Keine sechs Stunden dauert es, dann ist das Bundestagswahl-Programm der Grünen beschlossen. Die Delegierten der Partei, die normalerweise für harte, lange Debatten bekannt ist, können es kaum glauben.
Grüne wollen Böllerverbot und 15 Euro Mindestlohn

Mit harscher Kritik und bisweilen verzweifelt klingenden Appellen in Richtung Union haben die Grünen die Schlussphase ihres Bundestagswahlkampfes eingeleitet. Der Parteivorsitzende, Felix Banaszak, sagte an die Adresse des Unions-Kanzlerkandidaten, Friedrich Merz (CDU): «Herr Merz, stellen Sie klar, wo Sie, wo die Union steht!» CDU und CSU dürften nicht dem Beispiel der konservativen österreichischen ÖVP folgen, die aktuell Koalitionsgespräche mit der rechtspopulistischen FPÖ führt.
Habeck warnte Merz davor, eine Mehrheit im Bundestag mit Hilfe der AfD anstreben zu wollen. «Nichts daran ist harmlos», warnte Habeck. «Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun.» Er betonte: «Wenn man das korrigieren will, dann aber schnell.» Sonst bestehe der Verdacht, dass in Deutschland das passieren könnte, was in Österreich geschehen war.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sagte, die Parteitagsreden zeigten, dass Habeck und die Seinen von ihrer «migrationspolitischen Totalblockade» nicht abrücken wollten. «Das war’s dann wohl mit einer möglichen Regierungstauglichkeit der Grünen.»
Die Union will als Reaktion auf die Bluttat in einem Park in Aschaffenburg in der anstehenden Bundestagswoche zwei Anträge zu Fragen der Migration und der Inneren Sicherheit vorlegen. Sie sehen unter anderem mehr Befugnisse für die Bundespolizei und ein faktisches Einreiseverbot für Menschen vor, die keine gültigen Einreisedokumente haben und nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig sei, solle «unmittelbar in Haft genommen werden». Zudem soll das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder verschärft werden. Ein 28 Jahre alter Afghane soll am Mittwoch einen zweijährigen Jungen und einen einschreitenden Mann getötet haben. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Programm für Bundestagswahl verabschiedet
Der Grund für die Parteitag war die Verabschiedung des Programms für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar, das nun in seiner endgültigen Form beschlossen wurde – von Böllerverbot bis Verteidigung.
Die Grünen wollen für neue Ehen eine individuelle Besteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen, um das Ehegattensplitting zu ersetzen. Für bereits verheiratete Paare soll sich jedoch nichts ändern, es sei denn, sie entscheiden sich freiwillig für das neue Modell. Das Ehegattensplitting beinhaltet die gemeinsame Versteuerung des Einkommens beider Ehepartner. Es ist vor allem steuerlich vorteilhaft, wenn ein Partner – oft die Frau – deutlich weniger verdient als der andere. Kritiker argumentieren, dass dies Anreize schafft, dass ein Partner weniger oder gar nicht erwerbstätig ist, was langfristig zu geringeren Rentenansprüchen führt.
Die Grünen befürworten ein ganzjähriges und bundesweites Verbot von Feuerwerksverkäufen sowie eine Erweiterung der Spielräume für die Länder in Bezug auf Verbots- und Erlaubniszonen.
Ein Vorschlag für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen wurde abgelehnt. Stattdessen wird vorgeschlagen, dass Kommunen mehr Möglichkeiten zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen erhalten.
Die Grünen wollen die Schuldenbremse lockern, um staatliche Investitionen zu ermöglichen und der Konjunktur eine Rolle zu geben.
Investitionsfonds: Mit einem «Deutschland-Fonds» will die Partei längerfristige Investitionen in Straßen und Brücken, die Schieneninfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr ermöglichen.
Öffentlich-rechtliche Sender: Ein Antrag mit der Forderung nach einer öffentlich-rechtlichen – und damit gebührenfinanzierten – Alternative zu sozialen Netzwerken wie Facebook oder X schaffte es nicht ins Programm. Allerdings verabschiedeten die Delegierten ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zu «einer auskömmlichen Finanzierung». Die Partei unterstützt eine Plattform, die länderübergreifend öffentlich-rechtliche Informationsangebote zusammenführt und zugänglich macht.
Die Grünen bestehen darauf, dass der Mindestlohn bis zum Jahr 2025 schrittweise auf 15 Euro erhöht wird, wobei dies auch für Personen unter 18 Jahren gelten soll. Der gesetzliche Mindestlohn stieg zum 1. Januar von 12,41 auf 12,82 Euro pro Stunde.
Migration: Im Vorfeld sei darüber durchaus «herzhaft gestritten» worden, berichtet eine Delegierte. Auf dem Parteitag bleibt es dagegen friedlich. Die Grünen bekennen sich zu Deutschland als Einwanderungsland, betonen aber gleichzeitig, dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, das Land auch wieder verlassen müssten.
Verteidigung: In Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit sollen «dauerhaft deutlich mehr als zwei Prozent» fließen.
Der Antrag für die Rente mit 63 Jahren wurde abgelehnt. Ebenso wurde der Vorschlag für einen höheren Spitzensteuersatz abgelehnt.