Während weltweit Millionen Menschen ausgelassen in das neue Jahr hineinfeiern, heulen in Israel wieder die Warnsirenen. 15 Monate Krieg haben im Gazastreifen verheerende Zerstörungen verursacht.
Hamas feuert in Neujahrsnacht Raketen auf Israel
Die islamistische Hamas hat auch in der Neujahrsnacht erneut Raketen aus dem umkämpften Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Zwei Geschosse wurden um Mitternacht aus dem Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets auf die südisraelische Stadt Netiwot abgefeuert, teilte Israels Armee mit. Eine Rakete wurde abgefangen, die andere schlug in offenem Gebiet ein. Es gab keine Berichte über Verletzte. Die Hamas hat sich zu dem Raketenangriff bekannt.
Wegen des Angriffs heulten einmal mehr die Warnsirenen in Israel. Kurz darauf wurden die Bewohner des Gebiets, von wo aus die Raketen abgefeuert worden waren, von einem israelischen Militärsprecher über die Onlineplattform X auf Arabisch aufgefordert, sich wegen eines erwarteten Gegenangriffs «sofort» in die örtliche Humanitäre Zone zu begeben.
Die israelische Armee führt weiterhin intensive Operationen gegen die Hamas im nördlichen Gazastreifen durch. In den letzten Tagen haben auch von dort aus militante Palästinenser wiederholt Raketen auf israelisches Grenzgebiet abgefeuert.
Israel: Hamas-Kommandeur im Gazastreifen getötet
Israels Armee gab derweil die Tötung eines Kommandeurs der Hamas bekannt, der führend am Terrorangriff auf Israels Grenzorte am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein soll. Der Kommandeur der Hamas-Eliteeinheit «Nuchba» in Chan Junis im Süden Gazas sei in der dortigen Humanitären Zone getötet worden. Er war demnach einer der Anführer des Überfalls auf den Kibbuz Nir Oz, wo die Terroristen an jenem 7. Oktober besonders schlimme Gräueltaten verübt hatten.
Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen hatten bei dem Massaker mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Der beispiellose Überfall löste den Gaza-Krieg aus. Vor dem Drohnenangriff auf den Kommandeur in Chan Junis seien Maßnahmen ergriffen worden, um Schaden für Zivilisten zu begrenzen, erklärte Israels Armee. Ihre Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
UN fordert Untersuchung zu Angriffen auf Kliniken
Israels Militär greift bei seinem Vorgehen gegen die Hamas immer wieder auch Krankenhäuser in Gaza an und begründet dies damit, dass sich dort Stellungen, Waffenlager und Kämpfer der Islamisten befinden. Israel hat bisher jedoch keine überzeugenden Beweise vorgelegt, wie es in einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros in Genf heißt.
Das israelische Militär betont jedoch, dass nach der Eroberung des größten Krankenhauses im Gazastreifen, des Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza, direkt unter dem Gebäude Bunker und Tunnel der Hamas entdeckt wurden. Dies wurde auch durch entsprechende Videos und Fotos öffentlich dokumentiert. Die Hamas habe Teile des Krankenhauses jahrelang als Rückzugsort und Waffenlager genutzt.
Das UN-Menschenrechtsbüro hat betont, dass gezielte Angriffe auf nicht militärisch genutzte Kliniken und unverhältnismäßige Angriffe auf Zivilisten Kriegsverbrechen sind. Sollte dies Teil einer systematischen Attacke gegen die Zivilbevölkerung sein, könnte es als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden.
Volker Türk, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, hat eine unabhängige und gründliche Untersuchung der israelischen Angriffe gefordert. «Als ob die unerbittlichen Bombenangriffe und die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen nicht genug wären, wurde der einzige Zufluchtsort, in dem sich die Palästinenser sicher fühlen sollten, zu einer Todesfalle», sagte er in Genf.
UN-Palästinenserhilfswerk beklagt Hunderte Tote
Seit Beginn des Krieges wurden laut dem Leiter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, mindestens 745 Menschen in den Unterkünften der Organisation getötet. Über 2.200 weitere wurden verletzt, wie er auf X schrieb. Es gab fast 650 Angriffe auf Gebäude und Einrichtungen von UNRWA. Mehr als zwei Drittel der Gebäude des Hilfswerks wurden beschädigt oder zerstört. 258 Mitarbeiter wurden getötet, mindestens 20 befinden sich in israelischen Gefängnissen.
Israel hat seit einiger Zeit behauptet, dass die UNRWA von der Hamas unterwandert sei. Ende Oktober verabschiedete das israelische Parlament ein Gesetz, das dem Hilfswerk die Arbeit auf israelischem Staatsgebiet verbietet. Dieses Verbot soll Ende dieses Monats in Kraft treten. Das bedeutet, dass die Einsätze des Hilfswerks in den Palästinensergebieten künftig kaum fortgesetzt werden können, da Israel die Grenzübergänge kontrolliert.
Lage der Menschen in Gaza katastrophal
Laut UN-Angaben müssen fast eine Million Menschen im Gazastreifen die Wintermonate ohne angemessene Unterkunft verbringen. Auch in der Neujahrsnacht lagen die Temperaturen nachts teils unter zehn Grad. Hilfsorganisationen warnen vor den prekären Lebensumständen bei niedrigeren Temperaturen und einem Anstieg von Krankheiten bei Kindern. Es gab Berichte über Todesfälle von Säuglingen wegen Unterkühlung. Zuletzt hatten Regenfälle in Zeltlagern für Binnenflüchtlinge zu Überschwemmungen geführt.
Israelis fordern Untersuchungskommission
Angenommen wird, dass die Hamas weiterhin rund 100 Geiseln im Gazastreifen festhält. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist unklar. Bemühungen um eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Häftlinge waren bisher erfolglos. Die Wut der Angehörigen von Hamas-Opfern und Überlebenden des Massakers vom 7. Oktober 2023 in Israel ist groß. Laut einem Bericht der «Times of Israel» fordern rund 1.000 Familien in einem öffentlichen Brief eine staatliche Untersuchungskommission zum Verhalten der Regierung vor dem Terror-Überfall.
Viele Israelis werfen Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, bisher keine persönliche Verantwortung für das Versagen der Politik und Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit dem Oktober-Massaker übernommen zu haben. Netanjahu, der einem Korruptionsprozess unterliegt, plant eine Untersuchung erst nach dem Ende des Gaza-Kriegs einzuleiten. Kritiker beschuldigen ihn immer wieder, den Krieg gegen die Hamas zu verlängern, um an der Macht bleiben zu können.