Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Massenprotest in Jerusalem – Geisel-Angehörige fordern Deal

Israels Armee bereitet die Einnahme der Stadt Gaza vor. Angehörige der Geiseln in der Gewalt der Hamas fürchten das Schlimmste. Der Druck auf Premier Netanjahu zur Beendigung des Kriegs wächst.

Zigtausende Demonstranten in Jerusalem forderten ein Abkommen zur Beendigung des Krieges.
Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges in Gaza laufen auf Hochtouren, da eine Großoffensive der israelischen Armee droht. Vermittlerstaaten wie die USA, Katar und Ägypten planen, diese Woche einen neuen Vorschlag für ein Abkommen vorzulegen, das die Freilassung aller Geiseln und das Ende des Krieges beinhaltet. US-Präsident Donald Trump hat erklärt, dass intensive Verhandlungen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas stattfinden.

Bei einer erneuten Großdemonstration vor der Residenz des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem forderten am Abend zigtausende Menschen den Regierungschef auf, einen Deal mit der Hamas einzugehen. Die «Times of Israel» schätzte die Zahl der Teilnehmer auf Zehntausende. Es sei eine der bisher größten Protestkundgebungen in Jerusalem im Zusammenhang mit Forderungen nach einem Gaza-Abkommen.

Demonstranten fordern sofortige Verhandlungen

Die Hamas erklärte am Abend, sie sei offen «gegenüber jeglichen Ideen und Vorschlägen», die zu einem dauerhaften Waffenstillstand, einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, der Einfuhr von Hilfsgütern und dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führten. Zugleich bekräftigten die Islamisten ihre Zustimmung zu einem Vorschlag der Vermittler für eine Waffenruhe. Das Forum der Familien der in Gaza festgehaltenen Geiseln beklagte, drei Wochen seien vergangen, ohne dass Israel bisher auf die Antwort der Hamas an die Vermittler reagiert habe.

In einer Erklärung forderte das Forum am Abend die Regierung von Netanjahu auf, den derzeit vorliegenden Vorschlag anzunehmen, auf den die Hamas bereits positiv reagiert hat, und sofort Verhandlungen über ein umfassendes Abkommen zur Rückkehr aller Geiseln aufzunehmen. Der Vorschlag sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor, während der zunächst zehn lebende Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freikommen.

Netanjahu beharrt auf Bedingungen für Kriegsende

Netanjahu besteht jedoch mittlerweile auf einem umfassenden Deal, bei dem alle Geiseln auf einmal freigelassen werden. Nach israelischen Angaben sind von den 48 Geiseln in Gaza noch 20 am Leben. Es ist auch nicht klar, ob die Hamas bereit wäre, alle verbliebenen Geiseln auf einmal freizulassen, wie es in der Erklärung der Islamisten vom Samstagabend heißt.

Darüber hinaus besteht Netanjahu darauf, dass die Hamas kapituliert und entwaffnet – was sie ablehnt. Netanjahu möchte auch, dass Israel die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behält, während die Hamas erneut den vollständigen Abzug der israelischen Truppen forderte. Kritiker werfen Netanjahu vor, den Krieg unnötig in die Länge zu ziehen. Seine rechtsextremen Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, sind gegen eine Waffenruhe.

«Der persönliche Überlebensinstinkt des Ministerpräsidenten darf nicht über die Notwendigkeit gestellt werden, alle Geiseln zurückzuholen und unnötige Todesfälle als Teil eines endlosen Krieges zu verhindern, dessen Zweck darin besteht, die Koalition zu erhalten», hieß es in der Erklärung des Forums der Geiselfamilien. Angehörige der Geiseln befürchten, dass die geplante militärische Einnahme der Stadt Gaza das Leben der Verschleppten gefährdet.

Geiselfamilien fürchten das Schlimmste

Die Familien der entführten Geiseln Guy Gilboa-Dalal und Alon Ohel, der auch deutscher Staatsbürger ist, glauben laut einem Bericht des Senders Channel 12, dass die beiden vor der geplanten Einnahme der Stadt Gaza dorthin gebracht wurden. Die Hamas veröffentlichte am Freitag ein Video, in dem die beiden zu sehen sind. Gilboa-Dalal sagt darin in einem Auto sitzend, dass er sich in der Stadt Gaza befindet. In der Gegend werden weitere Geiseln festgehalten. Diese sollten laut ihren Entführern während der geplanten israelischen Offensive dort bleiben, wie der junge Mann berichtet.

Unter welchen Umständen das Video entstand und ob der Mann aus freien Stücken oder unter Drohungen sprach, war zunächst unklar. Die Aufnahme soll von Ende August stammen. Der israelische Sender Kan will unterdessen aus dem Umfeld von Regierungschef Netanjahu erfahren haben, dass Israel bereit sei, von der Einnahme der Stadt im Norden des Küstenstreifens zugunsten eines «echten Abkommens» abzusehen. Ein solches liege aber derzeit nicht vor.

Israels Armee weist «humanitäre Zone» aus

In den vergangenen Tagen hat das israelische Militär seine Luftangriffe auf die dicht besiedelte Stadt verstärkt. Es wird geschätzt, dass sich dort fast eine Million Menschen aufhalten. Vor der erwarteten Großoffensive in der Stadt hat die israelische Armee ein Küstengebiet im südlichen Gazastreifen als sogenannte humanitäre Zone ausgewiesen. Ein arabischsprachiger Armeesprecher teilte mit, dass das Gebiet von Al-Mawasi nahe Chan Junis über wichtige humanitäre Infrastruktur wie Feldkrankenhäuser, Wasserleitungen und Entsalzungsanlagen verfügt.

Er forderte die Bewohner der Stadt Gaza auf, sich möglichst bald in das Areal zu begeben. Bislang haben weniger als 100.000 Menschen die Stadt verlassen. Israel hatte Al-Mawasi bereits im Dezember 2023 zur «humanitären Zone» erklärt. Die dortigen Zeltlager gelten schon jetzt als hoffnungslos überfüllt.

dpa