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Gutachten: Reformtempo in der Migrationspolitik ist zu hoch

Einmal pro Jahr analysiert ein Sachverständigenrat die Wirkung von Gesetzen, die Migrationsfragen, Asylgesetze und Integrationsmaßnahmen regeln. Sein aktueller Rat: Überfordert die Verwaltung nicht!

Für die Bundespolizei gab es vergangene Woche neue Anweisungen, was die Grenzkontrollen und die Zurückweisung auch von Asylsuchenden betrifft. (Archivfoto)
Foto: Peter Kneffel/dpa

Die neue Bundesregierung sollte aus Sicht des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) bei der Reform der Gesetzgebung zu Migration, Staatsangehörigkeit und Asyl nicht zu viel Tempo vorlegen. Häufige Gesetzesänderungen stellten hohe Anforderungen an die Verwaltung, «die bei der Schulung des Personals mit den Veränderungen kaum Schritt halten kann», heißt es im aktuellen SVR-Jahresgutachten. 

Dies würde die Gefahr erhöhen, dass Gesetze letztendlich nur langsam und ineffizient umgesetzt würden. Darüber hinaus erschwert ein zu schnelles Tempo in der Gesetzgebung die Beurteilung der Wirksamkeit von Reformen.

Verständnis für Politikerinnen und Politiker

Der Rat erkenne an, dass die Politik besonders in Zeiten eines dynamischen Migrationsgeschehens Handlungsfähigkeit beweisen müsse. «Er weist aber zugleich darauf hin, dass Bürgerinnen und Bürger die Reaktionsfähigkeit von Politik nicht allein daran bemessen, ob der Bund Gesetze erlässt», ist im Gutachten nachzulesen. 

Neue Praxis an der Grenze 

Die CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass keine neuen freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme für besonders Schutzbedürftige eingeführt werden. Es wird mindestens zwei Jahre lang keinen Familiennachzug für Personen mit eingeschränktem Schutzstatus geben.

In Übereinstimmung mit den europäischen Nachbarn sollen auch an den deutschen Landgrenzen Asylsuchende zurückgewiesen werden. Die Anweisung an die Bundespolizei erging am vergangenen Mittwoch vom Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).

Die von der Union als «Turbo-Einbürgerung» genannte Einbürgerung von besonders gut integrierten Ausländern bereits nach drei Jahren soll es demnächst nicht mehr geben.

Lange Wartezeiten auf Weg zum deutschen Pass 

Die Experten sind der Ansicht, dass Verbesserungen in der Verwaltung erforderlich sind, um die Ziele der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu erreichen, die von der Ampel-Koalition beschlossen wurde. Die Wartezeit für die Einbürgerung wurde von acht auf fünf Jahre verkürzt und der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger wurde allgemein zugelassen. Dennoch sind die Wartezeiten für den deutschen Pass immer noch sehr lang, da die Einbürgerungsbehörden bereits vor der Reform vielerorts überlastet waren. Um Unsicherheiten bei der Anwendung des neuen Rechts zu verringern und eine möglichst einheitliche Umsetzung sicherzustellen, sollte der Bund eine seit 2001 geltende Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht überarbeiten, so der SVR.

Im Jahr 2023 war die Anzahl der Menschen, die durch Einbürgerung Deutsche wurden, mit etwa 194.000 Einbürgerungen so hoch wie nie zuvor. Laut Informationen der Landesbehörden hat dieser Trend im Jahr 2024 weiter zugenommen, was nicht nur auf die Reform zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass viele syrische Flüchtlinge, die zwischen 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, mittlerweile die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen.

Aufwand und Hürden für ausländische Fachkräfte zu hoch

Um in Zukunft mehr Fachkräfte nach Deutschland zu locken, ist es nach Ansicht des SVR nicht vorrangig notwendig, neue Gesetze zu verabschieden. Stattdessen sollten organisatorische Änderungen vorgenommen werden, um die langwierigen und komplizierten Verfahren zu verkürzen. Insbesondere sollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusätzliche Aufgaben übernehmen, um die Ausländerbehörden zu entlasten.

Der Rat empfiehlt, Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, indem sie systematisch von einer temporären Assistenzposition über berufsbegleitende Qualifizierungen in eine qualifizierte Tätigkeit geführt werden. Um dies zu erreichen, sollten Integrationskurse mit zuverlässiger Kinderbetreuung und in Teilzeit angeboten werden, damit die Teilnehmer parallel arbeiten können. Dies könnte insbesondere bei Geflüchteten aus der Ukraine zu einer höheren Erwerbstätigenquote führen, so der SVR.

Nutzung des Ausländerzentralregisters

Ein bestehendes Problem aus Sicht der Experten ist die Art und Weise, wie die Behörden von Bund und Ländern das Ausländerzentralregister (AZR) nutzen oder nicht nutzen. Daten, die von den Ausländerbehörden vor Ort erhoben werden, werden nicht immer automatisch ins AZR übertragen, was zu zusätzlicher Arbeit für die Verwaltungsmitarbeiter führt, die dies dann manuell erledigen müssen.

Zudem müssten die Ausländerbehörden einen Abruf von Daten aus dem AZR jeweils dokumentieren und begründen – «dies macht die Arbeit mit dem AZR zusätzlich unattraktiv», schlussfolgern die Autoren des Gutachtens.

dpa