Der Internationale Strafgerichtshof erließ Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg. Die Reaktionen aus verschiedenen Ländern sind gespalten.
Haftbefehl gegen Netanjahu spaltet die Welt
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sorgt für Uneinigkeit in der Welt. Während der Iran und die Palästinensische Autonomiebehörde den Beschluss des Gerichts in Den Haag begrüßen, wird der Haftbefehl von mehreren Verbündeten Israels – insbesondere den USA – kritisiert. Die Bundesregierung hat sich zunächst nicht geäußert, da sie in einer schwierigen Situation ist: Einerseits unterstützt sie Israels Recht auf Selbstverteidigung nach dem Terroranschlag der Hamas vor gut einem Jahr, andererseits befürwortet sie stets ein starkes internationales Rechtssystem mit verbindlichen Regeln.
Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Netanjahu und den erst kürzlich entlassenen israelischen Verteidigungsminister Joav Galant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg erlassen. Ebenso wurde ein Haftbefehl gegen einen Anführer der Terrororganisation Hamas – Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri, bekannt als Deif – in Den Haag ausgestellt. Er soll in das Massaker mit rund 1.200 Toten vor über einem Jahr in Israel verwickelt sein, das den Gaza-Krieg auslöste. Es ist jedoch unklar, ob der von der israelischen Armee für tot erklärte Hamas-Kommandeur noch am Leben ist. Die Hamas hat seinen angeblichen Tod nie bestätigt.
USA: «Wir werden immer an der Seite Israels stehen»
US-Präsident Joe Biden kritisierte die internationalen Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant. «Die Ausstellung von Haftbefehlen durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen israelische Politiker ist empörend», wurde Biden in einer Mitteilung des Weißen Hauses zitiert. Die USA erkennen wie Israel den Internationalen Strafgerichtshof grundsätzlich nicht an.
«Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Was auch immer der Internationale Strafgerichtshof andeuten mag, Israel und die Hamas sind nicht gleichwertig – überhaupt nicht», sagte Biden. «Wir werden immer an der Seite Israels stehen, wenn seine Sicherheit bedroht ist.» Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, die USA würden keinen Haftbefehl vollstrecken.
Kritik an dem Haftbefehl kam auch aus anderen Ländern. «Israel ist brutalen Aggressionen, unmenschlichen Geiselnahmen und wahllosen Angriffen auf seine Bevölkerung ausgesetzt. Die legitime Verteidigung einer Nation zu kriminalisieren und gleichzeitig diese Gräueltaten auszublenden, ist ein Akt, der den Geist der internationalen Gerechtigkeit verfälscht», schrieb der argentinische Präsident Javier Milei auf X. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete die Haftbefehle als «schändlich und absurd», Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg nannte sie «unverständlich und nicht nachvollziehbar».
Iran und Palästinenser feiern Haftbefehle
Der Iran begrüßte die Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant hingegen. «Das ist lobenswert, nur müssen die USA und die Europäer die Haftbefehle auch respektieren und umsetzen», sagte der außenpolitische Berater des geistigen Führers Ayatollah Ali Chamenei, Kamal Charrasi. Die Entscheidung des Gerichts in Den Haag sei auch beschämend für den Westen, der Israels Handeln im Gazastreifen und im Libanon uneingeschränkt unterstützt habe. Die Hamas bezeichnete die Entscheidung als «wichtigen historischen Präzedenzfall und eine Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk.»
Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland lobte die internationalen Haftbefehle. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs stelle das Vertrauen in das Völkerrecht und UN-Organisationen wieder her, hieß es in einer Mitteilung der Behörde, die die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichte. Die PA forderte laut der Mitteilung alle Mitgliedsstaaten des Gerichtshofes, zu denen auch Deutschland zählt, auf, «die Entscheidung des Gerichts umzusetzen und Verbrecher vor Gericht zu bringen».
Haftbefehl könnte Netanjahus Reisefreiheit empfindlich einschränken
Die Regierungen der Niederlande und Kanadas haben jedoch angedeutet, dass die Haftbefehle in ihren Ländern ebenfalls vollstreckt würden. Wenn andere Länder ähnlich handeln würden, könnte dies die Reisefreiheit des israelischen Regierungschefs erheblich beeinträchtigen.
Israels Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara reagierte wie viele Landsleute empört. «An diesem Tag muss das Offensichtliche gesagt werden: Dem Internationalen Strafgerichtshof fehlt jegliche Autorität in dieser Angelegenheit», zitierte die Zeitung «The Times of Israel» aus einer Mitteilung. Selbst Netanjahus innenpolitische Gegner verurteilten die Den Haager Beschlüsse. Ex-Verteidigungsminister Galant schrieb auf der Plattform X, die Haftbefehle gegen ihn und den Ministerpräsidenten schafften «einen gefährlichen Präzedenzfall gegen das Recht auf Selbstverteidigung».
EU: Haftbefehl gegen Netanjahu für EU-Staaten bindend
EU-Chefdiplomat Josep Borrell bezeichnete den internationalen Haftbefehl gegen Netanjahu als bindend für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs seien die EU-Länder verpflichtet, die gegen Netanjahu, Galant und Deif verhängten Haftbefehle umzusetzen, sagte er während eines Besuchs in der jordanischen Hauptstadt Amman. Es handle sich nicht um eine politische Entscheidung, sondern um einen Gerichtsbeschluss, betonte der Spanier. «Die Entscheidung des Gerichtshofs muss respektiert und umgesetzt werden.»