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Harvard-Aus für Ausländer – Bär: «dramatische Entwicklung»

Harvard soll keine Studierenden aus dem Ausland mehr aufnehmen dürfen. Was bedeutet das für Deutsche an der Elite-Uni? Und wird Deutschland wegen der US-Politik als Studienort attraktiver?

Forschungsministerin Dorothee Bär nennt die neuen Vorgaben für Harvard «fatal». (Archivbild)
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die Ankündigung der US-Regierung, ausländische Studierende von der Elite-Universität Harvard auszuschließen, führt auch in Deutschland zu intensiven Diskussionen. Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) bezeichnete die Entscheidung aus Washington als verhängnisvoll. Auch Politiker anderer Parteien, wie der Harvard-Absolvent Karl Lauterbach (SPD), äußerten sich kritisch und warben für Deutschland als Studienort für internationale Nachwuchswissenschaftler.

«Das ist vor allem für die junge Generation eine ganz dramatische Entwicklung», sagte Bär in Brüssel am Rande einer Sitzung der EU-Forschungsminister. «Ich hoffe sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird, weil sie wirklich fatal ist.» Man sei in Europa jetzt langsam der alleinige Hotspot der Wissenschaftsfreiheit.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach von einem «schweren Schlag» und erklärte: «Der uneingeschränkte internationale Austausch gehört zum Wesenskern der Kunstfreiheit und des Fortschritts in Kunst und Kultur. Ohne ihn droht eine geistige Verzwergung, die uns alle ärmer macht.» Die Bundesregierung setze weiter auf Austausch und Diskurs.

Auswärtiges Amt: Dringende Angelegenheit für uns

Das Auswärtige Amt in Berlin hat angekündigt, Gespräche mit den USA über die Auswirkungen der angekündigten Abweisung von Ausländern an der Universität auf deutsche Studierende zu führen. Ein Sprecher sagte, dass dies als dringende Angelegenheit betrachtet werde und man erwarte, dass deren Anliegen und Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Dreistellige Anzahl Deutscher in Harvard

Laut dem Sprecher sind in Harvard eine dreistellige Anzahl Deutscher eingeschrieben, genaue Zahlen wurden nicht genannt. Gemäß einer Übersicht des Statistischen Bundesamts studieren jedes Jahr insgesamt zwischen 8.000 und 9.000 Deutsche in den USA.

Am Donnerstag gab das US-Heimatschutzministerium bekannt, dass Harvard die Genehmigung für die Aufnahme ausländischer Studierender entzogen wird. Ausländer, die bereits eingeschrieben sind, müssen entweder an eine andere Universität wechseln oder riskieren, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren. Laut Harvard sind derzeit etwa 6.800 Menschen aus anderen Ländern an der Universität in Cambridge an der US-Ostküste immatrikuliert.

Die Elite-Universität hat am Freitag Klage gegen die US-Regierung vor einem Bundesgericht eingereicht. In der Klage wirft die Universität der Regierung von Trump vor, die Hochschule mit einer rechtswidrigen Vergeltungsmaßnahme unter Druck setzen zu wollen.

Dauer-Konflikt mit Trump-Regierung über politische Ausrichtung

Der Schritt der US-Regierung hat eine lange Vorgeschichte und ist Teil eines anhaltenden Konflikts zwischen verschiedenen Universitäten und der Regierung von Präsident Donald Trump. Diese begründet ihr Vorgehen mit propalästinensischen Protesten an den Hochschulen. Harvard geht nach Ansicht des Heimatschutzministeriums nicht entschieden genug gegen Antisemitismus auf dem Campus vor.

Die Universität weigert sich auch, politischen Vorgaben zu folgen, wie z.B. die Einstellung von Diversitätsprogrammen – also spezielle Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt. Zuvor hatte die Regierung bereits Fördergelder für die Hochschule eingefroren.

Lauterbach spricht von «forschungspolitischem Suizid»

Der Schritt der US-Regierung gegen die weltweit renommierte Universität löste bei Ex-Gesundheitsminister, Harvard-Absolvent und -Gastdozent Karl Lauterbach Kopfschütteln aus. Er sagte der «Rheinischen Post», die Angriffe der Trump-Regierung seien «forschungspolitischer Suizid». 

«Wenn ausgerechnet die wichtigsten und leistungsstärksten Universitäten absichtlich geschwächt werden, legt man die Axt an bei einem der bedeutendsten Pfeiler für die amerikanische Wirtschaft», fügte der SPD-Politiker hinzu. 

https://x.com/Karl_Lauterbach/status/1925844030451048691

Unzählige Unternehmen in den USA profitierten von dem Wissen, das Harvard-Absolventen mitbrächten. «Viele ausländische Harvard-Absolventen bleiben ja in den USA nach dem Studium», sagte Lauterbach, der seit dieser Woche den Forschungsausschuss des Bundestages leitet.

Diskussion über Nachwuchs-Anwerbung in Deutschland

Vor dem Hintergrund der Ereignisse wird in Deutschland nun verstärkt über die mögliche Anwerbung ausländischer Nachwuchswissenschaftler diskutiert. Die Regierungspartner Union und SPD hatten schon in ihrem Koalitionsvertrag ein «1.000-Köpfe Programm» zur Gewinnung internationaler Talente vereinbart. Darauf verwies Forschungsministerin Bär. 

Für Studierende und Forschende aus dem Ausland müssten Deutschland und Europa «ein sicherer Hafen» sein, sagte die CSU-Politikerin. Auch die EU-Kommission plant ein 500-Millionen-Euro-Paket, das unter anderem Stipendien für Spitzenforscher finanzieren soll. Zwar könne man vielleicht nicht «eins zu eins» Gehälter wie in den USA bieten. Dafür sei das Leben in Deutschland deutlich günstiger – und dass Forschende hier frei forschen und lehren könnten, sei «unbezahlbar», sagte Bär. 

Jarzombek: «Kämpfen um internationale Talente»

Der CDU-Forschungs- und Digitalpolitiker Thomas Jarzombek – inzwischen Staatssekretär im neuen Bundesdigitalministerium – sagte, gerade im Bereich Künstliche Intelligenz und Digitalisierung böten deutsche Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen Top-Bedingungen. «Wir wollen jetzt kämpfen um die internationalen Talente, die nach anderen Standorten suchen als etwa in den USA.»

Die für das Thema zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Misbah Khan, forderte von der Bundesregierung ein «ambitioniertes Anwerbeprogramm». «Deutschland hat jetzt die Aufgabe, mit seinen starken und freien Hochschulen den Wegfall der USA als Bildungsstandort zu kompensieren», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

dpa