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Hilfe erreicht Menschen in Gaza – «Tropfen im Ozean»

Die Not im Gazastreifen ist groß. Nach etlichen Wochen treffen nun erste Hilfsgüter ein, doch sie reichen bei weitem nicht aus. Israels Regierungschef kontert internationale Kritik vehement.

Die Menschen im Gazastreifen leiden große Not. (Archivbild)
Foto: Jehad Alshrafi/AP/dpa

Nach einer elfwöchigen Blockade durch Israel sind endlich erste Hilfsgüter mit tagelanger Verzögerung bei bedürftigen Menschen im Gazastreifen angekommen. „87 Lastwagen mit Gütern wie Mehl, Babynahrung und medizinischem Bedarf waren in der Nacht zum Donnerstag vom Grenzübergang Kerem Schalom losgefahren und erreichten Deir al-Balah und Chan Junis im Süden des abgeriegelten Küstengebiets“, sagte Dschihad Islim, Vizepräsident des Verbands der Privatspediteure in Gaza. Die bisher gelieferten Mengen seien jedoch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, betonten Helfer.

Einige Bäckereien begannen im Morgengrauen damit, Brot zu backen und es an die Bewohner zu verteilen, wie Bäcker und andere Augenzeugen am Donnerstag berichteten. Israel hob die fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfsgüter am Sonntag auf – die Lastwagen, die danach ins Küstengebiet gelassen wurden, standen jedoch tagelang innerhalb des Gazastreifens nahe dem Grenzübergang, da die vorgeschlagene Route nach Angaben der UN zu gefährlich war.

UN-Nothilfechef: Hilfsgüter reichen nicht

UN-Nothilfechef Tom Fletcher begrüßte, dass die ersten Lastwagenladungen ausgeliefert seien; sie seien jedoch nur «ein Tropfen im Ozean im Vergleich zu dem, was dringend benötigt wird», sagte er. Vor Beginn des Gaza-Kriegs waren rund 500 Lkw mit Hilfsgütern pro Tag in den Küstenstreifen gekommen.

«Wegen der Unsicherheit, der Gefahr von Plünderungen, der Verzögerungen bei der Koordinierung von Genehmigungen und der von den israelischen Streitkräften bereitgestellten ungeeigneten Routen, die für die Beförderung von Gütern nicht geeignet sind, bestehen nach wie vor erhebliche Probleme bei der Verladung und Versendung von Waren», teilte das UN-Nothilfebüro Ocha mit.

Warnung vor Hungersnot

Amdschad Schawa, der Direktor des Palästinensischen NGO-Netzwerks in Gaza, sagte, dass weiterhin keine Hilfsgüter den Norden Gazas erreicht hätten. Dort sei aber die Not besonders groß. Hilfsorganisationen haben vor einer akuten Hungersnot unter den 2,1 Millionen Einwohnern des Gazastreifens gewarnt. Der Gesundheitsminister der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland, Majed Abu Ramadan, sagte laut dem arabischen TV-Sender Al Dschasira, in den vergangenen Tagen seien mindestens 29 Kinder und Ältere «hungerbedingt» gestorben. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Israel stoppte Anfang März alle Hilfslieferungen und nahm zwei Wochen später seine Militäroffensive wieder auf, was das Ende einer zweimonatigen Waffenruhe mit der islamistischen Hamas bedeutete. Ziel war es, den Druck auf die Terrororganisation zu erhöhen, um die restlichen Entführten freizulassen. Laut israelischen Angaben werden derzeit noch mindestens 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten.

Israel behauptete, dass es keinen Mangel an Hilfsgütern gebe und beschuldigt die Hamas, diese zu stehlen, um sie an ihre Kämpfer weiterzugeben oder auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend zu verkaufen. Die Hamas bestreitet dies. Auch die UN sagen, dass Israel keine Beweise dafür vorgelegt habe.

Netanjahu macht Kritikern schwere Vorwürfe 

Wegen Israels neuer Großoffensive und der Blockade von Hilfsgütern gab es zuletzt viel internationale Kritik an dem Land. Die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Kanadas und Großbritanniens hätten «der Propaganda der Hamas geglaubt, dass Israel palästinensische Kinder verhungern lässt», wetterte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag. «Ich sage zu Präsident Macron, Premierminister Carney und Premierminister Starmer: Wenn Massenmörder, Vergewaltiger, Babymörder und Entführer sich bei Ihnen bedanken, stehen Sie auf der falschen Seite der Gerechtigkeit», sagte er. 

Netanjahu hatte zuvor angekündigt, dass er eine begrenzte Menge an Nahrungsmitteln zulassen würde, um die kürzlich ausgeweitete Bodenoffensive des israelischen Militärs fortzusetzen und die volle Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen. Israel und die USA beabsichtigen, die humanitäre Hilfe neu zu organisieren. US-Sicherheitsunternehmen sollen Verteilungszentren einrichten und betreiben. Dies soll laut Netanjahu in den nächsten Tagen geschehen. Israel plant, auf diese Weise UN- und andere Hilfsorganisationen zu umgehen. Diese lehnen die Pläne ab, da sie nicht den Mindestanforderungen humanitärer Hilfe entsprechen.

Der Gaza-Krieg begann mit dem schlimmsten Massaker in der Geschichte Israels, das von der Hamas und anderen Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 begangen wurde. Dabei wurden rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seit Kriegsbeginn wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.600 Palästinenser in Gaza getötet. Es ist schwer zu unterscheiden, ob es sich dabei um Kämpfer oder Zivilisten handelt, und die Zahl ist unabhängig kaum zu überprüfen.

dpa