Die USA unter Trump – ein Land im Wandel. Politik, Razzien, Lobpreisungen und Machtkonzentration. Eine kritische Analyse.
Trump in Amerika: Ein Präsident ohne Grenzen

Unliebsame Experten werden gefeuert, es gibt Beschimpfungstiraden über politisch Andersdenkende, auf den Straßen sieht man Vermummte bei Razzien gegen Migranten: Wir sind in Amerika. Der Führungsstil von US-Präsident Donald Trump, der sich auch als Entertainer präsentiert, ist erratisch wie beispiellos. Mit einem dicken Filzstift regiert er seit einem Dreivierteljahr, indem er Dekret um Dekret unterschreibt. Der Republikaner verteidigt sich in diesen Tagen mit einem äußert bemerkenswerten Satz: «Ich bin kein Diktator.» Wohin driften die USA?
Vermummte, Razzien, Militär – bald Chicago?
In Chicago kocht gerade die Stimmung hoch. Trump will in der Millionenstadt wegen angeblich ausufernder Kriminalität eingreifen – ähnlich wie er es bereits in Washington und Los Angeles getan hat – und Soldaten auf die Straßen schickte. «Rattenloch» – so bezeichnete er die Kriminalitätssituation in der Hauptstadt. In Kalifornien wiederum waren Leute gegen Razzien der Einwanderungsbehörde ICE gegen Migranten auf die Straße gegangen – das wollte die Regierung unterbinden. Aufräumen, Ordnung schaffen, lautete Trumps Credo.
Der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Illinois, in dem Chicago liegt, beschuldigt Trump, politische Gegner einschüchtern zu wollen. Interessanterweise werden die Städte, die der US-Präsident auswählt, von Demokraten regiert.
Das Beispiel Los Angeles, wo die Nationalgarde per Gerichtsbeschluss daran gehindert wurde, Polizeiaufgaben zur Strafverfolgung zu übernehmen, zeigt jedoch auch: Die Trump-Politik wird von Gerichten überprüft und immer wieder gestoppt. Vom Kongress, in dem Trumps Republikanische Partei die Mehrheit in beiden Kammern hat, kommt hingegen kaum Widerstand.
Thank you, Mr. President: die Anbetung
Es ist erstaunlich, wie Kabinettssitzungen abgehalten werden. In Deutschland wäre so etwas undenkbar. Die letzte Sitzung dauerte ganze drei Stunden. Der US-Präsident lobte seine eigene Arbeit vor laufenden Kameras und ließ seine Ministerinnen und Minister Loblieder auf ihn singen.
So lud Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer den Präsidenten dazu ein, sich sein «großes, schönes Gesicht» auf einem riesigen Banner auf der Fassade ihres Ministeriums anzusehen. Und der Nahost-Sondergesandte Steve Witkoff sagte, sein einziger Wunsch sei, dass «sich das Nobelpreis-Komitee endlich zusammenreißt und begreift, dass Sie der mit Abstand beste Kandidat sind, seit jemals über den Friedensnobelpreis gesprochen wurde».
Die Lobpreisungen symbolisieren einen bedeutenden Unterschied zu Trumps erster Amtszeit: Damals zeigten Justizminister Bill Barr oder Verteidigungsminister Mark Esper, dass es für sie rote Linien gibt.
Für Trump ist es auch ein Kampf um das Narrativ, wie erfolgreich seine Politik ist. Eine Taktik: permanente Wiederholung. Einer seiner Lieblingssätze, die Trump in quasi jede seiner Reden anbringt: Vor einem Jahr sei das Land unter seinem Vorgänger Joe Biden «tot» (dead) gewesen – jetzt seien die USA das «angesagteste» (hottest) Land der Welt.
Trump, der nach dem Friedensnobelpreis strebt und sich als Friedensstifter darstellt, der Kriege beendet, überflutet erfolgreich das Netz über seine und Regierungskanäle mit Erfolgsmeldungen. Trump wird als körperlich stark dargestellt und in Grafiken oft jünger gezeigt, als der 79-Jährige tatsächlich ist. Für ihn unangenehm: ein großer blauer Fleck an seiner Hand, der sichtbar übermalt wird.
Expertin: Gefahr in der Zukunft
«Es gibt eine klare Machtkonzentration und den Versuch, die traditionellen checks and balances und kritische Stimmen auszuschalten», fasst die Expertin für Sicherheitsfragen des unabhängigen US-amerikanischen Think Tank German Marshall Fund, Claudia Major, die Entwicklung in den USA zusammen. Auch in anderen Ländern sehe man solche Tendenzen – etwa in Georgien und unter der Vorgängerregierung in Polen, wo vor Jahren die PiS-Partei Strukturen in Justiz oder Medien angegriffen und verändert hatte.
Wissenschaftlerin Major zufolge weist die Trump-Regierung einige autokratische Züge auf. «In zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens wie Justiz, Presse, öffentliche Verwaltung, Lehre und Forschung gibt es durchaus beunruhigende Tendenzen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Major sieht eine Gefahr, die in der Zukunft liegt. Das Handeln einer Regierung wirke sich auf künftige Generationen aus. «Wenn man nur noch „Fox News“ schaut, ändert sich der Debattenraum.» Langfristig – wenn Lehrpläne in Schulen umgeschrieben werden oder Forschung durch ausgewählte Förderung unter Druck gesetzt wird, könne das beeinflussen, wie ein Land denkt und handelt und welche Prioritäten es in Zukunft setzen wird.
Attacke auf Unabhängigkeit der Fed
Ein Grundpfeiler von Trumps Industriepolitik sind hohe Importzölle. Laut ihm sollen sie Unternehmen dazu bringen, in den USA zu produzieren, während sie gleichzeitig viel Geld in den Staatshaushalt bringen. Einige Experten warnen jedoch vor steigenden Preisen, falls die Zölle an die Kunden weitergegeben werden. Die Federal Reserve hat bisher eine Zinssenkung vermieden, die Trump unbedingt möchte.
Die Unabhängigkeit der Fed ist entscheidend für das Vertrauen in den US-Geldmarkt – und somit auch für die globale Finanzindustrie. Trump stellt jedoch dieses Prinzip in Frage, indem er Druck auf die Notenbanker ausübt. Zuerst äußerte er öffentlich die Möglichkeit, Fed-Chef Jerome Powell zu entlassen – was jedoch auf unüberwindbare Hindernisse stoßen würde. Danach kündigte er an, dass er Ratsmitglied Lisa Cook wegen angeblicher Falschangaben bei Immobilienkrediten vor ihrem Amtsantritt bei der Fed entlässt. Cook wehrt sich vor Gericht. Trumps Angriff auf die Fed ist typisch für seine Vorgehensweise gegen Institutionen, die seinen Zielen im Weg stehen.
Goldene Stahl-Aktie und Intel-Beteiligung
Zur Politik von Trump gehört auch ein ungewöhnlicher Vorstoß in die Wirtschaft. Die Republikaner standen traditionell für freie Märkte und möglichst wenig Einmischung des Staates. Unter Trump bekamen die USA dagegen eine «Goldene Aktie» bei der Übernahme des Stahlkonzerns US Steel durch einen japanischen Konkurrenten. Damit ist die Zustimmung des Präsidenten etwa für die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den USA, Werkschließungen oder große Übernahmen im Land notwendig.
Trumps neuer Grundsatz besagt, dass Unternehmen, die etwas von der US-Regierung wollen, dafür bezahlen sollen. Intel gab dem amerikanischen Staat als Gegenleistung für die bereits zugesagte Milliarden-Förderung zur Steigerung der US-Produktion einen Anteil von zehn Prozent am Unternehmen. Die Chipkonzerne Nvidia und AMD sollen der Regierung für die Erteilung von Exportlizenzen 15 Prozent ihrer Erlöse in China abgeben.