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Gipfel in Brüssel: Scholz lehnt EU-Schulden für Rüstung ab

Um Europa effektiv aufzurüsten, braucht es laut Schätzungen eine dreistellige Milliardensumme. Doch die Kassen vieler Staaten sind leer. Bei einem Spitzentreffen kommen Lösungsoptionen auf den Tisch.

Die EU-Führungsspitzen berieten darüber, wie mehr Geld in europäische Rüstung investiert werden kann.
Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei einem EU-Spitzentreffen in Brüssel erneut eine klare Absage erteilt, gemeinsame europäische Schulden für Rüstungsinvestitionen zu machen. Eine solche Perspektive gebe es nicht, sagte der SPD-Politiker in der Nacht zum Dienstag nach den Beratungen. Aufgabe müsse es sein, mehr Flexibilität für die einzelnen Länder zu schaffen.

Schuldengrenzen ausreizen statt neue Schulden aufnehmen?

Scholz spielte auf Überlegungen an, die Obergrenzen für Staatsschulden und Defizite der EU-Länder auszureizen, um sich auf mögliche Bedrohungen durch Staaten wie Russland besser vorzubereiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach dem informellen Gipfel: «Ich bin bereit, die gesamte Bandbreite der uns im neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Verfügung stehenden Spielräume auszuloten und werde sie ausschöpfen, um eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu ermöglichen.»

Von der Leyen betonte, dass die EU-Schuldenregeln die nationalen Haushalte einschränken. Allerdings seien in außergewöhnlichen Zeiten auch außergewöhnliche Maßnahmen möglich. Die Anwendung von Ausnahmeregeln könnte den Mitgliedsstaaten deutlich mehr fiskalischen Spielraum bieten.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt legt fest, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das Defizit unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung gehalten werden. Letztes Jahr wurde der Pakt nach langen Verhandlungen reformiert. Deutschland setzte sich dabei energisch für vergleichsweise strenge Vorgaben ein.

EU-Kommission: Halbe Billion fehlt

Zum Gipfeltreffen in Brüssel lud EU-Ratspräsident António Costa ein, um über potenzielle gemeinsame Initiativen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten und Finanzierungsfragen zu diskutieren. In letzter Zeit hatten sich viele Länder für sogenannte Eurobonds oder andere gemeinsame EU-Finanzierungen ausgesprochen. Deutschland sowie Länder wie die Niederlande und Österreich haben dies jedoch bisher entschieden abgelehnt.

Gemäß Schätzungen der EU-Kommission werden in den kommenden zehn Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe von etwa 500 Milliarden Euro benötigt. Beispiele für mögliche EU-Projekte sind ein europäisches Luftverteidigungssystem und eine verstärkte Sicherung der östlichen Landgrenze der Union.

Bei dem Spitzentreffen wurde auch über eine eventuelle verstärkte Einbindung der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Rüstungsprojekte diskutiert. “Die Kommission möchte mit der EU-Förderbank zusammenarbeiten, um die Kreditvergabe flexibler zu gestalten”, sagte von der Leyen.

Um die Rüstungsproduktion anzukurbeln, hatte die EU bereits im Jahr 2024 zuvor geltende Vorgaben für die EIB geändert, um Geldflüsse in die Industrie zu lenken. Es gibt nun mehr Möglichkeiten für Investitionen in sogenannte Dual-Use-Güter – also Produkte, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können, wie Hubschrauber oder Drohnen.

Wenn die Förderbank jedoch in reine Rüstungsprojekte investieren soll, müssten die 27 Mitgliedsländer einer Änderung des Mandats zustimmen. Kritiker befürchten jedoch, dass das gute Rating der EU-Förderbank durch eine solche Mandatsänderung beeinträchtigt werden könnte. Dies könnte zu höheren Finanzierungskosten führen.

Als drittes Standbein für mehr Geld zur Aufrüstung sollen aus Sicht der EU-Kommission auch mehr private Mittel fließen. «Wir müssen einen Dialog mit dem privaten Bankensektor führen, damit dieser seine Kreditvergabepraxis modernisiert», sagte von der Leyen. Auch aus der Nato waren zuletzt Forderungen nach einem Sinneswandel der Finanzindustrie für mehr Investitionen in Rüstungsunternehmen laut geworden.

Bundeskanzler Scholz betonte außerdem, dass seiner Meinung nach strenge Wettbewerbsregeln gelockert werden könnten, um die Leistung der europäischen Rüstungsindustrie zu verbessern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstrich in Brüssel, dass bei allen zukünftigen Investitionen vorrangig die europäische Industrie profitieren sollte, um die strategische Unabhängigkeit der EU im Verteidigungsbereich zu gewährleisten.

Die Diskussion vom Montag wird dazu beitragen, konkrete Gesetzesplanungen der EU-Kommissionen zu unterstützen, die im März vorgestellt werden sollen. Möglicherweise werden weitreichende Entscheidungen beim EU-Sommergipfel Ende Juni getroffen.

dpa