Der Kanzler und seine Ministerinnen und Minister sind in Neu-Delhi, um über U-Boote, Auto-Zölle, Fachkräfte und Russland zu sprechen.
Deutschland und Indien: Scholz berät mit Modi über Zusammenarbeit
Olaf Scholz (SPD) wurde bereits seit Tagen auf großen Plakaten auf den Straßen von Neu-Delhi willkommen geheißen, und nun ist er tatsächlich angekommen. Am Donnerstagabend landete der Kanzler mit seinem Regierungsflieger in der indischen Hauptstadt, um heute gemeinsam mit vier seiner Ministerinnen und Minister mit dem indischen Regierungschef Narendra Modi und dessen Kabinett über eine engere Zusammenarbeit zu beraten. Themen sind U-Boote, hinderliche Auto-Zölle und indische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Außerdem geht es um Russland und die Ukraine.
30 Maßnahmen für mehr Fachkräfte aus Indien
Etwa 140.000 Inder sind bereits in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, und es sollen noch viele weitere hinzukommen. Das Kabinett hat in der vergangenen Woche 30 Maßnahmen beschlossen, um die Anwerbung von Fachkräften vom Pfleger bis zum IT-Experten zu erleichtern. Während in Deutschland der Mangel an qualifiziertem Personal in vielen Branchen Wachstum und Fortschritt bremst, ist in Indien das Gegenteil der Fall. Jeden Monat drängen eine Million gut ausgebildete Kräfte auf den Arbeitsmarkt der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt, jedoch gibt es nicht genügend Jobs für sie. Zu den beschlossenen Maßnahmen gehören digitale Visa, Deutschkurse und Jobmessen in Indien sowie eine gezieltere Beratung indischer Studenten in Deutschland.
Habeck will begrenztes Freihandelsabkommen
Bei den Regierungskonsultationen in Delhi ist das Thema der Fachkräfte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits am Donnerstagmorgen ankam. Habeck strebt an, neuen Schwung in die Verhandlungen über das lang angestrebte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien zu bringen. Besonders große Hürden bestehen im Automobil- und Pharmasektor. Die Einfuhr von fertig montierten Pkw nach Indien war zuletzt mit Aufschlägen von bis zu 100 Prozent je nach Größe des Fahrzeugs verbunden. Die EU strebt langfristig die Abschaffung dieser Hürden an. Indien betrachtet dies jedoch als Gefahr für die heimische Produktion, auch durch ausländische Unternehmen, die aufgrund der hohen Zölle – zum Teil abgeschreckt – indische Standorte errichtet haben.
In der Vergangenheit gab es in der Pharmabranche besonders Probleme mit geistigem Eigentum. Habeck schätzt jedoch den Agrarsektor noch schwieriger ein, da in Indien ein deutlich größerer Teil der Bevölkerung als in Deutschland in diesem Bereich arbeitet. Wenn Indien seinen Markt vollständig öffnen würde, würde dies zu erheblichen Verwerfungen im Land führen. Deshalb plädiert Habeck für ein begrenztes Abkommen, das zunächst nur den Industriebereich abdecken könnte.
U-Boot-Produktion mit deutscher Beteiligung?
Neben der Wirtschaft geht es bei dem Gipfel auch um eine engere Kooperation im Sicherheitssektor. Indiens Streitkräfte sind derzeit zu einem Großteil mit russischen Waffen ausgerüstet. Die Bundesregierung würde gern daran mitwirken, das zu ändern. «Und da Indien nun nicht in einer ganz friedlichen Region lebt, braucht es Waffen zur Selbstverteidigung inklusive U-Booten», sagte Habeck an seinem ersten Besuchstag in Neu-Delhi. Konkret geht es derzeit vor allem um die Produktion von sechs U-Booten für die indische Marine, an der sich Thyssenkrupp Marine Systems gern beteiligen würde. Dazu gibt es eine erste Absichtserklärung, aber noch keine Entscheidung der indischen Marine.
Modi kommt gerade aus Russland zurück
Die engen Kontakte Indiens zu Russland sind dem Westen einerseits ein Dorn im Auge. Andererseits können sie aber auch nützlich sein – vor allem, wenn es um eine mögliche Vermittlung bei den Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs geht. Die bot Ministerpräsident Modi gerade erst wieder beim Gipfel der Brics-Staatengruppe im russischen Kasan an. «Wir unterstützen vollständig die schnellstmögliche Wiederherstellung von Frieden und Stabilität», sagte er. Da Indien das Humanitäre im Blick habe, sei das Land mit allen Seiten in Kontakt und auch künftig bereit, «jede Art von Unterstützung zu leisten», um den Krieg zu beenden. Dass Modi Gastgeber Putin in Kasan erneut mit einer innigen Umarmung begrüßte, dürfte in der Ukraine aber nicht gut angekommen sein.