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Großdemo in Istanbul für inhaftierten Bürgermeister Imamoglu

Die Proteste gegen die Inhaftierung des wichtigsten Erdogan-Rivalen reißen nicht ab – ebenso wie die Festnahmen von Regierungskritikern und Journalisten. Nun steht eine große Kundgebung bevor.

Trotz Repressionen der Staatsgewalt: Die Straßenproteste in der Türkei reißen nicht ab.
Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Die größte türkische Oppositionspartei CHP plant eine Großkundgebung in Istanbul, um die Freilassung ihres inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Ekrem Imamoglu zu fordern. Tausende Menschen werden heute Mittag zu dem geplanten Massenprotest im Stadtteil Maltepe erwartet. Die Demonstranten beschuldigen Präsident Recep Tayyip Erdogan, den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Imamoglu mithilfe der Justiz politisch auszuschalten und sich somit seines wichtigsten Rivalen zu entledigen.

Imamoglu selbst schrieb in einem Gastbeitrag für die «New York Times», unter Erdogan habe sich die Türkei in eine «Republik der Angst» verwandelt. Doch trotz – oder gerade wegen – der Repressionen gegen Regierungskritiker leisteten die Menschen auf den Straßen beharrlich Widerstand. In einer Botschaft auf der Plattform X bedankte er sich bei ihnen und schrieb: «Ich bin auf der Seite unserer jungen Leute und bewundere ihren Mut. Sie sind im Begriff, Geschichte zu schreiben.»

Der 53-Jährige befindet sich derzeit im bekannten Marmara-Gefängnis in Silivri nahe Istanbul in Haft. Der beliebte Oppositionspolitiker wurde am 19. März wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert und später als Bürgermeister der Millionenmetropole abgesetzt. Gleichzeitig laufen Ermittlungen wegen angeblicher Terrorunterstützung gegen ihn.

Imamoglu dankt Demonstranten: «Bewundere ihren Mut»

Seine Verhaftung führte zu landesweiten Protesten, bei denen die Polizei mit Hunderten Festnahmen und teils brutaler Gewalt gegen größtenteils friedliche Demonstranten konfrontiert war. Es wurden keine genauen Zahlen zu verletzten Demonstranten veröffentlicht, die Polizei gab lediglich an, dass mehr als 100 Beamte verletzt wurden.

Die Führung der sozialdemokratischen CHP beabsichtigt, die Proteste fortzusetzen, bis eine vorgezogene Präsidentschaftswahl angesetzt wird oder Imamoglu freigelassen wird. Am Freitag fanden bereits zum zehnten Mal in Folge Demonstrationen in verschiedenen Städten statt. Auch in Istanbul wurde protestiert, wo erneut mehrere Festnahmen stattfanden.

Anwalt Imamoglus festgenommen

Obwohl Demonstrationen an vielen Orten verboten sind, wurde das Protestverbot vom Gouverneursamt in Istanbul aufgehoben. Es gibt jedoch weiterhin Festnahmen. Am Freitag wurde ein Anwalt von Imamoglu wegen angeblicher Geldwäsche vorübergehend festgenommen. Nach einer Ausreisesperre wurde er später freigelassen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Journalisten im Visier

Immer mehr Journalisten werden unter den Festgenommenen gefunden. Am Donnerstag wurde ein BBC-Reporter festgenommen und aus der Türkei abgeschoben, nachdem er laut dem britischen Sender mehrere Tage im Land verbracht hatte, um über die Proteste zu berichten. Die Schilderungen des Journalisten zeigen, dass nicht alle Beamten innerhalb des Polizeiapparats auf Erdogans Linie sind: Während seiner sieben Stunden im Polizeihauptquartier hätten ihm mehrere Beamte gesagt, sie seien mit dem Vorgehen der Behörden nicht einverstanden. Einer habe ihn sogar umarmt und ihm Freiheit gewünscht, schrieb Reporter Mark Lowen auf der BBC-Webseite.

Ebenfalls am Donnerstag wurde ein Mitarbeiter der schwedischen Zeitung «Dagens ETC» laut deren Angaben nach der Landung in Istanbul zum Verhör abgeführt. Wie es mit ihm weitergeht, ist noch unklar. Auch zwei türkische Journalistinnen wurden im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen, wie die Tageszeitung «Evrensel» am Freitag berichtete.

dpa