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Herbe Niederlage für Erdogans Partei bei Kommunalwahl

Die türkische Opposition hat einen Überraschungssieg hingelegt. Sie geht als stärkste Kraft aus den Kommunalwahlen hervor – ein herber Rückschlag für Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Anhänger der Mitte-Links-Partei CHP feiern vor dem Rathaus in der türkischen Hauptstadt Ankara.
Foto: Ali Unal/AP/dpa

Die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bei den Kommunalwahlen in der Türkei laut vorläufigen Ergebnissen vom frühen Montagmorgen starke Verluste erlitten. In den fünf größten Städten des Landes konnte sich die größte Oppositionspartei CHP bei den Bürgermeisterwahlen durchsetzen, besonders deutlich in Ankara und Istanbul.

Die CHP wurde laut vorläufigen Zahlen mit 37,6 Prozent landesweit stärkste Kraft, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu nach mehr als 98 Prozent ausgezählter Stimmen berichtete. Die AKP kam auf 35,7 Prozent. Sollte sich das Ergebnis offiziell bestätigen, wäre die AKP erstmals seit ihrer Gründung 2002 in einer Kommunalwahl nur zweitstärkste Kraft. Erdogan räumte am Abend ein, nicht das gewünschte Ergebnis erzielt zu haben. Oppositionschef Özgür Özel sprach von einem «historischen Ergebnis», das zeige, dass die Wähler eine neue Politik wollten. 

Stimmungstest für Erdogan

Die Wahl wurde auch als Stimmungstest für Erdogan betrachtet, der im letzten Jahr erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Die hohe Inflationsrate und die wirtschaftliche Lage dürften Erdogans Partei Stimmen gekostet haben.

Der Staatspräsident hat auch sein erklärtes Ziel verfehlt, die politisch wichtige Metropole Istanbul mit ihren 16 Millionen Einwohnern zurückzugewinnen. Amtsinhaber Ekrem Imamoglu (53) von der CHP gewann am Sonntag nach Auszählung fast aller Stimmen deutlich mit rund 51 Prozent, so Anadolu.

Der erneut gewählte Bürgermeister von Istanbul, Imamoglu, konnte an seinen spektakulären Wahlsieg von 2019 anknüpfen und seine Position als möglicher zukünftiger Präsidentschaftsanwärter stärken. Im Gegensatz zur vergangenen Kommunalwahl 2019 ging Imamoglu diesmal ohne Unterstützungsversprechen anderer Oppositionsparteien in die Wahl – und gewann dennoch. Am Sonntag ließ er sich vor tausenden Anhängern in Istanbul feiern.

Hoffnungsträger der Opposition

Imamoglu wird als Hoffnungsträger der Opposition angesehen. Er hatte der regierenden AKP von Erdogan im Jahr 2019 die Macht in Istanbul entrissen und damit 25 Jahre der Herrschaft islamisch-konservativer Parteien beendet. Die AKP ließ die Wahl damals für ungültig erklären. In der Stichwahl gewann Imamoglu mit einem noch größeren Vorsprung – dieser Erfolg wird bisher als schwerster Rückschlag in Erdogans politischer Laufbahn angesehen. In Istanbul begann auch Erdogans politischer Aufstieg, als er im Jahr 1994 zum Bürgermeister gewählt wurde.

Erdogan hatte sich persönlich im Wahlkampf um Istanbul engagiert. Sein Kandidat, der ehemalige Städtebauminister Murat Kurum, erzielte laut Anadolu vorläufig nur knapp 40 Prozent der Stimmen.

Die Wahl ist auch für die kurdische Minderheit im Land von Bedeutung. In der kurdisch geprägten Region im Südosten konnte die prokurdische Partei DEM Gemeinden unter Zwangsverwaltung zurückgewinnen. Die Regierung in Ankara hatte viele prokurdische Politiker aufgrund von Terrorvorwürfen abgesetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt. Erdogan beschuldigt die prokurdische Partei des Terrorismus, was diese bestreitet. Die AKP verlor auch zwei Provinzen in Anatolien, Sanliurfa und Yozgat, an die islamistische Partei Yeniden Refah (YRP).

Deutliche Verluste für AKP

In Rize, der Heimatprovinz von Erdogan, war die AKP zwar die stärkste Kraft, verlor jedoch im Vergleich zu 2019 massiv an Stimmen. Auch in den meisten Provinzen, die vom Erdbeben im Februar 2023 betroffen waren, erlitt die AKP deutliche Verluste – die Provinz Adiyaman zum Beispiel verlor sie an die CHP.

Etwa 61 Millionen Menschen in der Türkei wurden gebeten, Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Der Wahlkampf wurde als unfair angesehen – ein Großteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Hauptthemen waren die hohe Inflation von offiziell 67 Prozent, Erdbebenvorsorge und Infrastrukturprojekte.

dpa