich darum gehen, die Wirtschaft durch echte Reformen wieder in Schwung zu bringen, sagte die FDP-Politikerin. «Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist derzeit ebenfalls geschwächt, wir brauchen sie aber dringender denn je, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit zu garantieren.»

Wird neuer Premier schnell ernannt?

Es wird erwartet, dass ein neuer Premierminister samt Kabinett in Paris so schnell wie möglich ernannt wird, wie alle Warnrufe nahelegen. Es wurde erwartet, dass Barnier seinen Rücktritt am Morgen einreichen würde. Präsident Emmanuel Macron könnte ihn jedoch möglicherweise bitten, vorübergehend als geschäftsführender Premierminister im Amt zu bleiben. Laut Medienberichten plant Macron jedoch, einen neuen Premierminister sehr schnell zu ernennen. Am Abend wird der Präsident eine Ansprache an die Nation halten – könnte es sein, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits einen neuen Regierungschef präsentiert?

Die populistischen Kräfte am linken und rechten Rand in der Pariser Nationalversammlung nehmen nach dem Regierungssturz Macron ins Visier. Es wird gefordert, dass er zurücktritt oder zumindest einen früheren Termin für die Präsidentschaftswahl in Betracht zieht. Macron hatte jedoch bisher immer betont, bis zum Ende seiner regulären Amtszeit im Jahr 2027 im Amt zu bleiben.

dpa