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Gewalttat überschattet den Bundestagswahlkampf

Etliche Islamisten haben die Sicherheitsbehörden zuletzt aus dem Verkehr gezogen. Doch Einzeltäter, die mit einem Messer oder einem Auto auf Passanten losgehen, rechtzeitig zu erkennen, ist schwer.

Die Tat in München löste Entsetzen aus.
Foto: Peter Kneffel/dpa

Zehn Tage vor der Bundestagswahl hat ein Vorfall in München für Bestürzung gesorgt. Ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan wurde als Tatverdächtiger festgenommen. Die polizeilichen Untersuchungen zum Motiv des 24-Jährigen sind noch nicht abgeschlossen. Die ersten Reaktionen aus der Politik deuten jedoch darauf hin, dass der mutmaßliche Anschlag Auswirkungen auf den Wahlkampf haben könnte. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Hat die Zahl der Anschläge zuletzt zugenommen? 

In letzter Zeit haben mehrere Orte traurige Berühmtheit erlangt: Mannheim, Solingen und Magdeburg im vergangenen Jahr, in diesem Jahr Aschaffenburg und jetzt München.

In den Jahren 2021 bis 2024 gab es insgesamt vier islamistisch motivierte Terroranschläge, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet: 2021 in einem Zug zwischen Regensburg und Nürnberg, 2023 in einem Fitnessstudio in Duisburg sowie im vergangenen Jahr die Attacke auf dem Volksfest in Solingen und der Angriff auf dem Marktplatz in Mannheim, bei dem ein Afghane fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzte. Der 29-jährige Polizist Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen. Der Aufwand, den die Täter betrieben, war relativ gering: Einige benutzten ein Auto als Tatwerkzeug, häufig waren Messer im Spiel.

Es gab besonders viele islamistisch motivierte Terroranschläge in Deutschland im Jahr 2016.

Was machen die Sicherheitsbehörden?

Seit 2015 wurden laut Sicherheitskreisen in Deutschland 18 islamistische Terroranschläge vereitelt. In den letzten zwei Jahren wurden viele radikale Islamisten in Untersuchungshaft genommen.

Die Tatverdächtigen, die nach den letzten, nur teilweise islamistisch motivierten Anschlägen ermittelt wurden, waren sich einig, dass Polizei und Verfassungsschutz sie zuvor nicht als Extremisten im Visier hatten. Allerdings waren sie bereits wegen anderer Vorfälle der Polizei bekannt.

Bezüglich des in München festgenommenen Afghanen sollen es Drogendelikte und Ladendiebstähle gewesen sein. Der Mann aus Saudi-Arabien, der in Magdeburg sechs Menschen auf einem Weihnachtsmarkt tötete und knapp 300 Menschen verletzte, hatte Drohungen veröffentlicht. Trotzdem passte er als radikaler Islam-Gegner in keine der üblichen Extremismus-Kategorien.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Sie hatte nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag auf einem Stadtfest in Solingen am 23. August ein «Sicherheitspaket» beschlossen. Es sah unter anderem Verschärfungen im Aufenthaltsrecht und beim Waffenrecht vor, sowie mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Ein Teil der Reformen wurde im Bundesrat gestoppt, weil CDU und CSU weitreichendere Änderungen wollten. 

Wie viele Asylbewerber kamen zuletzt aus Afghanistan?

Afghanistan ist seit langem ein bedeutendes Herkunftsland von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen. Laut einer Übersicht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sind Afghanen nach Syrern die zweitgrößte Gruppe von Erstantragstellern auf Asyl in Deutschland. Im Jahr 2024 entfielen auf sie insgesamt 34.149 Anträge, was 14,9 Prozent entspricht.

Was löst das im laufenden Wahlkampf aus?

Die Diskussionen zwischen den Parteien werden bereits von den Themen Migration und Sicherheit dominiert. Für CDU und CSU sind sie ohnehin wichtig, nach dem Anschlag in Aschaffenburg im Januar umso stärker. Innere Sicherheit, Migration und ihre Kontrolle werden andere Fragen in den verbleibenden anderthalb Wochen bis zur Wahl weitgehend verdrängen, insbesondere da in den Tagen nach solchen Taten viele offene Fragen auftauchen.

Mehr Härte fordern insbesondere CDU/CSU sowie AfD. «Diese Anschlagserie muss ein Ende haben», sagt die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Die Bevölkerung müsse besser geschützt werden – «das wird die erste große Aufgabe der neuen Bundesregierung sein», ergänzt die CSU-Politikerin.

Bei manchen löst die sich verschärfende Debatte über Migration und Sicherheitsfragen jedoch auch Sorgen vor einem Rechtsruck aus – eine Entwicklung, vor der Parteien wie Grüne und Linke warnen. So beklagt etwa die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger eine «permanente Skandalisierung von Migration». Angesichts der Herausforderungen im Äußeren wie im Innern sei es umso wichtiger, «dass wir auch in unserem Land als Demokraten zusammenstehen», sagt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). 

Wie unterscheiden sich die Konzepte der Parteien?

CDU und CSU sind der Meinung, dass dies alles zu spät beginnt: Die Union möchte, dass von Anfang an weniger Menschen ins Land kommen. Dies soll durch generelle Zurückweisungen erreicht werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat mittlerweile stationäre Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet, ohne die Zurückweisungen nicht möglich sind. Wer einen Asylantrag stellen möchte, darf jedoch in der Regel einreisen.

Im letzten Jahr wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 80.000 unerlaubte Einreisen registriert, wobei in etwa 47.000 Fällen eine Zurückweisung erfolgte, beispielsweise aufgrund von gefälschten Dokumenten oder einer Einreisesperre nach Abschiebung.

dpa