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Stichwahl in Polen: Marsch der Patrioten gegen Marsch für Polen

Kundgebungen motivieren Anhänger und beeindrucken Unentschiedene. Polens Zukunft hängt von der Wahl ab.

Der liberale Kandidat Trzaskowski (links) und sein nationalkonservativer Rivale Nawrocki treten am kommenden Sonntag in der Stichwahl gegeneinander an. (Archivbild)
Foto: Pawel Supernak/PAP/dpa

Eine Woche vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen setzen beide Kandidaten auf ein öffentliches Kräftemessen. Wer bringt heute in Warschau die meisten Menschen auf die Straße? Der liberale Bewerber Rafal Trzaskowski hat zum «Marsch der Patrioten» aufgerufen. Zeitgleich bittet sein Rivale Karol Nawrocki von der nationalkonservativen PiS zum «Marsch für Polen». 

Die Kundgebungen sollen die eigenen Anhänger motivieren – und die Unentschiedenen beeindrucken. Das zumindest ist die Hoffnung der beiden Lager, denn laut Umfragen steht es Spitz auf Knopf: Sowohl Trzaskowski als auch Nawrocki können bei der Abstimmung am kommenden Sonntag mit 47 Prozent der Stimmen rechnen.

Wahlausgang auch für Deutschland wichtig

Das Ergebnis der Wahl wird den weiteren Kurs Polens maßgeblich bestimmen – mit Auswirkungen für Deutschland und Europa. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Polen an politischem Gewicht gewonnen. Dies wurde kürzlich auch bei der Reise nach Kiew von Regierungschef Donald Tusk gemeinsam mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer deutlich.

Tusk benötigt den Sieg seines Kandidaten Trzaskowski, um seine Reformpolitik umzusetzen und den von der PiS beschädigten Rechtsstaat wiederherzustellen. Der bisherige Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, hat die meisten Gesetzentwürfe der Regierung von Tusk mit seinem Vetorecht blockiert. Wenn Nawrocki das neue Staatsoberhaupt wird, wird er wahrscheinlich diese Blockadepolitik fortsetzen. Tusks Mitte-Links-Bündnis verfügt nicht über die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, um das Veto des Präsidenten aufzuheben.

Buhlen um die rechtsextremen Wähler

Nawrocki schaut scharf nach rechts. Denn dort gibt es für den 42-jährigen Kandidaten der PiS die meisten Wähler zu gewinnen. Die erste Wahlrunde zeigte einen überraschend hohen Zuspruch für zwei rechtsextreme Kandidaten. Der 38-jährige Unternehmer Slawomir Mentzen, der mit einem MAGA-ähnlichen Programm («Make America Great Again» war der Wahlkampf-Slogan von US-Präsident Donald Trump) vor allem bei jungen Männern punktete, erhielt fast 15 Prozent der Stimmen. Der Antisemit Grzegorz Braun erzielte mehr als sechs Prozent.

Beide sind zwar aus dem Rennen ausgeschieden. Aber Mentzen will nun eine entscheidende Rolle spielen. Er hat Nawrocki und Trzaskowski jeweils in seine Youtube-Show eingeladen und ihnen seinen Acht-Punkte-Plan zur Unterschrift vorgelegt. Davon lässt er seine Wahlempfehlung abhängen.

Eine Stunde lang wurden die Zuschauer Zeugen, wie der 42-jährige promovierte Historiker Nawrocki sich Mentzen unverhohlen anbiederte, diesen beständig mit «Herr Doktor» anredete und auf sein Geheiß die christsozialen Aspekte der PiS-Politik von rechts kritisierte. «Die Herren fraßen sich fast gegenseitig aus dem Schnabel», schrieb das Magazin «Polityka». 

Am Schluss unterzeichnete Nawrocki Mentzens Acht-Punkte-Plan. Darin verpflichtet er sich unter anderem, kein Gesetz zu unterzeichnen, das den Beitritt der Ukraine zur Nato ratifiziert, die nationale Währung Zloty zu verteidigen und keine Kompetenzen der polnischen Regierung an Brüssel abzugeben.

Trzaskowski will Acht-Punkte-Plan nicht unterschreiben

Mit seinem Gast Trzaskowski hatte der Rechtsextremist Mentzen mehr zu tun. Der 54-jährige Warschauer Oberbürgermeister, der auch Erfahrung im Europäischen Parlament und als Minister gesammelt hat, zeigte seine außen- und europapolitische Kompetenz und widerlegte die Argumente Mentzens. Am Ende verweigerte er die Unterschrift unter dessen Acht-Punkte-Plan.

Es komme für ihn nicht infrage, die Perspektive eines Nato-Beitritts der Ukraine abzuschreiben, sagte Trzaskowski: «Putin versteht nur die Sprache der Stärke. Wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien bekommt, sind wir als nächstens dran.» Auf die Unterstützung der Mehrheit von Mentzens Wählern wird Trzaskowski bei der Stichwahl nun wohl verzichten müssen.

dpa