Studie zeigt: Jährlich eine Million vorzeitige Rentner ab 2025 erwartet, Rentenalter steigt nicht wirklich.
Millionen Babyboomer vorzeitig in Rente: Rentenalter wird nicht erreicht
Fast die Hälfte der Babyboomer im Rentenalter hat bisher vorzeitig in Rente gegangen. Laut einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind das 1,8 Millionen Menschen aus den Boomer-Jahrgängen, die bis 2023 das Rentenalter erreicht haben. Bezogen auf alle Mitglieder des entsprechenden Geburtsjahrgangs beträgt der Anteil 44 Prozent, während er laut Rentenversicherung bei den neuen Rentnerinnen und Rentnern mehr als 55 Prozent beträgt.
Laut einer IW-Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden ab 2025 voraussichtlich jährlich mindestens eine Million Babyboomer vor Erreichen des Regelalters Rente beziehen, sofern sich der Trend zum vorzeitigen Renteneintritt nicht ändert. Das Anheben des Rentenalters auf 67 Jahre führt demnach nicht wirklich zu einer Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters.
Nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts wird einer Trendumkehr hauptsächlich die Rente für langjährig und besonders langjährig Versicherte im Weg stehen – bei letzterer können Personen nach 45 Versicherungsjahren zwei Jahre vor der Altersgrenze abschlagsfrei in Rente gehen.
Weiter abschlagsfrei in Rente?
Studienautorin Ruth Maria Schüler ist der Ansicht, Union und SPD sollten «konsequent sagen, wir beschränken die Möglichkeiten zum vorzeitigen Renteneintritt», wie sie sagt. Doch der Erhalt der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren zählte zu den SPD-Kernversprechen im Wahlkampf – entsprechend verspricht das auch der Koalitionsvertrag.
Seit Jahren ist klar: Mit der Welle der Babyboomer kommen auf die Rentenkasse weitere Milliardenausgaben zu, während die Zahl der Einzahlenden einzubrechen droht. Wegen der düsteren Aussichten kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Bundestag eine «Rentenreformkommission» an. Das Gremium muss erst noch besetzt werden und soll laut Koalitionsvertrag bis zur Mitte der Legislatur Ergebnisse liefern.
Rentenkasse unter Kostendruck
Es besteht Druck in Bezug auf die Zeit. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft dürften sich die Rentenausgaben bis 2045 von derzeit 372 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Dies geht aus dem Entwurf für die gescheiterte Rentenreform der vorherigen Ampelregierung hervor. Die Ausgaben werden weiter steigen, wenn das Sicherungsniveau der Rente bei 48 Prozent gehalten wird, wie es auch Schwarz-Rot verspricht.
Millionen Angehörige der besonders geburtenstarken Jahrgänge haben das reguläre Renteneintrittsalter schon erreicht. Die IW-Forscher verstehen darunter die Jahrgänge 1954 bis 1969. Nach der Studie auf Basis der jüngsten Daten der Rentenversicherung bezogen 2023 bereits 4,5 von 19,5 Millionen Babyboomern eine Altersrente – «davon 0,9 Millionen, obwohl sie das gesetzliche Renteneintrittsalter noch nicht erreicht haben», wie das IW feststellt. Der Gipfel der Babyboomer-Welle, bestehend aus dem Geburtsjahrgang 1964, erreicht laut IW 2031 die Regelaltersgrenze.
Wer typischerweise früher in Rente geht
Trotz des demografischen Drucks hatte der langjährige Arbeitsminister Hubertus Heil Rufe nach längerem Arbeiten oder einem Aus für die abschlagsfreie frühere Rente stets eine Absage erteilt: Viele könnten aus Gesundheitsgründen gar nicht länger arbeiten. Auch Amtsnachfolgerin Bärbel Bas (beide SPD) sagte zuletzt in einem Interview: «Es gibt Berufe, da sind die Leute mit 60 schon fertig.»
IW-Forscherin Schüler gibt hingegen zu bedenken: «Besonders langjährig Versicherte, die ohne Abschläge in Rente gehen, sind Personen, die im Schnitt über ein höheres Haushaltseinkommen verfügen und gut ausgebildet sind.» Es seien damit oft nicht jene, die besonders hart körperlich arbeiten müssten.
Bereits eine Studie des ifo-Instituts stellte vor Jahren fest, die abschlagsfreie Rente werde vor allem von Männern, Fachkräften und Menschen mit anerkanntem Berufsabschluss in Anspruch genommen. Laut einer früheren IW-Erhebung müssten niedrigere Lohngruppen häufiger aus ökonomischen Gründen auf eine vorzeitige Rente verzichten. Schüler erläutert: «Bei der abschlagsfreien Rente finden sich häufig Industrieberufe und klassische Facharbeiterkarrieren.»
Arbeit im Alter soll attraktiver werden
«Ziel der Politik sollte es sein, die geburtenstarken Jahrgänge möglichst lange im Erwerbsleben zu halten, um die demografische Welle zu glätten», meint das IW in seiner aktuellen Studie. Tatsächlich wollen SPD und Union, dass ältere Menschen möglichst lange berufstätig bleiben – und haben dazu die Idee einer «Aktivrente» aus dem Unionswahlprogramm als Plan übernommen: Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten.
Ein Schüler fordert die schwarz-rote Koalition auf, bestimmte Einschränkungen für den früheren Rentenbezug zumindest in der angekündigten Rentenkommission als Thema zu behandeln. Es wird für die Menschen, die sich dem Rentenalter nähern, auch in Zukunft viel zu bedenken geben, wenn sie ihre Optionen abwägen.