Israel fliegt schwere Luftangriffe auf Beirut. Menschen sterben, Gebäude stürzen zusammen. Derweil zeigt sich die Hisbollah offen für einen US-Entwurf für eine Waffenruhe.
Hisbollah deutet Verhandlungsbereitschaft mit Israel an
Während Israel weiterhin seine massiven Angriffe auf den Libanon fortsetzt, signalisiert die Hisbollah ihre Bereitschaft zu Verhandlungen. Laut Regierungskreisen im Libanon betrachtet die proiranische Schiitenmiliz den von den USA vorgelegten Entwurf für eine Waffenruhe mit Israel als Grundlage für weitere Gespräche. Gleichzeitig führte die israelische Armee erneut massive Luftangriffe auf das Zentrum der libanesischen Hauptstadt Beirut und den Gazastreifen durch. Die EU-Außenminister werden heute in Brüssel über einen möglichen Kurswechsel im Umgang mit Israel beraten.
Libanesischen Regierungskreisen zufolge sieht die Hisbollah in dem US-Vorschlag für eine Waffenruhe mit Israel «eine Möglichkeit, einen Rahmen für eine Vereinbarung zu erzielen», hieß es. Für die Hisbollah gebe es aber noch Gesprächsbedarf. Sie wolle nicht den Anschein erwecken, sich bedingungslos den Forderungen der Israelis zu beugen. Sie befürchte, dass ihr Ansehen vor ihren Anhängern, die in diesem Krieg bereits viel verloren hätten, weiter geschmälert werden könnte. Verschiedene Medien hatten über den möglichen US-Vorschlag berichtet.
US-Vorschlag: Angriffe für 60 Tage aussetzen
Laut der Vereinbarung sollen Israel und die Hisbollah ihre Angriffe vorerst 60 Tage lang stoppen. Die israelische Armee muss den Libanon verlassen und Soldaten der libanesischen Armee an der Grenze stationiert werden. Nach Ablauf der 60 Tage sollen Israel und der Libanon Verhandlungen über die volle Umsetzung der UN-Resolution 1701 aufnehmen. Diese Resolution wurde nach dem Krieg von 2006 mit dem Ziel verabschiedet, die Kämpfe im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und Israel zu beenden.
Die Hisbollah hat nach eigenen Angaben Israel beschossen, um die Hamas im Gazastreifen zu unterstützen, die am 7. Oktober 2023 ein Massaker mit rund 1.200 Toten in Israel verübt hatte. Als Reaktion führte das israelische Militär Luftangriffe und eine Bodenoffensive durch, wobei nach offiziellen Angaben im Libanon mehr als 3.000 Menschen getötet wurden.
Angriff nahe berühmter Einkaufsstraße in Beirut
Israel führte seine Angriffe auf Ziele im Libanon fort. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete am Abend von einem Angriff in der Nähe der bekannten Einkaufsstraße Mar Elias in Beirut. Das libanesische Gesundheitsministerium gab bekannt, dass mindestens zwei Personen getötet wurden. 13 weitere wurden verletzt.
In Videos in sozialen Medien konnte man beobachten, wie große Häuserblöcke durch den Einschlag einer Rakete zusammenfielen. Brände brachen aus, riesige Rauch- und Staubwolken verdunkelten den Himmel. Menschen liefen in Panik durch die Straßen. Es handelte sich um die ersten Angriffe seit fast einem Monat in Beirut selbst. Die meisten Angriffe der vergangenen Wochen hatten die südlichen Vororte getroffen.
Israel hat auch zusätzliche Ziele im Norden des Gazastreifens angegriffen. Laut palästinensischen Berichten wurden fast 100 Menschen getötet. Eine israelische Bombe traf ein fünfstöckiges Wohnhaus in Beit Lahia und tötete 72 Menschen, wie das von der islamistischen Hamas kontrollierte Regierungspresseamt in Gaza am Sonntag bekannt gab. Im Zentrum des Küstengebiets wurden 24 weitere Tote gemeldet.
Die Informationen konnten anfangs nicht unabhängig überprüft werden. Die Armee Israels hat sich nicht zu dem Angriff geäußert. Die Anzahl der Palästinenser, die seit Kriegsbeginn Anfang Oktober 2023 getötet wurden, stieg somit auf 43.846. Es wird nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterschieden.
Papst Franziskus sprach sich derweil für eine Untersuchung des Vorwurfs gegen Israel aus, das Land begehe mit seiner Kriegführung im Gazastreifen einen Völkermord. «Manchen Experten zufolge hat das, was in Gaza geschieht, die Merkmale eines Völkermordes. Es sollte sorgfältig untersucht werden, um festzustellen, ob es der von Juristen und internationalen Gremien formulierten technischen Definition entspricht», zitierte die italienische Zeitung «La Stampa» aus einem neuen Buch des Oberhauptes der katholischen Kirche.
Israel steht international stark in der Kritik aufgrund der hohen Zahl ziviler Opfer im Küstenstreifen und der katastrophalen Versorgungslage. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag verhandelt eine Klage wegen Völkermords, die von Südafrika gegen Israel eingereicht wurde.
Dialog mit Israel aussetzen? EU-Staaten beraten in Brüssel
In Anbetracht des israelischen Vorgehens im Nahen Osten wird heute bei einem Treffen der Außenminister der EU-Staaten über einen möglichen Kurswechsel im Umgang mit dem Land diskutiert. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ist der Ansicht, dass Israel im Zuge seines Vorgehens gegen die Hamas und andere Terrororganisationen gegen Menschenrechte und internationales humanitäres Völkerrecht verstößt. Er schlägt daher vor, den regelmäßigen politischen Dialog mit dem Land vorerst auszusetzen. Darüber hinaus sollte nach Ansicht des Spaniers der Import von Produkten aus völkerrechtlich illegalen israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten verboten werden.
Bei dem Außenministertreffen wird nicht erwartet, Beschlüsse zu den Vorschlägen zu fassen. Dies liegt unter anderem an der bisher vergleichsweise israel-freundlichen Positionierung von Ländern wie Deutschland, Ungarn, Österreich und Tschechien. EU-Beamte betonen jedoch, dass allein die Diskussion über Sanktionen ein deutliches politisches Signal an Israel sendet.
Hisbollah-Sprecher getötet
Schon am Sonntagmorgen griff das israelische Militär das Stadtviertel Ras Al Naba im Zentrum der Küstenmetropole an. Der Sprecher der Hisbollah wurde dabei getötet, wie die proiranische Organisation bestätigte. Mohammed Afif war nach dem Tod der Hisbollah-Führung zu einem der wenigen noch öffentlich bekannten Gesichter der Organisation geworden und hatte zuletzt Pressekonferenzen geleitet. Zudem galt Afif als Vertrauter des Ende September von Israel getöteten Generalsekretärs Hassan Nasrallah.