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Großdemonstration in Israel für Geisel-Befreiung

Der Krieg im Gazastreifen dauert seit fast zwei Jahren. Noch immer werden dort israelische Geiseln festgehalten. Der Druck auf Israels Premier zur Beendigung des Kriegs nimmt auch im eigenen Land zu.

Bei einer Demonstration in Israel haben nach Angaben der Organisatoren Hunderttausende Menschen ein Ende des Gaza-Krieges und die Freilassung der Geiseln gefordert.
Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Bei einer Großdemonstration in Israel haben nach Angaben der Organisatoren Hunderttausende Menschen ein Ende des Gaza-Krieges und die Freilassung der Geiseln gefordert. Die mehr als 350.000 Teilnehmer der Kundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv hätten eine klare Botschaft, hieß es am Abend: «Die Regierung (von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu) muss das derzeit auf dem Tisch liegende Abkommen unterzeichnen. Die ganze Nation fordert ein Ende des Krieges und die Rückkehr aller Geiseln.» 

Vor etwa einer Woche hatte die islamistische Terrororganisation Hamas erklärt, dass sie einem neuen Vorschlag der Vermittlerstaaten Ägypten und Katar für eine Waffenruhe zugestimmt habe, der auch die Freilassung einiger Geiseln vorsieht. Israels politische Führung hat bisher nicht auf den Vorschlag reagiert. Auch bei einer erneuten Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts zur Genehmigung der militärischen Einsatzpläne zur Eroberung der Stadt Gaza wurde der Vorschlag für eine Waffenruhe laut israelischen Medien nicht diskutiert.

US-Gesandter kündigt Sitzung im Weißen Haus zu Gaza an 

Der US-Sondergesandte Steve Witkoff kündigte derweil im US-Sender Fox News für heute eine «große Sitzung» im Weißen Haus unter Leitung von US-Präsident Donald Trump an, bei der ein «umfassender Plan» zur Verwaltung des Gazastreifens nach dem Krieg erörtert werden solle. Einzelheiten nannte Witkoff dazu nicht. Man glaube, den Konflikt vor Jahresende beilegen zu können.

Unterdessen legte die israelische Armee erste Ergebnisse einer Untersuchung zum Angriff auf das Nasser-Krankenhaus im südlichen Gazastreifen vor, bei dem nach palästinensischen Angaben 20 Menschen getötet wurden, darunter fünf Journalisten. Laut der Armee hatte der Angriff die Zerstörung einer von der Hamas installierten Überwachungskamera zum Ziel. Die Kamera sei auf dem Gelände der Klinik platziert worden, um israelische Truppen zu beobachten und letztlich terroristische Aktivitäten gegen sie zu verüben, hieß es. Die Truppen hätten die Kamera zerstört und so die «Bedrohung» beseitigt, sagte die Armee.

Armee will noch offene Fragen klären

Laut vorläufiger Untersuchung der israelischen Armee ist nicht bekannt, welche Munition bei dem Angriff verwendet wurde. Berichten zufolge sollen Panzergeschosse eingesetzt worden sein. Zeugen berichteten, dass es zunächst einen Angriff auf den vierten Stock des Empfangsgebäudes des Krankenhauses in Chan Junis gab, in dem sich die Journalisten befanden. Als Sanitäter und Zivilschutzmitarbeiter zur Rettung eilten, erfolgte ein weiterer Angriff auf das Gelände.

Gemäß der Mitteilung ordnete Israels Generalstabschef Ejal Zamir an, mehrere offene Punkte weiter zu untersuchen – darunter den Prozess der Genehmigung des Angriffs sowie der eingesetzten Munition. Die Empörung über den Vorfall in Chan Junis war international groß. Einige der getöteten Journalisten arbeiteten für internationale Medien. Den palästinensischen Angaben zufolge kamen bei dem Angriff auch Sanitäter zu Tode. Zamir äußerte Bedauern über zivile Opfer. Israels Armee richte ihre Einsätze ausschließlich gegen militärische Ziele.

Laut dem israelischen Militär hat die Hamas seit Beginn des Gaza-Krieges vor fast zwei Jahren das Nasser-Krankenhaus für ihre terroristischen Aktivitäten genutzt. Es wurde festgestellt, dass sechs der bei dem Angriff getöteten Personen Terroristen waren, von denen einer angeblich am Überfall vom 7. Oktober 2023 auf Israel beteiligt war. Diese Informationen konnten nicht unabhängig überprüft werden. Bei dem Überfall wurden rund 1.200 Menschen von Hamas-Terroristen und anderen islamistischen Gruppen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln nach Gaza gebracht.

Demonstranten: Netanjahu sabotiert Geiselabkommen 

Das Forum der Geisel-Angehörigen hatte für Dienstag unter dem Motto «Israel steht zusammen» einen landesweiten Protesttag ausgerufen, um auf die Situation der Geiseln aufmerksam zu machen. Bereits tagsüber kam es zu Demonstrationen und Straßenblockaden. Die Organisatoren werfen dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu vor, den Krieg aus politischen Gründen zu verlängern und ein Abkommen für deren Befreiung zu sabotieren. «Ich möchte meinen Sohn nicht in einem Leichensack zurückbekommen», sagte Ofir Braslavski, dessen Sohn Rom am 7. Oktober 2023 entführt worden war.

Terroristen hatten vor kurzem ein Propaganda-Video veröffentlicht, in dem Rom, der auch deutscher Staatsbürger ist, abgemagert und ausgezehrt zu sehen war. «Seitdem ist ein Monat vergangen, und nichts wird getan», sagte Braslavski. Regierungschef Netanjahu zeigte sich laut Medienberichten zuletzt nur zu einem umfassenden Abkommen bereit, also einer Vereinbarung, die die Freilassung aller Geiseln auf einmal vorsieht und den Krieg zu Israels Bedingungen beendet. Eine Waffenruhe, während der nur ein Teil der Geiseln freikäme, soll er – auch unter dem Druck seiner ultrarechten Koalitionspartner – nicht mehr anstreben.

Bei der neuen Sitzung des Sicherheitsrats hat Netanjahu auch diese Position deutlich gemacht, wie in Berichten erwähnt wurde. Er beharrt auf einem umfassenden Abkommen und treibt die Pläne zur Einnahme der Stadt Gaza voran, um die Hamas unter Druck zu setzen, Israels Forderungen zu erfüllen. Dazu gehört die Entwaffnung und Entfernung der Hamas als militärische und regierende Kraft sowie Israels Sicherheitskontrolle über Gaza. Es wird berichtet, dass für Sonntag eine weitere Sitzung des Sicherheitskabinetts geplant ist.

Alabali Radovan trifft in Israel Geisel-Angehörige 

Die Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan plant heute am zweiten Tag ihrer Nahost-Reise in Israel mit den Geiseln zu sprechen. Es werden insgesamt noch 50 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, von denen 20 am Leben sein sollen. Darüber hinaus möchte sich die SPD-Politikerin über die Situation der Christen in den Palästinensergebieten informieren. Ein geplantes Treffen hat die Ministerin unter anderem mit Kardinal Pierbattista Pizzaballa, dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Im Juli hatte er den Gazastreifen besucht, nachdem die israelische Armee eine katholische Kirche angegriffen hatte.

dpa