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«Ich bin mehr ein Professor» – Benedikt XVI. ist tot

Joseph Ratzinger war einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Die Verwandlung zu Papst Benedikt XVI. machte ihn zum «Philosophen-König».

Ein Bild mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. steht im Dom St. Peter in Regensburg.
Foto: Armin Weigel/dpa

Als Kardinal Joseph Ratzinger im April 2005 zum Nachfolger des «Jahrhundert-Papstes» Johannes Paul II. gewählt wurde, war die Überraschung groß. Der damals 78-jährige Bayer aus Marktl am Inn galt zwar als «papabile», also als papsttauglich. Als langjähriger konservativer Präfekt der Glaubenskongregation und damit oberster Wächter über die katholische Lehre war Ratzinger aber auch eine umstrittene Figur. Manch einer nannte ihn «Panzerkardinal».

Viele in Deutschland waren jedoch erst einmal im Freudentaumel. Die Schlagzeile der «Bild»-Zeitung brachte das auf den Punkt: «Wir sind Papst». Am Samstag ist der emeritierte Papst nun im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben.

Weniger ein Mann der Praxis

Benedikt – der nach eigenen Beteuerungen gar nicht Papst werden wollte – hatte es als Nachfolger des charismatischen Polen Karol Wojtyla nicht leicht. Er war im Grunde ein Gelehrter, einer der großen Theologen des 20. Jahrhunderts. Ein Mann der Praxis war er weniger – was er auch selbst offen zugab. «Ich bin eben doch in der Hinsicht tatsächlich mehr ein Professor, jemand, der die geistigen Dinge überlegt und bedenkt», sagte er über sich. «Das praktische Regieren ist nicht so meine Seite.»

Durch die Wahl zum Papst wurde er nach den Worten des Theologen Daniel Bogner zum «Philosophen-König», den schon Platon beschrieben hatte. Bogner: «Mit Weisheit und Wahrheit alleine eine Kirche zu regieren, ist nur die halbe Miete, so könnte man sagen. Was dem Ratzinger-Papst fehlte, war ein Gespür für das Politische.»

Als er fünf Jahre im Amt war, stürzte die katholische Kirche in eine ihrer schwersten Krisen: Häppchenweise kamen ab 2010 jahrzehntelanger Kindesmissbrauch und Vertuschung ans Licht. Benedikt beklagte die «Sünde in der Kirche», bat um Vergebung und forderte «null Toleranz». An den kirchlichen Strukturen, die nach Meinung vieler Experten den Missbrauch begünstigten, änderte er jedoch nichts: Die katholische Sexualmoral, das Machtmonopol der Männer, die herausgehobene Stellung der Priester, der Zölibat – all das blieb, wie es war. Dies nicht etwa, weil Benedikt es nicht wagte, eine Erneuerung der Kirche in Angriff zu nehmen: Er sah schlicht keine Notwendigkeit dafür.

Der Missbrauchsskandal holte ihn noch einmal ein

Die krisenhafte Stimmung in der Kirche trug wohl mit dazu bei, dass er am 11. Februar 2013 den radikalsten Entschluss seines Lebens fasste und im Widerspruch zu allen Traditionen zurücktrat. Er selbst begründete dies mit dem Alter und der schlechten Gesundheit. Die Ankündigung schlug ein wie ein Blitz: So etwas hatte es seit Hunderten Jahren nicht mehr gegeben.

Seit seinem Rücktritt lebte Benedikt zurückgezogen in einem Kloster in den Vatikanischen Gärten. Der Missbrauchsskandal holte ihn noch einmal ein, als Anfang 2022 ein Gutachten zum Umgang des Erzbistums München und Freising mit mutmaßlichen Tätern veröffentlicht wurde. Die Gutachter warfen Benedikt dabei Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof von 1977 bis 1981 vor. In einem Brief entschuldigte er sich daraufhin einmal mehr bei allen Betroffenen von sexualisierter Gewalt.

Danach wurde es endgültig still um den greisen Mann in Weiß. Deutschland hatte er 2020 zum letzten Mal betreten: Damals nahm er am Sterbebett Abschied von seinem älteren Bruder Georg, der ebenfalls Priester war. Maria, die Älteste der drei Geschwister, war bereits 1991 gestorben. Der Bruder und die Schwester sind wohl die Menschen gewesen, die ihm zeitlebens am meisten bedeutet haben.

dpa