Die bisherigen Koalitionspartner wollen weitermachen mit Rot-Grün, während die CDU ihr Wahlziel verfehlt.
SPD bleibt stärkste Kraft in Hamburg trotz Verlusten
In Hamburg entscheidet man sich eine Woche nach der Bundestagswahl für Kontinuität. Die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher bleibt nach Hochrechnungen stärkste Kraft – trotz Verlusten. Die Grünen, Koalitionspartner der SPD, verlieren ebenfalls und landen hinter der CDU auf Platz drei.
Am Schluss sollte es jedoch ausreichen, was die bisherigen Koalitionspartner bereits vor der Wahl als Wunsch geäußert hatten: Sie möchten mit Rot-Grün fortfahren.
CDU: Hamburg stimmt für Politikwechsel
CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering, der seine Partei nach historisch schlechten 11,2 Prozent vor fünf Jahren zurück an die 20-Prozent-Marke geführt hat, dürfte damit ein Wahlziel verfehlen. Nach der Bundestagswahl wollte er die Grünen «auch in Hamburg in die Opposition schicken».
Noch am Wahlabend erneuert er sein Angebot an die SPD: «Wir stehen für eine stabile Regierung mit positiven Veränderungen vor allem in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Verkehr zur Verfügung.» Hamburg habe für einen Politikwechsel gestimmt. Tschentscher, der der CDU die Regierungsfähigkeit immer wieder abgesprochen hatte, dürfte das kaltlassen.
Tschentscher: «Hamburg ist anders» – SPD weiter stärkste Kraft
«Von rechts und links sollten wir überholt werden», sagt Wahlsieger Tschentscher auf der Party seiner SPD. «Aber das ist nicht gelungen.» Nach dem desaströsen Ergebnis für die Sozialdemokraten im Bund hätten die Genossen in Hamburg die Köpfe nicht hängen lassen. «Hamburg ist anders, wir wollten weiterhin stärkste Kraft in Hamburg bleiben. Und genau das ist auch gelungen.»
Für Tschentscher gibt es noch eine weitere erfreuliche Nachricht am Wahlabend: «Dass uns die schlecht Gelaunten aus der rechten Ecke vom Hals gehalten wurden in Hamburg.» Dass die AfD voraussichtlich deutlich unter zehn Prozent bleibe, sei «eine ganz wichtige Entscheidung, die von Hamburg aus nach Deutschland hoffentlich ausstrahlt.»
Bei der Party der Grünen zeigt sich Spitzenkandidatin Katharina Fegebank von den Ergebnissen erleichtert – und zu Freudentränen gerührt. «Mir ist so eine Zentnerlast von den Schultern gefallen, das war so brutal die letzten Wochen», sagt die Zweite Bürgermeisterin, als sie versucht, sich die Tränen aus den Augen zu wischen. Ihr Fazit: «Mascara verschmiert.»
Rot-Grüne Zweidrittelmehrheit ist weg
An Rot-Grün werde sich voraussichtlich auch in den kommenden fünf Jahren nichts ändern, konstatierte auch Heike Sudmann, Spitzenkandidatin der Linken, die nach ihrem Erfolg im Bund auch in Hamburg deutlich zulegen konnten. Der große Unterschied: «Es gibt keine Zweidrittelmehrheit mehr. Rot-Grün muss jetzt gucken, wie sie was machen.»
Politologe: Hamburg wählt erfrischend gelassen
Nach dem Bruch der Ampel und der Neuwahl des Bundestags sei die Hamburg-Wahl «erfrischend gelassen» ausgefallen, sagt der Politologe Kai Uwe Schnapp von der Uni Hamburg. Und das habe seinen Grund: «Hamburg ist mit Abstand das reichste Bundesland.» Mit dem bundesweit größten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sei die Situation sehr konsolidiert. «Das macht natürlich auch das politische Gestalten einfacher, wenn ich über mehr Ressourcen verfüge.»
Offensichtlich habe der Senat nach Meinung der Bürgerinnen und Bürger «einigermaßen gute Politik geleistet, ist mit diesem Wohlstand auch gut umgegangen und dementsprechend ist dann auch das Wahlergebnis», sagt Schnapp.
Gelassenheit auch in Berlin
Die Hamburg-Wahl bringt für die Bundesparteien in Berlin keine neue große Aufregung, besonders für CDU-Chef Friedrich Merz und die SPD, die jetzt eine mögliche Koalition im Bund ausloten, so kurz nach der harten Polarisierung rund um die Bundestagswahl. Für die gebeutelten Sozialdemokraten ist der erste Platz in ihrer Hochburg Hamburg Balsam für die Seele – dabei zieht dank Tschentscher auch wieder der Bonus eines populären Amtsinhabers.
Die CDU verzeichnet Zugewinne bei einer ansonsten oft schwierigen Großstadt-Wahl. Für Merz und SPD und CSU als potenzielle Partner in Berlin ist jedoch auch wichtig, dass nach Hamburg in diesem Jahr keine weiteren Landtagswahlen mehr stattfinden. Eine schwarz-rote Bundesregierung könnte also ohne sofortige Risiken starten. Die nächsten Stimmungstests finden erst im Frühjahr 2026 bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz statt.