Zwischen Indien und Pakistan verschärfen sich nach dem Terroranschlag in Kaschmir die Spannungen. Die beiden Atommächte gehen mit drastischen Maßnahmen gegen die andere Seite vor.
Zwischen Indien und Pakistan droht Eskalation

Nach dem verheerenden Terroranschlag in der Unruheregion Kaschmir mit 26 Toten sind die Atommächte Indien und Pakistan auf Konfrontationskurs. Beide Länder haben die Ausweisung von Staatsbürgern der jeweils anderen Seite aus ihrem Staatsgebiet angeordnet. Als Reaktion auf früher beschlossene Maßnahmen Indiens hat Pakistan angekündigt, seinen Luftraum für indische Fluggesellschaften zu sperren und Diplomaten des Landes auszuweisen. Darüber hinaus hat Pakistan seinen wichtigsten Grenzübergang nach Indien geschlossen. Pakistanische Diplomaten mussten bereits am Mittwoch indisches Gebiet verlassen.
Indien glaubt, dass das benachbarte Land für den Anschlag mitverantwortlich ist. Die Regierung in Neu-Delhi sprach von grenzüberschreitenden Verbindungen bei dem Angriff und beschuldigte den Nachbarn, den Terrorismus zu unterstützen. Pakistan hatte jegliche Beteiligung an dem Anschlag bestritten.
Bewaffnete Angreifer haben am Dienstag auf einer Bergwiese in einer beliebten Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam im von Indien verwalteten Teil Kaschmirs 26 Menschen getötet, während mindestens 17 weitere verletzt wurden. Die meisten der Opfer waren indische Touristen. Die Regierung betrachtet den gezielten Angriff auf Touristen als Terrorakt. Indische Medienberichte deuten darauf hin, dass eine islamistische Terrorgruppe mit möglichen Verbindungen zu Pakistan den Anschlag für sich beansprucht hat. Laut einer Erklärung der indischen Polizei wurden heute zwei der Angreifer als Pakistaner identifiziert. Es bleibt unklar, auf welcher Grundlage sie identifiziert wurden.
Militärische Eskalation?
In Indien wächst inzwischen die Sorge, das Militär des Landes könnte unter anderem vermutete Basen von Terrorgruppen auf pakistanischem Boden oder andere Ziele angreifen. Premierminister Narendra Modi drohte in einer öffentlichen Rede im indischen Bundesstaat Bihar mit Blick auf den Anschlag, «unmenschliche Terroristen und ihre Mitverschwörer werden stärker bestraft als sie sich vorstellen können». Die Zeit sei gekommen, jedes Stück Land, auf dem sie stünden, zu zerstören.
In Deutschland äußerten sich Beobachter besorgt. «Die Entwicklungen markieren eine deutliche Verschärfung in den ohnehin angespannten bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Atommächten», sagte Schahina Gambir, die Südasien-Berichterstatterin bei der Grünen-Fraktion ist. Beide Staaten müssten unter allen Umständen eine militärische Eskalation vermeiden.
Schon am Mittwoch hatte Indien Maßnahmen gegen den Nachbarstaat ergriffen. Die Regierung kündigte an, einen wichtigen Vertrag mit dem Nachbarn über die Nutzung der Flüsse in der Himalaya-Region auf unbestimmte Zeit auszusetzen.
Pakistan reagierte einen Tag später mit einer scharfen Drohung: Jeder Versuch, den Wasserlauf zu stoppen oder umzuleiten werde als Kriegshandlung betrachtet «und mit dem gesamten Spektrum der nationalen Macht beantwortet werden», teilte das Büro des pakistanischen Premierministers Shehbaz Sharif mit.
Experten beunruhigt
Der Südasien-Experte Michael Kugelman sieht deutliche Zeichen einer neuen Eskalationsstufe. «Die Bedeutung der Aussetzung des Indus-Wasservertrags kann kaum überschätzt werden», schreibt Kugelman auf der Online-Plattform X. So eine Maßnahme habe es zuvor nicht gegeben.
Das hauptsächlich muslimische Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947 umstritten. Die beiden südasiatischen Atommächte beschuldigen sich regelmäßig gegenseitig, den Waffenstillstand in der geteilten Region zu verletzen. Rebellen kämpfen im indischen Teil Kaschmirs entweder für die Unabhängigkeit vom hauptsächlich hinduistischen Indien oder für einen Anschluss an Pakistan.