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Gewerkschaft: Cannabisgesetz hat sich nicht bewährt

Kiffer haben die Legalisierung von Cannabis gefeiert. Eine Mehrheitsmeinung ist das nicht, wie eine Umfrage zeigt. Die Gewerkschaft der Polizei findet die neuen Regeln «handwerklich schlecht gemacht».

Seit 1. Juli können Erwachsene in nicht-kommerziellen «Anbauvereinigungen» Cannabis gemeinsam anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Zuvor müssen sie allerdings eine Erlaubnis beantragen.
Foto: Friso Gentsch/dpa

Fast jeder dritte Deutsche nimmt seit der Legalisierung mehr Cannabiskonsum in seinem Umfeld wahr. Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Dabei gaben 31 Prozent der befragten Wahlberechtigten an, in ihrem Alltagsumfeld mehr Konsum von Cannabis zu beobachten. Auch Polizisten kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. «Wir sehen mehr Feststellungen im öffentlichen Raum und im Verkehr», sagt Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Mehr als die Hälfte der Bundesbürger findet Legalisierung falsch

55 Prozent der erwachsenen Bundesbürger finden rückblickend, dass die Legalisierung falsch war. 37 Prozent halten sie für richtig. Acht Prozent der mehr als 2100 Befragten waren unschlüssig oder machten keine Angaben zu dieser Frage.

Generell ist Kiffen für Volljährige seit 1. April mit Beschränkungen legal. Seitdem erlaubt ist auch der Anbau von bis zu drei Pflanzen gleichzeitig in Privatwohnungen, aufbewahren darf man bis zu 50 Gramm Cannabis. Seit 1. Juli können zudem nicht-kommerzielle «Anbauvereinigungen» mit bis zu 500 Mitgliedern an den Start gehen. Zuvor müssen sie allerdings eine Erlaubnis beantragen. In den Clubs können Erwachsene Cannabis gemeinsam anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Ein Anbau von Cannabis zu gewerblichen Zwecken ist – abgesehen von Medizinalcannabis – nicht erlaubt. Bis Ende August waren laut einer dpa-Umfrage bei den Länderbehörden bundesweit mehr als 280 Anträge auf Erlaubnisse bei den Behörden eingegangen. 

GdP sieht noch keine positiven Auswirkungen 

Ein erklärtes Ziel der Reform der Ampel-Regierung war es, durch die Legalisierung des beschränkten Eigenanbaus den Schwarzmarkt zurückzudrängen. Daran, dass dieses Ziel erreicht wird, hat zumindest die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erhebliche Zweifel. «Es war falsch, ein Gesetz zu beschließen, dass die Verantwortung für ein berauschendes Mittel ausschließlich in private Hände legt», sagt GdP-Vize Poitz. Er hätte hier ein Konzept mit mehr staatlicher Kontrolle besser gefunden, anstatt den Ländern und Kommunen die Einhaltung der komplexen Regeln aufzuerlegen, dazu gehört etwa, dass ein Konsum in sowie in Sichtweite von Schulen nicht erlaubt ist.

Poitz findet, das Gesetz setze erstens deutliche Signale, die zu mehr Konsum führten und sei insgesamt «handwerklich schlecht gemacht». Eine Folge davon sei, dass «Strukturen der organisierten Kriminalität hier jetzt einen viel größeren Markt sehen». Für sie sei es zudem bequemer, dass sie ihre Dealer nun risikolos auch mit größeren Mengen Cannabis losschicken könnten. Laut dem neuen Gesetz darf jeder Erwachsene bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis mit sich führen. 

Ein Rückgang des Schwarzmarktes durch die Legalisierung konnte bisher weder von ihm noch seinen Kollegen festgestellt werden, genauso wenig wie die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochene Entlastung der Polizei, sagt der Gewerkschafter. Es ist zwar denkbar, dass in den nächsten Monaten noch mehr Verbraucher die bürokratischen Hürden zur Gründung eines Anbauvereins überwinden werden. Da das Kiffen in der Öffentlichkeit nun für Volljährige erlaubt ist, könnten jedoch weiterhin Touristen und andere Nicht-Einwohner Deutschlands nicht Mitglied einer solchen Vereinigung werden, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Schwarzmarktprodukten führen könnte, glaubt Poitz.

Bundesinnenministerium sieht kein Problem bei OK-Bekämpfung

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betont auf Anfrage, das Ministerium habe sich im Gesetzgebungsverfahren dafür eingesetzt, «dass vor allem Aspekten der Sicherheit, der wirksamen Kriminalitätsbekämpfung und des Jugendschutzes Rechnung getragen wurde». Das Letzteres gelungen ist, bezweifeln allerdings mehr als zwei von drei Bundesbürgern. 

Der Aussage «Ich mache mir in Bezug auf Cannabiskonsum Sorgen um den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen» stimmten 68 Prozent der Teilnehmer der YouGov-Umfrage zu. Lediglich 26 Prozent der Bundesbürger teilen diese Sorge nicht.

Evaluierung der neuen Regelung soll 2025 kommen

Das Bundesinnenministerium erklärt, dass aufgrund der erst seit wenigen Monaten geltenden Rechtslage noch keine endgültigen Auswirkungen auf die Arbeit des Bundeskriminalamts (BKA) festgestellt werden können. Die Folgen des Gesetzes werden jedoch zeitnah in Zusammenarbeit mit dem BKA, der Bundespolizei und den Polizeien der Länder untersucht. Ergebnisse werden voraussichtlich in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres vorliegen – also möglicherweise erst nach der nächsten Bundestagswahl. Das Ministerium betont, dass das rechtliche Instrumentarium zur Bekämpfung des international organisierten Cannabisschmuggels durch die Novelle unverändert bleibt und weiterhin eine effektive Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gewährleistet.

In Paris war Anfang Oktober einen 22-Jähriger festgenommen worden, den Ermittler für eine «Schlüsselfigur» im mutmaßlichen Drogengeschäft halten, das Ausgangspunkt für eine Explosionsserie gewesen sein soll, die in den vergangenen Monaten Köln und andere Orte erschüttert hat. Die Ermittler gehen von Auseinandersetzungen unter Banden aus. Auslöser für die Gewaltspirale soll der Diebstahl einer großen Menge Cannabis aus einer Lagerhalle in Hürth gewesen sein. Auch zwei Geiselnahmen werden dem Komplex zugerechnet.

dpa