Das Rennen ums Weiße Haus ist offen wie selten zuvor. Wie funktioniert die Wahl genau? Wann steht fest, wer gewonnen hat? Wie verlässlich sind die Umfragen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Harris oder Trump? So läuft die US-Wahl
Wird Kamala Harris zum ersten Mal in der Geschichte der USA Präsidentin? Oder kehrt Donald Trump zurück? Die US-Wahl wird laut Umfragen so knapp wie schon lange nicht mehr.
Die Demokratin, 60 Jahre alt, tritt mit Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota, als Vizepräsidentschaftskandidaten an. Der Republikaner, 78 Jahre alt, hat J.D. Vance, einen jungen Senator aus Ohio, als Stellvertreter ausgesucht.
Vor vier Jahren haben etwa 155 Millionen Menschen ihre Stimme abgegeben. Davon erhielt Joe Biden 81 Millionen, mehr als je zuvor für einen Kandidaten. Entschieden haben jedoch nur etwa 43.000 Menschen in drei Bundesstaaten. Dies liegt am komplizierten Wahlsystem. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer wird gewählt?
Am 5. November treffen die US-Bürger die Entscheidung, wer ab Januar für vier Jahre die mächtigste Demokratie der Welt führen wird. Neben der Präsidentschaftswahl gibt es Tausende weitere Entscheidungen. Besonders wichtig ist der US-Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus – den beiden Kammern, die über Gesetze in den USA entscheiden. Ein Drittel der 100 Senatoren wird neu gewählt, ihre Amtszeit beträgt sechs Jahre. Die 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus werden alle zwei Jahre neu gewählt. Es werden auch Entscheidungen über Gouverneure und Kongresse in vielen Bundesstaaten, Stadtparlamente, Schulbeiräte, Staatsanwaltschaften oder Volksabstimmungen zu Themen wie Abtreibung, der Frage nach einer neuen Flagge für Maine oder ob in Denver zukünftig Pelzverbote gelten werden.
Warum wählen die Amerikaner immer an einem Dienstag im November?
Das hat historische Gründe: Die Ernte sollte vorüber sein, außerdem sollte den Gläubigen keine Wahl am Sonntag zugemutet werden, sie sollten in ländlichen Gebieten nicht einmal die manchmal beschwerliche Reise Richtung Wahllokal antreten müssen, sondern dazu erst am Montag aufbrechen. 1845 erließ der Kongress deshalb ein Gesetz, das den «Dienstag nach dem ersten Montag im November» als Wahltag bestimmte.
Wer darf in den USA wählen?
Grundsätzlich dürfen wie in Deutschland alle Bürger ab 18 Jahren wählen. Das waren bei der Wahl 2020 rund 232 Millionen Menschen. Weil es in den USA aber keine generelle Meldepflicht gibt, müssen sich Wahlwillige in ein Register eintragen lassen. Sie geben dabei auch eine generelle Parteipräferenz an und hinterlegen, ob sie sich als «Demokrat», «Republikaner» oder «Unabhängiger» registrieren wollen. Damit legen sie sich nicht für die tatsächliche Abstimmung in der Wahlkabine fest, aber die Registrierung bestimmt in der Regel darüber, dass man nur für diese Partei an den Vorwahlen teilnehmen kann.
In den USA wurden mehr als fünf Millionen Menschen das Wahlrecht entzogen, weil sie im Gefängnis waren. In den meisten Bundesstaaten erhalten sie es auch nach der Freilassung nicht zurück. Dies betrifft überproportional oft Schwarze. Sie wählen in der Regel öfter demokratische Kandidaten, weshalb Republikaner in der Regel Änderungen der Regeln für Häftlinge bekämpfen.
Aufgrund dieser Einschränkungen ist es schwierig, die genaue Anzahl der Wahlberechtigten in den USA zu bestimmen. Bei der Wahl 2020 haben laut der US-Statistikbehörde etwa 155 Millionen Amerikaner ihre Stimme abgegeben. Dies entsprach einer Wahlbeteiligung von rund 66,8 Prozent gemessen an der wahlberechtigten Bevölkerung – ein Rekordwert.
Wie genau wird der Präsident oder die Präsidentin gewählt? Was sind Wahlleute?
Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden nicht direkt über den Präsidenten, sondern darüber, wem die Wahlleute ihres jeweiligen Bundesstaates ihre Stimme geben sollen. Die Delegierten werden im Dezember zur formellen Abstimmung über den Präsidenten geschickt. In der Regel gilt: Wenn ein Kandidat in einem Staat auch nur mit einer Wählerstimme führt, erhält er alle Wahlleute in diesem Staat – außer in Nebraska und Maine, wo alle Delegierten eines Staates als Block abstimmen.
Was sind «Swing States» oder «Battleground States»?
In den USA gibt es beim Wahlverhalten wie in vielen anderen Ländern starke geografische und demografische Unterschiede: Städter und Menschen an der Ost- und Westküste wählen häufiger die Demokraten. Wähler in ländlicheren Gebieten und in den Staaten im Südosten stimmen eher für die Republikaner. Aufgrund von historischen Erfahrungen gilt es schon jetzt in über 40 Staaten als sicher, wer gewinnt. Der Wahlkampf konzentriert sich auf sieben Bundesstaaten in der Mitte, die in der Vergangenheit mal für die eine, mal für die andere Partei gestimmt haben. Sie werden in den USA «Swing States» oder «Battleground States» genannt, «Schlachtfelder-Staaten». In Michigan, Pennsylvania und Wisconsin im Norden und in Nevada, Arizona, Georgia und North Carolina im Süden kommt es auf jede Stimme an. In Umfragen liegen die beiden Kandidaten in allen diesen Staaten aktuell höchstens rund zwei Prozentpunkte auseinander.
Wann kommen die ersten Hochrechnungen?
Wegen der vielen Zeitzonen in den USA gibt es keine einheitliche Schließung der Wahllokale. Stattdessen endet die Wahl in den Bundesstaaten im Osten zuerst, den Abschluss bildet Hawaii. Anders als in Deutschland gibt es keine Prognose beim Schließen der Wahllokale und auch keine Hochrechnung während der Auszählung. Deutet sich allerdings aufgrund von historischen Ergebnissen und Vorwahlumfragen an, dass einem Kandidaten der Sieg in einem Bundesstaat kaum noch zu nehmen ist, dann rufen die großen Fernsehsender einen Gewinner aus. Diese Aussagen gelten als sehr verlässlich, die Sender unterhalten eigene «Entscheidungstische» mit teils jahrzehntelang erfahrenen Experten.
Wie lange dauert die Auszählung? Wann steht fest, wer gewinnt?
Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass es am Dienstagabend noch keinen Sieger gibt, aber unmöglich ist es nicht. 2020 wurde Joe Biden am Samstagmorgen nach der Wahl zum Sieger erklärt. Anders als in Deutschland gibt es je nach Bundesstaat oft sehr unterschiedliche Auszählungsmodalitäten mit Computern oder nur auf Papier. Bei sehr engen Entscheidungen sehen die meisten Bundesstaaten eine manuelle Nachzählung vor.
Wer hat bessere Chancen?
Es ist wirklich sehr unklar. In landesweiten Umfragen hat Kamala Harris einen minimalen Vorsprung, doch in den entscheidenden Swing States liegen beide gleichauf. Donald Trump hat in den vergangenen Wochen ein klein wenig Boden gut gemacht.
Wie verlässlich sind Wahlumfragen in den USA?
Im Allgemeinen zuverlässiger als ihr Ruf. Es ist jedoch schwierig, die genaue Zusammensetzung der Wählerschaft im Voraus vorherzusagen. Bei Nachbefragungen stellte sich 2020 heraus, dass rund 20 Prozent der Wähler vier Jahre zuvor nicht gewählt hatten. Dieser Anteil war auch in früheren Jahren ähnlich hoch. Trump wurde 2016 und 2020 unterschätzt, die Demokraten waren seit 2022 bei den Zwischenwahlen und außerplanmäßigen Wahlen deutlich erfolgreicher als bei der Wahl 2020. Dies liegt daran, dass das landesweite Recht auf legale Abtreibung in den USA aufgehoben wurde. Die große Frage ist, ob sich 2024 die Serie von Trump oder Harris fortsetzt.
Wird Trump die Wahl anerkennen?
Die Sorge besteht, dass Trump und die Republikaner erneut das Wahlergebnis in Frage stellen werden, falls Harris gewinnt. In einigen Staaten werden zuerst die persönlich am Wahltag abgegebenen Stimmen bekannt gegeben und erst danach die per Post oder persönlich in den Tagen vor der Wahl eingegangenen Stimmen gezählt. Da Demokraten häufiger vorab wählen, scheinen zunächst die Republikaner in Führung zu liegen, während im Laufe der Zeit mehr Stimmen für die Demokraten hinzukommen. Deshalb behauptete Trump 2020 noch am Wahlabend, dass er uneinholbar vorn liege und gewonnen habe, obwohl noch nicht alle Stimmen gezählt waren. Es gilt als nahezu sicher, dass er auch in diesem Jahr versuchen wird, dasselbe zu tun.
Wie geht es nach der Wahl weiter?
Nach der Zertifizierung in den Bundesstaaten und möglichen Nachzählungen per Hand kommen die Wahlleute am 17. Dezember in Washington zur Abstimmung zusammen. Im Januar wird dann im Senat noch einmal das Ergebnis zertifiziert, mit dem Vizepräsidenten als Sitzungsleiter. Dieses Treffen hatte am 6. Januar 2021 zum Sturm auf das Kapitol geführt, weil Trumps damaliger Vize Mike Pence die Wahl anerkennen wollte. Trump hetzte einen Mob auf, und Hunderte Demonstrierende brachen in das Parlamentsgebäude ein, einige skandierten «Hängt Mike Pence!». Dieses Mal sitzt Anfang Januar 2025 Harris als noch amtierende Vizepräsidentin dieser Sitzung vor.